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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Verein Fümoar

  • Demokratieverständnis: Null

    Thierry P. Julliard, Sekretär des Vereins Fümoar, nervt. Eigentlich wollte ich auf das Thema nicht mehr zurück kommen. Aber das ständige Gerede vom «knappen» Abstimmungsresultat, das die Basler Bevölkerung dazu verpflichten sollte, das Rauchen in Restaurants doch noch ein wenig zu tolerieren, ist nicht tolerierbar. Dieser Diskurs versucht, einen der wichtigsten Grundsätze unserer Demokratie auszuhebeln: das Akzeptieren von Mehrheitsentscheiden.

    Nach dem System von Fümoar-Sekretär Thierry P. Julliard (rechts, hier mit Fümoar-Präsident Mario Nanni) würde ab sofort jeder Volksentscheid basierend auf dem Verhältnis der annehmenden und ablehnenden Stimmen nachverhandelt. Dies wäre unerträglich. (Foto Henry Muchenberger)

    Natürlich könnte man zum Beispiel verlangen, dass eine Initiative erst dann als angenommen gilt, wenn neben einer Ja-Mehrheit an der Urne mindestens ein Drittel der Berechtigten zustimmen. Das haben wir soeben im Bundesland Baden-Württemberg im Zusammenhang mit «Stuttgart 21» erlebt. Wir wissen auch, woher das Deutsche Misstrauen gegenüber Volksentscheiden kommt: Aus der Weimarer Republik, wo eine unreife Demokratie schliesslich in eine Diktatur des Faschismus mündete. In Basel gelten immer noch andere Gesetze.

    Wenn nun Mehrheitsentscheide hierzulande mit dem Argument des «Zufallsmehrs» in Frage gestellt werden, wenn Thierry P. Julliard in der BaZ vom letzten Dienstag sogar ausdrücklich den Vergleich mit der «Hexenverfolgung» zieht, dann ist das nicht nur schlechter Stil, sondern gehört deutlich und öffentlich widersprochen. Zumal auch Tages-Woche Co-Chefredaktor Remo Leupin in seinem Abstimmungskommtentar fast gleichlautend eine angebliche «Hexenjagd» auf Raucher beklagt.

    Wissen Julliard und Leupin überhaupt, was die Hexenverfolgung war? Zufällig sähe auch Toni Brunner Bundesrätin Widmer-Schlumpf am liebsten «auf dem Scheiterhaufen». Dieser Fehltritt kostete ihn in St. Gallen viele Stimmen stramm bürgerlicher Wählerinnen und Wähler. Julliard gibt noch eins drauf, indem er zusätzlich die «Christenverfolgung» bemüht und düster von «später noch Weiterem» spricht.

    Wären knappe Entscheide nach der Methode Julliard abgehandelt worden, hätten wir heute zum Beispiel nur eine halbe Nordtangente. Diese war seinerzeit in der Volksabstimmung von Basel abgelehnt worden, kippte aber durch das Votum von Riehen und Bettingen in eine knappe Annahme. Als das Stimmvolk in den 70-er Jahren mit ein paar Dutzend Stimmen Unterschied die heftig umstrittene Renovation von 40 staatseigenen Altstadt-Liegenschaften bewilligte, wurden auch nicht bloss 20 Häuser umgebaut, sondern selbstverständlich alle (und sogar noch weitere), obwohl bei dieser Vorlage ein «Kompromiss» praktikabler gewesen wäre als bei einer Stadtautobahn.

    Nach dem System Julliard würde ab sofort jede Entscheidung nach den Proportionen der annehmenden und ablehnenden Stimmen nachverhandelt. Dies wäre unerträglich. Wer so argumentiert, dem geht jedes Demokratieverständnis ab.

  • Zwängerei – nein Danke!

    Thierry P. Julliard, Sekretär des Vereins Fümoar und eine Reihe vorwiegend bürgerlicher Politiker verschwenden unsere Zeit und unsere Steuergelder. Die vom Volk beschlossene Regelung über das Rauchen in öffentlichen Lokalen ist erst seit 20 Monaten in Kraft – und schon müssen wir uns zur gleichen Frage erneut an der Urne äussern. Normalerweise denunzieren dieselben Kreise solche Kapriolen als «Zwängerei». Weshalb greifen sie jetzt zum gleichen Mittel?

    Basel hat den Nichtraucherschutz in Beizen erst vor 20 Monaten eingeführt – per Volksentscheid. Es ist stillos, Abstimmungen so kurzfristig wieder in Frage zu stellen. Schon aus diesem Grund ist die neue Raucherinitiative der Wirte abzulehnen.

    Das Ziel der Initiative, das Rauchen in Basler Bars und Beizen unter 80 m2 wieder einzuführen, ist ein Beleg für die Fantasielosigkeit ihrer Wirte. Diese sehen in der Raucherbewilligung den entscheidenden Grund dafür, dass die Leute zu ihnen kommen. Weil sie sonst wenig zu bieten haben?

    Mit «Freiheit» hat das Ganze nichts zu tun: Gerade ultraliberale Länder wie die USA kennen noch deutlich strengere Rauchverbote als Basel. Denn ähnlich wie bei der Verkehrsregelung auf der Strasse, geht es um den Schutz von Leib und Leben. Die Freiheit des Einzelnen hört dort auf, wo ihre Ausübung andere gefährdet.

    Es ist absolut zumutbar, für die Zigarette nach draussen zu gehen. In aller Welt sehe ich zufriedene Gesichter von Raucherinnen und Rauchern, die vor Lokalen auf dem Trottoir stehen und sich paffend bestens unterhalten. Auch im Winter. Sie lernen sich dort sogar kennen.

    Deshalb werde ich den Verdacht nicht los, es gehe den Initianten, welche das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen, gar nicht um ihre Gäste, sondern darum, gedankenlos so weiter wirtschaften und wursteln zu können, wie bisher. Und auch darum, die gesetzlich fragwürdige Grauzone der Fümoars zu rechtfertigen.

    Das auswärts Essen, Trinken und sich begegnen hängt von der Qualität des Angebots und nicht von der Raucherbewilligung ab. Seit das neue Gesetz am 1. April 2010 in Kraft trat, gehen die Leute nicht weniger in den Ausgang. Vielleicht gab es aber Verschiebungen. Gewinner waren sicher jene Wirtschaften, die sich auf die neuen Gegebenheiten einstellten.

    Möglicherweise müsste das eine oder andere Geschäftsmodell einer Basler Beiz angepasst werden. Das ist weltweit so – in allen Lebensbereichen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, hat Michail Gorbatschow, der letzte Präsident der verblichenen Sowjetunion einmal gesagt. Ein Autohändler, der heute noch Fahrzeuge ohne Katalysator anböte, müsste seinen Laden dicht machen.

    Es ist für das Funktionieren der Demokratie zentral, einmal getroffene Volksentscheide nicht gleich wieder in Frage zu stellen. Ein Nein ist auch aus diesem Grund die einzige richtige Antwort auf die Zwängerei von Thierry P. Julliard und seiner Kollegen.