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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Wo Zürich (nicht) Basel sein will

Corine Mauch lancierte in Zürich eine Online-«Stadtdebatte». Fast 4000 Diskutierende folgten diesen Monat dem Aufruf ihrer Stadtpräsidentin und loggten sich in die fünf thematischen «Foren» des Mega-Blogs ein. Die gesetzten Bereiche waren: Bauen, Zürichs Grenzen, «Wie wollen wir zusammenleben?», 2000 Watt Gesellschaft und Mobilität. Eines der zeitweise dominanten Sujets, das aus dem Volk kam, war aber ausgerechnet Basel.

Zürichs Stadtpräsidentin lancierte eine „Stadtdebatte“ und provozierte damit eine Wiedervereinigungs-Diskussion mit umgekehrten Vorzeichen: Was wäre, wenn die Limmatstadt wie Basel als Kanton autonom würde? Das Ergebnis überrascht.

Das hatten die Veranstalter der Diskussion nicht erwartet: Der Vorschlag einer Bloggerin, die Stadt Zürich vom restlichen Kanton abzuspalten und einen eigenen Stand innerhalb der Eidgenossenschaft zu gründen – einen Kanton Zürich-Stadt – löste heftige Reaktionen aus. Der Hintergrund der Idee ist die Frustration darüber, dass der eher SVP-lastige Kanton im links-grünen Zentrum mitregiert. So möchte das Umland die Stadt gerne offen halten für den motorisierten Individualverkehr, während zahlreiche Stadtzürcher Haushalte – wie in Basel – auf ein eigenes Auto verzichten und sich deshalb als Opfer sehen: Sie leiden unter Unfallgefahren, Abgasen, Lärm und verstopften Strassen.

Autonomie statt Automanie postulierte eine ganze Reihe Debattierer. Sie forderten die Abspaltung vom Restkanton, um selbstbestimmt entscheiden zu können. Es waren die Gegnerinnen und Gegner dieser Idee, die Basel ins Spiel brachten. Ihr Hauptargument: Am Beispiel von Basel-Stadt sehe man, wie eine Stadt allein ihren Einfluss auf eidgenössischer Ebene verliere. Diese Meinung gewann schliesslich die Oberhand.

Aus Basler Sicht war es interessant zu verfolgen, wie sehr dieser Gedanke die Gemüter bewegte, obwohl er für Zürich beinahe utopisch klingt. Während wir uns fragen, «was wäre wenn BS und BL fusionierten?», überlegten sich die Zürcherinnen und Zürcher: «Was wäre wenn ZH in Zürich-Stadt (ZS) und Zürich-Land (ZL) zerlegt würde?» Das Ergebnis dieser Wiedervereinigungs-Diskussion mit umgekehrten Vorzeichen war: Auch rot-grüne Autorinnen und Autoren spüren lieber das bürgerlich-bünzlige «Hinterland» im Nacken, als die Zukunft allein bewältigen zu müssen und entsprechend isoliert da zu stehen.

Dieses Signal ist ernst zu nehmen. Während Basel beispielsweise seit bald zehn Jahren an der ersten Durchmesserlinie der S-Bahn (das sogenannte «Herzstück» unter der Innenstadt durch) herumbastelt und sich engräumig über Varianten streitet, ist in Zürich – mit kräftiger finanzieller Hilfe der Miteidgenossen – bereits der Bau der zweiten Durchmesserlinie im Gang. Zurückzuführen ist dies auf die Finanzkraft, den politischen Willen und die Durchsetzungsfähigkeit des Kantons. Corine Mauchs Diskussion zeigte klar: In diesem Punkt möchte Zürich nicht mit uns tauschen.

Kommentare

13 Antworten zu «Wo Zürich (nicht) Basel sein will»

  1. Avatar von Luciano Müller
    Luciano Müller

    Liebe Stadtzürcher – Ich verstehe Euch nur allzu gut. Die kulturell vielfältige und dynamische Weltstadt Zürich leidet effektiv unter seinem konservativen Hinterland, deren Bewohner in der Wirtschaftsstadt ihre guten Löhne erarbeiten, aber auf dem «Land» (was oft heisst: in der Einfamilienhaus-Schlaf-Agglo) leben und auf das Recht pochen, als Einzelautofahrer täglich in die Stadt zu kommen (wo die bösen Linken zu hohe Steuern fordern, zu wenig Parkplätze zur Verfügung stellen und wo es wegen den vielen Ausländern und dem vielen Verkehr sowieso unmöglich ist, Kinder aufzuziehen). Ich danke jeden Tag meinen ländlichen Vorfahren, die die Trennung von BS und BL durchgesetzt haben. Das ermöglicht es heute uns Stadtbaslern, eine moderne urbane Politik zu fahren und in einer multikulturellen und sozial durchmischten Gesellschaft zu leben. Und den Baselbietern, sich jeden Abend in ihr sicheres Territorium zurückzuziehen, bei deren Verwaltung sie sich nicht mit uns durchgeknallten Städtern zu verständigen brauchen. Darum: Viel Glück bei Eurer Autonomie-Bewegung, liebe Zürcher.

    1. Avatar von Rolf Gunz
      Rolf Gunz

      Genau, und schon bald braucht BS eine hohe Mauer mit Stacheldrat drumrum damit nicht alle gleichzeitig das sozialistische Paradies in beschlag nehmen können.

      1. Avatar von Andy Jeker
        Andy Jeker

        Jawohl Herr Gunz da haben Sie mehr als recht! Hier herrschen zustände das glaubt einer kaum.

  2. Avatar von Kurt Seiler
    Kurt Seiler

    Wieso wollen denn alle in Zürich und keiner im dank «moderner urbaner Politik», «multikulturellen und sozial durchmischten » Basel wohnen?
    Irren denn alle?

