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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Sabine Pegoraro

  • Die wahren Asozialen

    Hanspeter Gass, freisinniger Basler Polizeidirektor, könnte von seiner Landschäftler Partei- und Amtskollegin Sabine Pegoraro einiges lernen. Schade, dass sie jetzt von der Sicherheits- in die Bau- und Umweltdirektion wechselt. In Basel herrscht auf der Strasse zunehmend Anarchie. Wer sich werktags, vor allem vormittags, zum Beispiel durch die Innenstadt bewegt, dem geht unweigerlich der oft skandierte Spruch der 80er Jugendbewegung durch den Kopf: «Bullen sind Nullen.» Mit dem Unterschied, dass sich die Jugendlichen damals die Polizei weg wünschten, wir uns aber heute über Polizeiversagen beklagen müssen.

    Ein Asozialer unter täglich Hunderten: Am Mittwoch von 8-12 an bester Lage gratis parkiert. Kein Wunder, sind die Parkhäuser leer.

    Die Situation gerät ausser Kontrolle: Es sind nicht nur die Trams, die das Zentrum Basels blockieren, wie letzte Woche an dieser Stelle beschrieben. Ebenso zahlreich und gefährlich sind die privaten Karossen, welche sich zwischen legalen An- und Auslieferungsfahrzeugen ducken, stundenlang die Trottoirs okkupieren und damit wesentlich zum Chaos beitragen.

    Neuerdings wird nicht mehr nur der Münsterplatz, sondern sogar der Marktplatz wieder als Parkplatz missbraucht, ganz zu schweigen von zahlreichen Nischen in Nebengassen, zum Beispiel am Münster- und Schlüsselberg, auf dem Rümelinsplatz, in der Bäumleingasse oder beim Tinguely-Brunnen, direkt vor der Kunsthalle. Überall stehen sie zu Dutzenden herum.

    Derweil herrscht im Elisabethen- und Steinenparking oft gähnende Leere. Dem Kanton entgehen sowohl die Einnahmen in diesen und weiteren (staatseigenen) Parkhäusern als auch die Bussen, weil kaum kontrolliert wird. Die Gewerbetreibenden, die tatsächlich etwas umladen müssen, stehen im Stau, während sich Fussgänger und Velofahrerinnen mit Sack und Pack, Kinderwagen und Anhänger, zwischen Abgasen, Lärm und stehendem Blech durchschlängeln.

    Dasselbe Bild zur gleichen Zeit im Zentrum Kleinbasels.

    Die Falschfahrer und -parkierer sind die wahren Asozialen. Ihre Bequemlichkeit geht auf Kosten der Allgemeinheit, obwohl sie sich das Parking locker leisten könnten. Und die Polizei ist entweder überfordert (zu wenig Personal) oder schaut weg. Dabei könnten zusätzliche Verkehrsdienstangestellte ihren Lohn mit einem Bruchteil des brachliegenden Bussen-Potenzials decken.

    Wann reagieren Hanspeter Gass und der Grosse Rat? Sie müssen bloss auf Sabine Pegoraro hören. Wie ein Vermächtnis der abtretenden Polizeichefin tönte es, als sie letzte Woche auf Telebasel das neue, härtere Regime des Baselbiets gegen Verkehrssünder begründete: «Es geht nicht um alle Autofahrer. Wenn sich jemand an die Regeln hält, dann hat er nichts zu befürchten. Wir sind einfach weniger tolerant bei den Bussen als bisher.»

  • «Dieser Zug ist abgefahren!»

    Roger Köppel, bekannt als scharfer Hund auf der rechten Seite des journalistischen Spektrums, kam nach Basel und liess sich die Zähne ziehen. Letzten Sonntag partizipierte er an der wöchentlichen Diskussionssendung «Salon Bâle» des Lokalfern­sehens Telebasel. Dazu war er eingeladen worden, weil er sich nach Fukushima furchtbar enerviert hatte über die «kollektive Kernschmelze der Vernunft» von Politikern. Bei Talkgast Guy Morin lief Köppel mit dieser Kritik ins Leere: «Als einziger Behördenvertreter», schmunzelte der basel-städtische Regierungs­präsident, «demonstrierte ich heute von Amtes wegen.» Dabei blickte er verliebt auf den «Atomkraft? – Nein Danke!»-Protestknopf an seiner Brust: «Wir haben hier einen Verfassungsauftrag, uns gegen AKW zu wehren.» Köppel gestand Morin zu, dass er aufgrund demokratischer Entscheide nicht anders handeln konnte. Der Journalist attestierte dem Grünen überdies, den Atomausstieg nicht erst seit gestern zu planen. Morin legte nach: «Wir reduzieren in Basel-Stadt – im Gegensatz zur Schweiz – den Stromverbrauch bei gleichzeitig höchstem Wirtschaftswachstum.»

    So musste der «Weltwoche»-Chef sein Glück bei Sabine Pegoraro versuchen. Die freisinnige Baselbieter Polizeidirektorin hatte weniger Grund zur Coolness: Ihrer Partei warf Köppel «wahnsinnigen Opportunismus» vor. «Nüchtern betrachtet» hätten in Fukushima nur ein paar Dieselgeneratoren versagt. Und schon würde die FDP «im Affekt» jämmerlich kippen. In Morins Windschatten überzeugte Pegoraro den Zürcher Hardliner von der historischen Notwendigkeit des Atomausstiegs: «Wir könnten eine Wette abschliessen, Herr Köppel, wie es aussehen wird in zehn Jahren. Ich glaube, die nächste Abstimmung über die Verlängerung einer AKW-Betriebsbewilligung wird klar negativ herauskommen. Dieser Zug ist abgefahren!» Mit Sonnenstrom aus dem Süden und Windenergie aus dem Norden könne die Schweiz gut leben. Autarkie sei ohnehin nicht möglich.

    Mit seinem breitesten Lächeln zog sich ein sichtlich entwaffneter Köppel aus der Affäre: «Die guten Sachen setzen sich immer durch», schloss er, und: «Man muss aber auf die Schwachstellen der Argumentation hinweisen.» Darin waren sich alle einig. Dies war keine gewöhnliche Diskussion, sondern die überzeugende Rückkehr von Basler Inhalten in die nationale Politik. Die Tauglichkeit von Lösungsansätzen der Nordwestschweiz für zentrale Herausforderungen wie die Energie- und Klima­zukunft der Schweiz wird in diesen Tagen in politischen Gremien, auf Podien und in unzähligen Sendungen unter Beweis gestellt. Damit stehen die Chancen gut, dass es profilierten Köpfen aus der Region– wie schon in den 70er- und 80er-Jahren – wieder gelingt, die eidgenössische Agenda mit zu prägen.