wiener.swiss

Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Christoph Blocher

  • Selbstmord einer Zeitung

    BaZ-Chefredaktor Markus Somm wird auch diesen Artikel drucken. Es ist für ihn selbstverständlich, dass er seine Kolumnisten nicht zensuriert. Das ist seine beste Seite. Ab Anfang März will er mich allerdings «gegen einen anderen Linken austauschen». Das ist sein gutes Recht.

    Es ist Christoph Blochers deklariertes Ziel, die «BaZ nackt» weiter zu führen. Sie wird als SVP-Parteiblatt enden. In ihrer ursprünglichen Form begeht die Zeitung vor unseren Augen Selbstmord.

    Die Beendigung der Kolumne «Unsere kleine Stadt» sieht Markus Somm nicht als politischen Akt. Er betont, eine pluralistische Zeitung zu machen, in der auch Leute wie Jean Ziegler zu Wort kommen. Tatsächlich setzte sich Somm sogar persönlich mit dem Genfer Professor auseinander. Aber auf einen Ziegler-Beitrag kommen zehn Artikel, die im Sinne der Erdöllobby die Klimaveränderung leugnen. Und auf jedes Gespräch mit einem kultivierten Mann wie Hans Hollmann erscheinen fünf Artikel mit Christoph Blocher.

    Redaktionelle Kommentare orten – mit ganz wenigen Ausnahmen – den Feind links. Fast jede personelle Neubesetzung in der Redaktion verstärkt diese Tendenz. Sogar für die Spekulationen der Basler Kantonalbank waren gemäss BaZ die Sozialdemokraten verantwortlich, die im Bankrat sitzen. Alle anderen Akteure, inklusive der bürgerliche Bankrats-Präsident, erschienen unschuldig.

    Weit unter der Gürtellinie waren die Angriffe des Chefredaktors gegen Micheline Calmy-Rey. Nach dem anzüglichen Eva Herzog-Porträt von letzter Woche rollt schon die nächste Abo-Abbestellungswelle an. In einem durchschnittlich linksbürgerlichen Umfeld ist eine solche Zeitung nicht haltbar. Selbst die SVP Basel-Stadt, die vor wenigen Jahren noch einen harten Herrliberger Ton anschlug, hat sich im Stil gemässigt. Nur die BaZ bleibt ein Blocher-Blatt.

    Dazu (aber nicht zu Basel) passt der neue Verlagsleiter Rolf Bollmann. In einem Interview mit dem Branchenblatt «persönlich» beschimpfte er besorgte Kritiker des heutigen BaZ-Kurses als «Charakterlumpen und Kollegenschweine, Widerlinge, die ihr Leben nicht im Griff haben». Diese «Nullnummern» würden «mit primitiven Artikeln über Menschen urteilen, die sie nicht kennen und mit denen sie nie gesprochen haben». Treffender hätte Bollmann das zwei Wochen später publizierte BaZ-Portrait über Eva Herzog nicht beschreiben können.

    Es ist Christoph Blochers deklariertes Ziel, die «BaZ nackt» weiter zu führen. Sie wird als SVP-Parteiblatt enden. In ihrer ursprünglichen Form begeht die Zeitung vor unseren Augen Selbstmord. Anständige, gut recherchierte Texte erscheinen immer seltener. Inserate zu schalten, wird wegen sinkenden Leserzahlen unattraktiver. Es gibt keine starke Tageszeitung mehr, die als Diskussionsplattform glaubwürdig ist, die Nachrichten zuverlässig und kritische Analysen unbefangen vermittelt. Basel kommt ein Stück Öffentlichkeit abhanden. Das kümmert Blocher nicht. Es ist zu hoffen, dass jemand in diese Lücke springt.

  • Die Krux mit der BaZ

    Ein alter Bekannter tippte mir kürzlich in der Warteschlange eines Bahnhofskiosks auf die Schulter. Ich hatte gerade die BaZ erstanden (weil mein abonniertes Exemplar zuhause liegen geblieben war). «Kaufst Du noch die BaZ?», fragte er entrüstet. «Ja», antwortete ich. «Ich boykottiere sie konsequent wegen Blocher und Somm», gab der Kollege zurück. Wir gingen gemeinsam Richtung Rolltreppen. Da kam ihm in den Sinn: «Klar liest Du die BaZ, du schreibst ja auch regelmässig eine Kolumne, da musst du sie haben.» Da war ich baff: «Woher weisst du das, wenn du die BaZ boykottierst?» Wir mussten beide lachen.

    Wollen wir wirklich den Zusammenbruch der BaZ? Was wäre die Alternative? Wahr-scheinlich ein Kopfblatt der NZZ oder des Tages-Anzeigers, deren Besitzer ebenfalls klar bürgerlich positioniert sind. Basel braucht eine unabhängige Tageszeitung mit Absender Basel und Basler Identität.

    Wohin ich auch gehe, werde ich so angesprochen. Eine Zeit lang war der Ton eher aggressiv, neuerdings neugierig, ob ich nie zensuriert würde. Ich verneine. In solchen Gesprächen fällt mir regelmässig auf, dass viele, auch bürgerliche Leser, die heute noch die BaZ im Briefkasten haben, ernsthaft ankündigen, bei der nächsten Abo-Rechnung auszusteigen. Daraus schliesse ich, dass die Erosion der BaZ-Abonnentenzahl noch mindestens ein Jahr weiter gehen wird. Das ist existenzbedrohend. Denn ohne Leserinnen und Leser gibt es auch keine Inserate mehr.

    Die «Rettet Basel»-Bewegung hat inzwischen fast 20 000 namentlich bekannte Fans. Diese und viele andere würden eher einen Zusammenbruch der BaZ in Kauf nehmen als eine Zeitung, die Christoph Blocher finanziert und Markus Somm leitet. Wegen Querschlägern unter die Gürtellinie aus der Feder des Chefredaktors und neoliberalen Hintermännern wird die BaZ als rechtes Kampfblatt wahrgenommen. Jeder Artikel mit Rechtsdrall gilt als «typisch BaZ», eher links eingefärbte Beiträge werden als «Feigenblätter» apostrophiert. Die Fronten sind verhärtet.

    Der heutige Verleger, Tito Tettamanti, hat sich das Problem selbst eingebrockt, indem er und seine Entourage die frühere BaZ öffentlich als «linke Zeitung» einordneten. Dies ist natürlich Mumpitz. Die frühere BaZ war zu besten Zeiten ein Forumsblatt, politisch meist ein Eunuch. Oft war sie deshalb langweilig im Vergleich zum farbenfrohen Strauss an journalistischen Leistungen und Meinungen, die uns heute täglich freuen oder ärgern.

    Die Frage stellt sich: Wollen wir wirklich den Zusammenbruch der BaZ? Was wäre die Alternative? Wahrscheinlich ein Kopfblatt der NZZ oder des Tages-Anzeigers, deren Besitzer übrigens auch klar bürgerlich positioniert sind. Unbestritten ist: Basel braucht eine unabhängige Tageszeitung mit Absender Basel und Basler Identität. In welcher Form die BaZ dies leisten kann, ist offen. Sie leichtfertig abserviert zu haben, könnte manchen später reuen.

    Aber eben: Die Wahrnehmung ist entscheidend. Auf dem Weg in den Abgrund ist ein Zwischenhalt zu empfehlen. Es wäre Basel zu wünschen, dass sich das Blatt noch wenden lässt.