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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Peter Malama

  • Zeit für Adler

    Marcel Schweizer und Peter Malama sei Dank. Mit ihrer «Parkplatz-Initiative» hat das Führungsduo an der Spitze des Basler Gewerbeverbandes alles klar gemacht. Die Ablehnung mit einer Mehrheit von fast zwei Dritteln der Stimmen legt – zusammen mit drei weiteren Urnengängen der letzten 24 Monate – eine solide Basis für die Verkehrspolitik des Kantons. Jetzt ist die Zeit gekommen, von den Niederungen der Tagespolitik aufzusteigen und die ganze Region sowie einen längeren Zeithorizont ins Auge zu fassen.

    Jedes Unternehmen braucht eine Vision, jedes Gemeinwesen ein Leitbild. Unsere Vorstellungen der zukünftigen Mobilität prägen die Realität, wie sie die nächste Generation antreffen wird. Der Basler Regierungsrat muss regional eine Führungsrolle übernehmen.

    Es ist die Mobilität von Menschen, Ideen, Daten, Energie und Gütern, die eine Region zusammen hält. Der Adlerblick über die Stadt Basel mit 900 000 Einwohnern in drei Ländern, vier Kantonen und einer Vielzahl von Landkreisen, Distrikten und Gemeinden zeigt: Die Stadt ist weit davon entfernt, klug und weitsichtig verbunden zu sein. Es klaffen Lücken, weil sich kaum jemand zuständig fühlt, integrierend zu denken. Obwohl es zu diesem Zweck viele Gremien gibt. Auf diese zu warten, bringt aber wenig.

    Mit vier Volksentscheiden im Rücken, ist der Basler Regierungsrat verpflichtet und legitimiert, die Initiative zu ergreifen. Dies wird von ihm auch rundum erwartet. Denn Basel kann die verkehrspolitischen Aufträge der Wählerschaft aus rein städtischer Optik heraus gar nicht erfüllen. Es braucht dafür überlegte, übergeordnete und zugleich mutige Visionen. Daher ist es auch Zeit, das Wort «Visionen» zu rehabilitieren. Zu Unrecht kam es in Verruf, nach dem Motto: «Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.»

    Jedes Unternehmen braucht eine Vision, jedes Gemeinwesen ein Leitbild. Unsere Vorstellungen der zukünftigen Mobilität prägen die Realität, wie sie die nächste Generation antreffen wird. Es lohnt sich, hier zu investieren.

    Nur auf diesem Weg sehen wir, dass zum Beispiel eine direkte Verbindung vom Bahnhof SBB über den Flughafen in Richtung Freiburg im Breisgau (mit einer neuen Rheinbrücke auf der Höhe des Kraftwerks Kembs) Sinn macht und die Reisezeiten auf der Nord-Süd-Strecke deutlich verkürzt. Nur so erschliesst sich die Dringlichkeit des S-Bahn-Herzstücks unter der Basler Innenstadt. Aus der Froschperspektive des Marktplatzes leuchtet dieses Projekt kaum ein.

    Ein neuer Hafen rechtfertigt sich nur im weiteren Kontext. Die Vernetzung der Energiesysteme oder von Datenleitungen ist zwar weniger sichtbar, aber ebenso dringend wie produktiv. Basel an der Schnittstelle von drei Ländern hat hier ein grosses Potenzial.

    Solche Chancen werden aber nur greifbar, wenn sich der Kanton Basel-Stadt zwei Dinge zutraut: Erstens eine Führungsrolle zu übernehmen und zweitens eine Vision fürs grosse Ganze zu entwickeln. Dass diese anschliessend in einem offenen und intensiven Dialog mit den Nachbarn geschärft, überarbeitet und in eine verbindliche Form gebracht werden muss, versteht sich von selbst.

  • Standortvorteil starker Franken

    Peter Malama ging unter die Demonstranten. Zunächst lancierte der Gewerbedirektor am basel-städtischen Gewerbetag, vor 650 Gästen in der Markthalle, Appelle an Politik, Gewerkschaften und Konsumenten. Seine Sorge galt dem Basler Detailhandel. Dieser leidet unter der Frankenstärke. In erster Linie wiederholte der Nationalrat Forderungen seiner Freisinnigen Partei, zum Beispiel nach Gewinnsteuersenkungen. Und er bat das Volk, zuhause einzukaufen.

    Gewerbedirektor Peter Malama protestiert gegen den Einkaufstourismus. Doch seine Argumente (Bild: Ausriss von Gewerbeverband-Flyer) greifen zu kurz. Unter dem Strich profitiert die Region Basel von der Frankenstärke.

    Am darauf folgenden Samstag verteilte Malama, in Anwesenheit herbestellter Medien, am Grenzübergang Riehen Richtung Lörrach Flugblätter an Auto fahrende Schweizerinnen und Schweizer. Er wollte die potenziellen Einkaufstouristen über die Folgen ihres Tuns aufklären.

    Es ist unbestritten, dass die Umwelt leidet, wenn jemand Dutzende von Kilometern mit dem Auto zum Einkaufen fährt. Das Argument ist Malama, der sich traditionell für ökologische Anliegen einsetzt, abzunehmen. Wenn er auch gegen den seit Jahrzehnten florierenden Tanktourismus in die Schweiz protestiert hätte, wäre die Aktion noch glaubwürdiger gewesen.

