Ein alter Bekannter tippte mir kürzlich in der Warteschlange eines Bahnhofskiosks auf die Schulter. Ich hatte gerade die BaZ erstanden (weil mein abonniertes Exemplar zuhause liegen geblieben war). «Kaufst Du noch die BaZ?», fragte er entrüstet. «Ja», antwortete ich. «Ich boykottiere sie konsequent wegen Blocher und Somm», gab der Kollege zurück. Wir gingen gemeinsam Richtung Rolltreppen. Da kam ihm in den Sinn: «Klar liest Du die BaZ, du schreibst ja auch regelmässig eine Kolumne, da musst du sie haben.» Da war ich baff: «Woher weisst du das, wenn du die BaZ boykottierst?» Wir mussten beide lachen.

Wohin ich auch gehe, werde ich so angesprochen. Eine Zeit lang war der Ton eher aggressiv, neuerdings neugierig, ob ich nie zensuriert würde. Ich verneine. In solchen Gesprächen fällt mir regelmässig auf, dass viele, auch bürgerliche Leser, die heute noch die BaZ im Briefkasten haben, ernsthaft ankündigen, bei der nächsten Abo-Rechnung auszusteigen. Daraus schliesse ich, dass die Erosion der BaZ-Abonnentenzahl noch mindestens ein Jahr weiter gehen wird. Das ist existenzbedrohend. Denn ohne Leserinnen und Leser gibt es auch keine Inserate mehr.
Die «Rettet Basel»-Bewegung hat inzwischen fast 20 000 namentlich bekannte Fans. Diese und viele andere würden eher einen Zusammenbruch der BaZ in Kauf nehmen als eine Zeitung, die Christoph Blocher finanziert und Markus Somm leitet. Wegen Querschlägern unter die Gürtellinie aus der Feder des Chefredaktors und neoliberalen Hintermännern wird die BaZ als rechtes Kampfblatt wahrgenommen. Jeder Artikel mit Rechtsdrall gilt als «typisch BaZ», eher links eingefärbte Beiträge werden als «Feigenblätter» apostrophiert. Die Fronten sind verhärtet.
Der heutige Verleger, Tito Tettamanti, hat sich das Problem selbst eingebrockt, indem er und seine Entourage die frühere BaZ öffentlich als «linke Zeitung» einordneten. Dies ist natürlich Mumpitz. Die frühere BaZ war zu besten Zeiten ein Forumsblatt, politisch meist ein Eunuch. Oft war sie deshalb langweilig im Vergleich zum farbenfrohen Strauss an journalistischen Leistungen und Meinungen, die uns heute täglich freuen oder ärgern.
Die Frage stellt sich: Wollen wir wirklich den Zusammenbruch der BaZ? Was wäre die Alternative? Wahrscheinlich ein Kopfblatt der NZZ oder des Tages-Anzeigers, deren Besitzer übrigens auch klar bürgerlich positioniert sind. Unbestritten ist: Basel braucht eine unabhängige Tageszeitung mit Absender Basel und Basler Identität. In welcher Form die BaZ dies leisten kann, ist offen. Sie leichtfertig abserviert zu haben, könnte manchen später reuen.
Aber eben: Die Wahrnehmung ist entscheidend. Auf dem Weg in den Abgrund ist ein Zwischenhalt zu empfehlen. Es wäre Basel zu wünschen, dass sich das Blatt noch wenden lässt.