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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Steuern

  • 52 000 Franken für zwei Kinder

    Fast alle Parteien stellten im Basler Wahlkampf Steuersenkungen für den Mittelstand in Aussicht. Kaum ist der Grosse Rat gewählt, wollen rechte Parteien erneut die Unternehmen entlasten. Obwohl das Volk erst kürzlich dagegen gestimmt hat.

    Die heutigen Steuergesetze und Subventionen verunmöglichen es beinahe, Kinder und Karriere zu verbinden. Die staatlich verordnete Wahl lautet: Entweder – oder. Dies zu ändern könnte eine Kernaufgabe des neuen Grossen Rates sein. (Bild: Keystone)

    Dabei gibt es einen Ausweg, der sowohl dem Mittelstand nützt als auch die Wirtschaft zufrieden stellt: Die gezielte Senkung der Steuern für Familien mit Kindern. Wer in Basel ein Kind hat, darf zwar 10 000 Franken vom Einkommen abziehen und erhält Kinderzulagen. Diese Vergünstigungen kompensieren aber längst nicht die Kosten für die Tagesbetreuung der Kleinen.

    Wenn nach einer gewissen Zeit beide Elternteile wieder ihrem Beruf nachgehen wollen, werden sie regelrecht abgestraft. Denn ab einem gemeinsamen Einkommen von gut 13 000 Franken pro Monat oder 160 000 Franken pro Jahr, gibt es keine staatlichen Zuschüsse für Krippenplätze mehr. Es fallen die vollen Kosten von rund 2200 Franken pro Kind und Monat an. Für zwei Kinder sind das jährlich 52 000 Franken oder fast ein Drittel des Einkommens. Wenn ein weiteres Drittel für Miete und Krankenkasse und ein erklecklicher Betrag für kantonale und eidgenössische Steuern weg gehen, bleibt am Ende fast nichts übrig, bevor die Familie den ersten Laib Brot gekauft hat.

    Im Moment gibt es nur zwei Möglichkeiten, um dem abzuhelfen: Entweder die Familie verdient viel mehr oder viel weniger. Da mehr verdienen nicht einfach ist, wählen viele Paare – unfreiwillig – die zweite Option:  Um zu vermeiden, dass Ihr Beruf zum brotlosen Hobby mutiert, verlassen meist die Frauen ihren angestammten Beruf oder arbeiten nur noch Teilzeit, zum Beispiel 40%. Dann sinken die Steuern, die Kinderbetreuungskosten werden subventioniert, ebenso die Krankenkassenprämien.

    Die Arbeitswelt verliert eine Fachkraft, in deren Ausbildung der Staat über Jahrzehnte investiert hat. Wenn ein Elternteil zu arbeiten aufhört oder sein berufliches Engagement stark reduziert, sinkt auch das Familieneinkommen. Der Kanton verliert Steuereinnahmen, während seine Ausgaben steigen: Es werden Subventionen für die Verbilligung der Krankenkassenprämien und die Kinderbetreuung fällig. Es gibt also nur Verlierer.

    Das Steuersystem könnte hier Abhilfe schaffen. Zum Beispiel mit einem deutlich höheren Kinderabzug. Dieser würde sich für den Kanton möglicherweise sogar finanziell lohnen, weil der Anreiz wegfallen würde, aus ökonomischen Gründen die Berufstätigkeit einzuschränken. Die Steuereinnahmen würden steigen. Die heutigen Verhältnisse verunmöglichen es beinahe, das Kinderhaben mit einer Karriere zu verbinden. Die staatlich verordnete Wahl lautet: Entweder – oder. Dies zu ändern muss eine Kernaufgabe des neuen Grossen Rates sein. In vier Jahren werden wir ihn daran messen.

  • Seid einig, einig, einig

    Conradin Cramer, Anwalt, Notar und Hoffnungsträger der Liberalen Partei Basel-Stadt sprach Bahnbrechendes. Das Regionaljournal des Schweizer Radios lädt dieser Tage Basler Parteisprecher zum «Wahlzmorge» ein. Am letzten Freitag waren die Liberalen an der Reihe. Sie schickten Conradin Cramer ans Mikrofon. Als Mitglied des Parlamentsbüros ist der langjährige Riehener Grossrat weder Hinterbänkler noch Anfänger, sondern ein Schwergewicht unter den Bürgerlichen.

    „Ich bezahle gern die Steuern für das, was ich bekomme in diesem Kanton“, sagt nicht etwa ein Linker, sondern der prominente Riehener Liberaldemokrat Conradin Cramer. Wie kommt das?

    Zu Beginn des Gesprächs ging es um die Abgrenzung zwischen Liberalen und Freisinnigen, die ja bald nur noch am Rheinknie in zwei getrennten Fraktionen politisieren. Die Differenz liegt gemäss Cramer darin, dass seine Partei «gesellschaftspolitisch liberaler» und «eine Spur wirtschaftsfreundlicher» sei als die FDP.

    Der gastgebende Fragesteller Patrick Künzle spielte mit Cramer das Spiel «Sätze vervollständigen». Ein Satzanfang des Journalisten lautete: «Die Steuern für mich als Privatperson sind in Basel…» – und Cramer komplettierte: «… angemessen». Verblüfft hakte Künzle nach: «Man hört sonst immer von den Bürgerlichen sie seien zu hoch?» Cramer insistierte: «Ich bezahle gern die Steuern für das, was ich bekomme in diesem Kanton.» Wichtig sei, «die Rahmenbedingungen stets zu verbessern». Das sass.

    Cramers Aussage bedeutet nichts anderes als die Entpolitisierung der Steuerfrage. Sie ist in Basel nicht mehr strittig, sondern ein Thema, bei dem alle einig sind. Von links bis rechts. Natürlich gibt es dadurch keinen Freipass, den staatlichen Geldhahn nach Belieben aufzudrehen. Im Gegenteil: Die vorsichtige Finanzpolitik des Kantons bildet die Basis dieser Einigkeit.

    So setzte sich hierzulande die Erkenntnis durch, dass die Steuerbelastung zwar im Standortwettbewerb eine Rolle spielt. Innerhalb des Kantons ist der Anteil des Staatshaushalts an der Wirtschaftsleistung jedoch unerheblich. Eine effiziente öffentliche Hand trägt zum ökonomischen Erfolg bei. Universität und Spitäler etwa, sind Jobmotoren. Die meisten Ausgaben von Kantonen und Gemeinden befruchten die regionale Ökonomie. Der Löwenanteil geht in Form von Löhnen an hier beheimatete Angestellte.

    In Basel wird die gebetsmühlenartig wiederholte Aussage des Amerikanische Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney nicht geglaubt, wonach tiefe Steuern für Reiche die Wirtschaft ankurbeln. Denn diese Reichen geben einen grossen Anteil ihres Einkommens ausserhalb der Region aus, für Flugreisen, Ferienhäuser, Aktien oder Yachten. Der Mittelstand und erst recht die Ärmeren setzen ihr Geld jedoch vorwiegend lokal ein, genauso wie der Staat. Handlungsbedarf sehe ich jedoch bei den Pensionsfonds: Diese haben heute nur einen beschränkten Spielraum, um regional zu investieren. Darüber lohnte es sich, im Wahlkampf nachzudenken.