wiener.swiss

Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Tagesbetreuung

  • Krippen statt Gripen

    Es ist Zeit, zwei Dinge zusammen zu denken: Krippen und Landesverteidigung. Das wurde mir klar, als ich die zahlreichen Reaktionen auf meine Kolumne von letzter Woche las (BaZ vom 8. November: 52 000 Franken für zwei Kinder).

    Ist der Kampfjet Gripen die richtige Antwort auf unsere heutige Bedrohungslage? Hilft er, den Graben zwischen Arm und Reich zu schliessen? Schafft er uns Integrationsprobleme vom Hals? Löst er Religionskonflikte? Die Gefahr kommt heute nicht aus der Luft, sondern von ganz anderswo her. (Bild: Saab)

    Viele Leserinnen und Leser bestätigen, dass es sich für junge, berufstätige Eltern auszahlen kann, weniger zu arbeiten. Dann sinken nämlich die Steuern, während die Zuschüsse an Krippe und Krankenkasse steigen. Andere forderten von Müttern und Vätern Karriereverzicht. So auch der Blogger «Manuel»: «Wenn beide Elternteile 100% arbeiten, dann stellt sich doch etwas die Frage, wieso man dann überhaupt Kinder hat.» Dem hielt «Christian» entgegen: «Wir arbeiten beide 100% und verbringen trotzdem viel Zeit mit unseren Kindern.» Es liegt mir fern, die eine gegen die andere Lebensform auszuspielen. Ich wollte nur darauf hinweisen, wie Gesetze Menschen dazu bewegen können, ihren Beruf aufzugeben.

    Solche staatliche Lenkung ist schon allein aus Sicht der Gleichstellung von Mann und Frau fragwürdig. Wenn die meist schlechter verdienende Frau ihre Berufstätigkeit stark reduziert, verliert sie ihre finanzielle Unabhängigkeit. Noch negativer wirkt sich die fiskalische Kinderklippe auf ärmere, meist schlecht integrierte Migrantenpaare aus, die zusammen 200% oder mehr arbeiten müssen, um zu überleben. Um Krippenkosten zu sparen, behelfen sich diese mit privaten Hütediensten, etwa von überforderten Geschwistern oder Grossmüttern, die kaum Deutsch sprechen.

    Ein wesentlich höherer Steuerabzug für die Betreuung in der Krippe wäre für diese Eltern ein wirksamer Anreiz, um ihre Kleinen von Anfang an in ein Tagesheim zu schicken. Der frühzeitige Spracherwerb ist die billigste Prävention gegen spätere Arbeitslosigkeit, das Abrutschen in die Kriminalität oder psychische Krankheiten. Davon sind in allen Fällen überdurchschnittlich oft Menschen mit Integrationsschwierigkeiten betroffen.

    Womit wir beim Gripen wären. Ist ein neuer Kampfjet die richtige Antwort auf unsere heutige Bedrohungslage? Hilft er, die sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich zu schliessen? Schafft er uns Integrationsprobleme vom Hals? Verringert er die Folgekosten? Löst er interreligiöse Konflikte? Fördert er die Emanzipation? Die Gefahr kommt heute nicht mehr aus der Luft, sondern vom drohenden Verlust des gesellschaftlichen Kitts.

    Deshalb ist ein Mann wie der Basler Stadtentwickler Thomas Kessler, der sich seit Jahrzehnten und überkantonal mit Fragen des Zusammenlebens befasst, ein Sicherheitsexperte. Ueli Maurer hingegen ist ein Militärpolitiker, der uns nicht erklären kann, wovor uns seine neuen Flugzeuge schützen sollen. Im Vergleich zu Investitionen in Krippen jedenfalls, zielen die Gripen voll daneben.

  • 52 000 Franken für zwei Kinder

    Fast alle Parteien stellten im Basler Wahlkampf Steuersenkungen für den Mittelstand in Aussicht. Kaum ist der Grosse Rat gewählt, wollen rechte Parteien erneut die Unternehmen entlasten. Obwohl das Volk erst kürzlich dagegen gestimmt hat.

    Die heutigen Steuergesetze und Subventionen verunmöglichen es beinahe, Kinder und Karriere zu verbinden. Die staatlich verordnete Wahl lautet: Entweder – oder. Dies zu ändern könnte eine Kernaufgabe des neuen Grossen Rates sein. (Bild: Keystone)

    Dabei gibt es einen Ausweg, der sowohl dem Mittelstand nützt als auch die Wirtschaft zufrieden stellt: Die gezielte Senkung der Steuern für Familien mit Kindern. Wer in Basel ein Kind hat, darf zwar 10 000 Franken vom Einkommen abziehen und erhält Kinderzulagen. Diese Vergünstigungen kompensieren aber längst nicht die Kosten für die Tagesbetreuung der Kleinen.

    Wenn nach einer gewissen Zeit beide Elternteile wieder ihrem Beruf nachgehen wollen, werden sie regelrecht abgestraft. Denn ab einem gemeinsamen Einkommen von gut 13 000 Franken pro Monat oder 160 000 Franken pro Jahr, gibt es keine staatlichen Zuschüsse für Krippenplätze mehr. Es fallen die vollen Kosten von rund 2200 Franken pro Kind und Monat an. Für zwei Kinder sind das jährlich 52 000 Franken oder fast ein Drittel des Einkommens. Wenn ein weiteres Drittel für Miete und Krankenkasse und ein erklecklicher Betrag für kantonale und eidgenössische Steuern weg gehen, bleibt am Ende fast nichts übrig, bevor die Familie den ersten Laib Brot gekauft hat.

    Im Moment gibt es nur zwei Möglichkeiten, um dem abzuhelfen: Entweder die Familie verdient viel mehr oder viel weniger. Da mehr verdienen nicht einfach ist, wählen viele Paare – unfreiwillig – die zweite Option:  Um zu vermeiden, dass Ihr Beruf zum brotlosen Hobby mutiert, verlassen meist die Frauen ihren angestammten Beruf oder arbeiten nur noch Teilzeit, zum Beispiel 40%. Dann sinken die Steuern, die Kinderbetreuungskosten werden subventioniert, ebenso die Krankenkassenprämien.

    Die Arbeitswelt verliert eine Fachkraft, in deren Ausbildung der Staat über Jahrzehnte investiert hat. Wenn ein Elternteil zu arbeiten aufhört oder sein berufliches Engagement stark reduziert, sinkt auch das Familieneinkommen. Der Kanton verliert Steuereinnahmen, während seine Ausgaben steigen: Es werden Subventionen für die Verbilligung der Krankenkassenprämien und die Kinderbetreuung fällig. Es gibt also nur Verlierer.

    Das Steuersystem könnte hier Abhilfe schaffen. Zum Beispiel mit einem deutlich höheren Kinderabzug. Dieser würde sich für den Kanton möglicherweise sogar finanziell lohnen, weil der Anreiz wegfallen würde, aus ökonomischen Gründen die Berufstätigkeit einzuschränken. Die Steuereinnahmen würden steigen. Die heutigen Verhältnisse verunmöglichen es beinahe, das Kinderhaben mit einer Karriere zu verbinden. Die staatlich verordnete Wahl lautet: Entweder – oder. Dies zu ändern muss eine Kernaufgabe des neuen Grossen Rates sein. In vier Jahren werden wir ihn daran messen.