Markus Somm pflegt das Klischee von den linken Journalisten. Er tut dies nicht ganz zu Unrecht, wie ich gleich erläutern werde. Doch seine Begründung verfängt nicht. In einem ausführlichen Artikel dieses Blattes (BaZ vom 25. April 2012) zeichnete der Chefredaktor ein Zerrbild seiner Zunft. Er beschrieb sie als eine Schar Dilettanten in allen Fachgebieten und verbissene Volksverführer.

Seine These exemplifizierte der Guisan- und Blocher-Biograph an der historischen Figur Friedrich Locher. Dieser «Doktor der Rechte» und «glänzende Autor» habe im 19. Jahrhundert durch giftige und klassenkämpferische Polemiken den Niedergang des Zürcher Industriellen und Tatmenschen Alfred Escher eingeleitet. Fazit von Somms Ausführungen: «Keine Berufsgruppe neigt noch heute in so überwiegendem Masse der Linken zu (…) Liberal sind die Journalisten bloss im Ausnahmefall.»
Natürlich ist ein solches Urteil auch vom Standpunkt des Kommentators geprägt: Wer rechts steht, sieht automatisch die Mehrheit links. Doch ist in der Publizistik – und das mag manche überraschen – die linke Perspektive in erster Linie ein Qualitätsmerkmal.
Den Entrechteten leiht die Publizistin ihre Stimme. Dies entspricht dem journalistischen Ethos. «Die da oben» haben eigene Megaphone. So sah das letzte Woche auf dem Kultursender DRS2 auch Heribert Prantl, Inland- und Ausbildungschef der liberalen «Süddeutschen Zeitung». Guter Journalismus, bestätigte er, orientiere sich an traditionell linken Leitideen: Demokratie, Meinungsfreiheit, Transparenz und Schutz der Minderheiten.
Ist das ein Unglück? Wahrscheinlich nicht. Medienleute sollten unabhängig sein von den Mächtigen in Wirtschaft und Staat. Das versetzt sie in die Lage, unangenehme Fragen zu stellen, Missstände zu enthüllen, Zusammenhänge aufzuzeigen, Fakten einzuordnen und zu gewichten, und zwar ausschliesslich im Dienst der Öffentlichkeit. Der «Blick von unten» ist ihre Berufung und Profession. Deshalb sind die Medien auch als «vierte Gewalt» gefürchtet – und geschätzt.
Während sich an Kapital und Einkommensmaximierung orientierte Studienabgänger eher für eine Manager-Karriere entscheiden, gehen Idealisten, die die Welt verändern wollen, in den Journalismus. Dieser ist – nahe an der Schriftstellerei – oft brotlos und riskant. Mancher Medienmensch ist allerdings in seiner Laufbahn auf den Geschmack gekommen und hat sich ausserhalb des Journalismus hochgedient, ist beispielsweise Mediensprecher eines Konzerns geworden. Und aus dieser Warte sieht die Welt dann oft ganz anders aus.
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