    Es ist auch richtig, dass der Basler Detailhandel leidet. Alle anderen Argumente des umtriebigen Politikers gelten vielleicht für das Mittelland, nicht aber für Basel und Umgebung. Wir profitieren hier vielfach vom harten Franken. Denn die Metropolitanregion bildet einen integrierten, grenzüberschreitenden Wirtschaftsraum:

    Zum Beispiel der Werkplatz: Die hiesige Wirtschaft produziert billiger, weil sie Grenzgängerinnen und Grenzgängern tendenziell tiefere Löhne bezahlt. Ein Arbeitsplatz in der Schweiz bleibt für diese Pendler dank günstigen Wechselkursen dennoch attraktiv.

    Zum Beispiel die Mieten: Da Haushalte ins billigere Elsass und nach Südbaden ausweichen können, bleiben die Mietpreise moderat, rund 500 bis 1000 Franken unter Zürcher und Genfer Niveau. Das gesparte Geld kommt zum Teil dem Detailhandel zugute.

    Zum Beispiel beim Einkaufen: Wer über die Grenze fährt (was auch per Fahrrad oder Zug möglich ist), streckt sein Einkommen und kann mehr sparen oder sich mehr leisten.

    Zum Beispiel die Volkswirtschaft: Unabhängig davon, ob ich in Basel oder Lörrach einkaufe, bleibt mein Geld im Wirtschaftskreislauf der Region. Die Familie des Deutschen Velohändlers gibt ihr Geld hier aus, nicht anderswo. Wenn Luzernerinnen oder Berner nach Hüningen einkaufen kommen, profitiert Basel mit. Es ist, als ob wir eine Freihandelszone geschaffen hätten, um den Regionalen Detailhandel anzukurbeln.

    In letzter Konsequenz müsste Peter Malama, statt an der Grenze Flugblätter zu verteilen, bei Konsumentinnen im Mittelland dafür werben, lieber Lörrach anzusteuern, anstatt Waldshut oder Konstanz. Das wäre echte regionale Wirtschaftsförderung.

  • Verkehrte Welt in Stadt und Land

    Hans-Rudolf Gysins Uhr als Politiker ist abgelaufen, sein wichtigstes Projekt gescheitert: Der Direktor der Wirtschaftskammer Baselland war von der Mission beseelt, die Überlegenheit des Modells «Baselbiet» gegenüber dem Modell «Basel» nachzuweisen.

    Finanzpolitik ist der Schlüssel für beide Halbkantone, um die kommenden Jahrzehnte in gegenseitiger Zuneigung zu gestalten: Das Zeitfenster ist vielleicht kurz, aber offen.

    Bei jeder Gelegenheit polterte der abtretende freisinnige Nationalrat gegen den «aufgeblähten Staatsapparat» in der Stadt und die daraus resultierende, angebliche «Steuerhölle». Gegen Lastenausgleichs-Vorlagen führte er ins Feld, der Stadtkanton solle «zuerst seine Hausaufgaben machen». Diese Redeweise nahmen sogar besonnene Stadtpolitiker wie Peter Malama zeitweise auf.

    Noch vor kurzem sandten Oberbaselbieter Gemeindepräsidenten gut gemeinte Spar-Rezepte ans rote Rathaus am Rhein. Heute hat sich das Spiel gedreht: Die vor Gesundheit strotzenden städtischen Bilanzen lassen Liestaler Politiker vor Neid erblassen.

    In den Reihen der Regierungsparteien Basels macht sich über diese unerwartet rasche Wendung verhaltener Hohn breit. Solche Reaktionen sind psychologisch zwar verständlich, nach allem, was der Stadtkanton bis in die jüngste Vergangenheit an Spott hat über sich ergehen lassen müssen. Das Herumstochern in Wunden ist jedoch weder nützlich noch klug. Im Angesicht der ländlichen Misere wäre Besonnenheit der bessere Ratgeber.

    Finanzpolitik ist der Schlüssel für beide Halbkantone, um die kommenden Jahrzehnte in gegenseitiger Zuneigung zu gestalten. Solidarität der Stadt, ohne Herablassung praktiziert, würde jetzt den Weg bereiten für ein gemeinsames, modernes Staatswesen. Dessen Effizienz könnte für die ganze Schweiz Vorbild sein – und das schneller als viele denken.

    Mit einem Beitrag von beispielsweise 50 Millionen Franken pro Jahr in den nächsten drei Jahren an den leidenden Schwesterkanton – sei es als zinsloser Kredit oder als Geschenk – könnte Basel-Stadt Baselland aushelfen, ohne die eigenen Finanzen zu gefährden. Es geht nicht darum, sich die Sympathie der Baselbieter zu erkaufen, sondern um gelebte Solidarität zwischen Nachbarn, die auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen sind.

    Wären Basel-Stadt und Baselland ein Kanton, würde genau diese Solidarität automatisch spielen und das ländliche Bildungswesen müsste nicht um seine Qualität bangen. Alle Lehrerinnen und Lehrer, deren Stelle jetzt bedroht ist, blieben im Amt. Denn der Stand Basel ist finanziell stabil.

    Nur der Tatbeweis, eine ausgestreckte Hand, kann den Graben überwinden, der die Wiedervereinigung verunmöglicht. Um unserer Region neue Dynamik zu verleihen, brauchen wir dieses gemeinsame Projekt, ein produktives, politisches Ziel. Der Anstoss könnte heute von Basel kommen. Das Zeitfenster ist vielleicht kurz, aber weit offen.