  3. Avatar von Heinz Meier
    Heinz Meier

    Hilfe, liebe Zirrrrcher! Tut es nicht! Bleibt zusammen. Es ist grauenhaft hier in der Nordwestschweiz. Die politischen Reibungsverluste zwischen BL und BS fressen jede Ressource weg. Wie sagte der Pirat im Asterix bevor er erneut sank? «Wir brauchen keine Feinde, wir können uns auch alleine fertig machen» Ja, genau so ist es hier. So müsste es aber nicht sein. Der Vorteil der Stadt MIT dem Land wäre: Die Stadt hebt nicht ab. Der Vorteil des Lands MIT der Stadt wäre: Das Land muss der Stadt Entwicklungsressourcen zugestehen, weil es sonst ans Portemonnaie geht, und es profitiert, weil es überall gleichberechtigten Zugang zu den politischen Entscheidungsgremien hat. Diese Auseinandersetzung wird in EINEM Kanton viel direkter und ohne Kantonsgrenzen-Schützengraben geführt. Zwischen Basel und Liestal gibt es diesen Schützengraben nämlich.

  4. Avatar von Luciano Müller
    Luciano Müller

    @Seiler: Die (leider) steigenden Mietpreise in Basel (gerade in Quartieren wie dem St. Johann) scheinen eher darauf hinzudeuten, dass viele Menschen in Basel wohnen wollen.

    1. Avatar von Kurt Seiler
      Kurt Seiler

      Zürich hat in 10 Jahren ca. 20000 Einwohner gewonnen.
      Basel im gleichen Zeitraum ca. 3000 !
      Mehr gibts zur Attraktivität von Basel nicht zu sagen.

      1. Avatar von Fritz Weber
        Fritz Weber

        @Seiler: sie vergleichen Äpfel mit Birnen; Zürich hat auf Grund von eingemeindungen mehr Fläche – wenn schon vergleichen sie die Bevölkerungszunahme in einem bestimmten Umkreis um das Zentrum. Ich kenne die genauen Zahlen nicht, aber ich denke der Unterschied dürfte dann nicht so gewaltig sein…. zudem ist Zürich genau so multikulturell und sozial durchmischt wie Basel. Und ja ich kenne beide Städte, bin ich doch täglich in beiden!

        1. Avatar von Kurt Seiler
          Kurt Seiler

          Ok Herr Weber, dann ersetzen wir einfach Zürich durch Genf. Genf ist noch kleiner als Basel. Die Zahlen von Genf such ich schon gar nicht.
          Warum ist es für Basler so extrem schwierig mal zuzugeben, dass es woanders möglicherweise besser läuft als hier.
          Fakt ist, dass Basel die unbeliebteste Stadt der Schweiz ist. Dass kaum einer freiwillig von Zürich oder Bern oder sonstwo freiwillig nach Basel zieht. Dass KEINE ausländische Firma nach Basel zieht, dass die Standortförderung Basel mehr Beschäftigte hat, als dass sie hier neue Stellen schafft, Dass Biotech am Genfersee Basel am abhängen ist, dass Zukunftsbranchen am Zürichsee hocken etc etc.
          Und zum eigentlichen Thema zurückzukommen: dass Basel kein regulierendes Hinterland merkt man an allen Ecken und Enden. Wird Basel als multikulturelle sozialgemischte Vorzeigestadt verkauft, mag das einige anlocken. Die meisten schreckt das aber ab.
          Basel mit regulierendem Hinterland würde ganz anders ausschauen. Besser.

          1. Avatar von Daniel Schöni
            Daniel Schöni

            Ich bin Berner.
            Ich lebte auch schon in Basel.
            Nun bin ich in Zürich.
            Zürich ist auf meiner Rangliste deutlich weiter unten als Basel, nämlich ganz unten.

    2. Avatar von r,meier

      sie meinten wohl,viele gutverdienende ausländer der chemiebranche,die können es sich noch leisten,in basel zu wohnen,immer mehr basler verlassen nämlich ihren heimatkanton,sollten sie doch auch wissen,herr müller

  5. Avatar von Christian Müller
    Christian Müller

    Die Kantonstrennung ist ein enorm wichtiger Standortvorteil für Basel. Nur dank dieser können wir, die fortschrittlichen Stadtbewohner, selbst entscheiden, ohne dass wir uns von den Bauernlümmel vom Hinterland reinreden lassen müssen.
    Oder will jemand ernsthaft behaupten, dass Gelterkinden eine höhere Lebensqualität und soziale Sicherheit bietet als Basel?

  6. Avatar von Hugo Reichmuth
    Hugo Reichmuth

    Ich bin zwar Stadtbewohner aus Überzeugung, aber ich finde es amüsant, wie dieselben Leute, die so offen und tolerant sind und die ganze Welt umarmen möchten, sich von der näheren Umgebung absetzen möchten – oder ein Loblied auf die schon existierende Trennung singen.
    Ich verstehe das, frage mich aber, was an solchen Leuten «urban» sein soll…
    Heisst «kosmopolitisch» mit Menschen zusammen zu sein, die identisch denken und fühlen und sich nur von der Oberfläche her unterscheiden?
    Heisst «Urbanität», sich mit Gleichgesinnten zusammenzurotten und die anderen auszuschliessen und auf sie herabzuschauen?
    Heisst «Stadtleben», die Konfrontation und gegebenenfalls die Niederlage zu scheuen?
    Gewisse Leute sind näher am «gated community»-Denken von SVP-wählenden Agglos, als ihnen lieb ist.
    Weiterbringen wird uns diese Denke nicht.

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