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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Wohnungsbau

  • «Man darf aus Fehlern lernen»

    Mathis Güller, ein nicht mehr ganz junger Zürcher Jungarchitekt, der auch in den Niederlanden tätig ist, wurde kürzlich gefragt: Was können Holländische Planer, die soeben den Wettbewerb für die Gestaltung der Basler Innenstadt gewonnen haben, besser als ihre Schweizer Kolleginnen und Kollegen? Die Antwort war verblüffend einfach: «Das niederländische Masterplan-Denken funktioniert anders. Man darf auch während der Realisierungsphase aus Fehlern lernen.» Sollten diese Eigenschaft tatsächlich auf Basel abfärben, können wir uns freuen.

    Würde das Erlenmatt-Quartier tatsächlich so realisiert, wie es vor über zehn Jahren geplant wurde, wäre es bald schon antiquiert. Basel muss seine Planungskultur überdenken und weiter denken.

    Zum Beispiel auf der Erlenmatt: Erste Häuser sind gebaut in diesem neuen Quartier und der Park ist in Ansätzen erkennbar. Ganz wohl ist es der Stadt und der Nachbarschaft aber nicht mit dieser neuen Wohnmaschine auf dem ehemaligen «DB-Areal». Die Vorstellung, dass es jetzt in diesem Stil weiter gehen könnte, mit weiteren dunklen, anonymen Wohnblocks und bloss spärlichen öffentlichen Parterre-Nutzungen, verspricht wenig Gutes.

    In harten Verhandlungen haben der Kanton und die Deutsche Bahn als Grundeigentümerin auch vereinbart, dass ein kleiner Teil des Bauvolumens leicht überdurchschnittlichen Energiespar-Grundsätzen genügen sollte. Das entsprechende Baufeld ist noch nicht einmal definiert, und schon bläst der Zeitgeist dieser Planung um die Ohren: Der Ausstieg aus der Atomenergie ist eine ausgemachte Sache, die Massstäbe für soziales und ökologisches Bauen haben sich radikal gewandelt, in Zürich und Bern entstehen soziale Siedlungen – Stichwort «Mehr als Wohnen» – sowie ganze Öko-Quartiere für autofreie Haushalte. Und in Basel?

    Würde das Erlenmatt-Quartier tatsächlich so realisiert, wie es vor über zehn Jahren geplant wurde, wäre es bald schon antiquiert. Wir müssten es unter Heimatschutz stellen – als Denk- und Mahnmal für die klotzende Baukultur der 90er Jahre. Dasselbe Schicksal droht auch dem Dreispitz – einem Filetstück der Basler Stadtentwicklung. Hier gilt ebenso: Was vor kurzem noch als progressiv galt – etwa der flächendeckende Minergie-Standard – ist heute schon Selbstverständlichkeit und muss überdacht und weiter gedacht werden. Vielleicht ist auch beim neuen Kinderspital oder auf der Schorenareal der Zug noch nicht abgefahren.

    Basel ist sehr darum bemüht, den Wohnungsbau anzukurbeln. Das ist sinnvoll, darf aber nicht auf Kosten der Zukunftsfähigkeit gehen. Manchmal gilt das Augenmerk auch der guten Architektur. Das ist löblich. Aber Stadtentwicklung ist weit mehr. Es geht darum, Orte mit Identität zu bauen, nicht nur Häuser. Experimente zu wagen. Menschen für Basel zu begeistern. Das an dieser Stelle schon mehrfach angesprochene Thema der Dichte bedeutet nicht immer, enger zu bauen. Dichte lässt sich auch mit Wohnkonzepten verwirklichen, die bewusst etwas weniger Quadratmeter Wohnfläche pro Person zur Verfügung stellen, auch etwas weniger Strassen, dafür mehr Gemeinschaftsräume, Grün und Spielorte.

  • Was London mit Basel zu tun hat

    Ueli Vischer, heute Präsident zahlreicher gewichtiger Institutionen, initiierte als Basler Finanzdirektor die «Werkstadt Basel». Mit diesem umfassenden Dialogprozess zapfte die Regierung das Erfahrungswissen der Bevölkerung an, um die städtische Lebensqualität zu verbessern. Der Schreibende durfte diesen Prozess mit gestalten. Als Resultat kam 1999 das «Aktionsprogramm Stadtentwicklung» (APS) heraus.

    Der Begriff des «guten Steuerzahlers» wurde 1999 erfunden. Damals war Basel von Defiziten und Abwanderung geplagt. Eine Ansiedlungspolitik, die nur noch auf «gute Steuerzahler» zielt, er-schüttern die Grundlagen des Zusammenlebens.

    Eine der 180 konkreten APS-Massnahmen, die verwirklicht wurden, war das Projekt «5000 Wohnungen für Basel». Diese sollten innert zehn Jahren realisiert werden, was beinahe gelang. Die Idee des Wohnungsbaus war eine logische Konsequenz aus dem Untertitel der «Werkstadt Basel». Dieser lautete: «Projekt zur langfristigen Sicherung der Steuereinnahmen von natürlichen Personen.» Deshalb war auch Ueli Vischer als Finanzdirektor Projektleiter.

    Damals wurde erstmals thematisiert, dass man einen defizitären Staatshaushalt nicht nur mit rigorosem Sparen oder Steuererhöhungen ins Lot bringen kann. Die «Werkstadt Basel» wies einen dritten Weg: Das Anlocken Gutbetuchter durch bessere Lebensqualität in der Stadt. Das war die Geburtsstunde des Begriffs «guter Steuerzahler».

    Die Strategie ist auch aus heutiger Sicht noch richtig, aber sie hat Grenzen. Eine Ansiedlungspolitik, die nur noch auf «gute Steuerzahler» zielt, erschüttern die Grundlagen des Zusammenlebens. Wer schöne und teure Logis baut, sollte im gleichen Takt auch schöne und günstige Wohnungen erstellen (oder stehen lassen), und zwar im gleichen Stadtteil, nebenan. Auch die Kinder ärmerer Menschen haben das Recht auf sichere Schulwege und begrünte Spielplätze. Überall, wo das Gleichgewicht im Wohnraum-Angebot fehlt, gibt es in den Schulen fast nur Schweizer oder nur Ausländer. Beides ist schädlich für den Zusammenhalt und die Produktivität einer Stadt.

    Bei Novartis oder Roche wird «Diversität» nicht nur gefördert, sondern sie ist Chefsache. Kein Wunder: Sie ist ein Schlüssel zum Erfolg. Das gilt auch für Basel als Stadt. Was – umgekehrt – geschehen kann, wenn sich Gettos bilden, erleben wir gegenwärtig in London. Natürlich ist die Schweiz nicht 1:1 mit Grossbritannien vergleichbar, aber im Kleinen erleben wir täglich ähnliche Gewalt von Unzufriedenen und Unmotivierten.

    Eine weitsichtige staatliche Vermietungs- und Liegenschaftspolitik, aber auch die kantonale «Wohnraumentwicklungsstrategie» (das Wort habe nicht ich erfunden) können wesentlich helfen, Diversität zu ermöglichen und sozialen Problemen vorzubeugen, die zum Beispiel entstehen, wenn aus benachteiligten Quartieren alle Schweizer Familien abwandern. Oder in der Innenstadt nur noch Reiche leben. Kurzfristig mag sich das auszahlen. Die Zeche bezahlt die nächste Generation.