Thierry P. Julliard, Sekretär des Vereins Fümoar, nervt. Eigentlich wollte ich auf das Thema nicht mehr zurück kommen. Aber das ständige Gerede vom «knappen» Abstimmungsresultat, das die Basler Bevölkerung dazu verpflichten sollte, das Rauchen in Restaurants doch noch ein wenig zu tolerieren, ist nicht tolerierbar. Dieser Diskurs versucht, einen der wichtigsten Grundsätze unserer Demokratie auszuhebeln: das Akzeptieren von Mehrheitsentscheiden.

Natürlich könnte man zum Beispiel verlangen, dass eine Initiative erst dann als angenommen gilt, wenn neben einer Ja-Mehrheit an der Urne mindestens ein Drittel der Berechtigten zustimmen. Das haben wir soeben im Bundesland Baden-Württemberg im Zusammenhang mit «Stuttgart 21» erlebt. Wir wissen auch, woher das Deutsche Misstrauen gegenüber Volksentscheiden kommt: Aus der Weimarer Republik, wo eine unreife Demokratie schliesslich in eine Diktatur des Faschismus mündete. In Basel gelten immer noch andere Gesetze.
Wenn nun Mehrheitsentscheide hierzulande mit dem Argument des «Zufallsmehrs» in Frage gestellt werden, wenn Thierry P. Julliard in der BaZ vom letzten Dienstag sogar ausdrücklich den Vergleich mit der «Hexenverfolgung» zieht, dann ist das nicht nur schlechter Stil, sondern gehört deutlich und öffentlich widersprochen. Zumal auch Tages-Woche Co-Chefredaktor Remo Leupin in seinem Abstimmungskommtentar fast gleichlautend eine angebliche «Hexenjagd» auf Raucher beklagt.
Wissen Julliard und Leupin überhaupt, was die Hexenverfolgung war? Zufällig sähe auch Toni Brunner Bundesrätin Widmer-Schlumpf am liebsten «auf dem Scheiterhaufen». Dieser Fehltritt kostete ihn in St. Gallen viele Stimmen stramm bürgerlicher Wählerinnen und Wähler. Julliard gibt noch eins drauf, indem er zusätzlich die «Christenverfolgung» bemüht und düster von «später noch Weiterem» spricht.
Wären knappe Entscheide nach der Methode Julliard abgehandelt worden, hätten wir heute zum Beispiel nur eine halbe Nordtangente. Diese war seinerzeit in der Volksabstimmung von Basel abgelehnt worden, kippte aber durch das Votum von Riehen und Bettingen in eine knappe Annahme. Als das Stimmvolk in den 70-er Jahren mit ein paar Dutzend Stimmen Unterschied die heftig umstrittene Renovation von 40 staatseigenen Altstadt-Liegenschaften bewilligte, wurden auch nicht bloss 20 Häuser umgebaut, sondern selbstverständlich alle (und sogar noch weitere), obwohl bei dieser Vorlage ein «Kompromiss» praktikabler gewesen wäre als bei einer Stadtautobahn.
Nach dem System Julliard würde ab sofort jede Entscheidung nach den Proportionen der annehmenden und ablehnenden Stimmen nachverhandelt. Dies wäre unerträglich. Wer so argumentiert, dem geht jedes Demokratieverständnis ab.