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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: öffentlicher Verkehr

  • Das U-Abo entfesseln

    Basel ist stolz darauf, das U-Abo erfunden zu haben: Der günstige Einheitstarif für das gesamte regionale ÖV-Angebot ist eine Frucht der Umweltbewegung. Die Autoabgase (damals noch ohne Katalysator) gefährdeten in den 80er-Jahren die Gesundheit der Wälder. Also mussten griffige Lösungen her, um das Umsteigen auf den Öffentlichen Verkehr zu fördern. Was als politische Notfallübung begann, entpuppte sich als kommerzieller Geniestreich.

    Der an sich sympathische Einheitstarif des U-Abos lähmt die Ausdehnung des Einzugsge-biets. Mit leicht angepassten Abo-Kosten kämen auch Aarau, Olten, aber auch das Elsass und Südbaden in den Genuss der genialen Erfindung. (Bild: Keystone)

    Andere Regionen kopierten das U-Abo unter ganz verschiedenen Namen und entwickelten die Idee weiter. In den meisten Einzugsgebieten gilt: Wer täglich weiter fährt, bezahlt mehr. Das Einheits-Abo des Tarifverbunds Nordwestschweiz (TNW) ist heute eine Ausnahme. Das ist zwar sozial und auch sympathisch, weil praktisch, blockiert aber die Entwicklung.

    Im Tarifverbund Ostwind beispielsweise, können Berufstätige eine Stunde von Rapperswil nach St. Gallen pendeln. Ostwind knöpft ihren Kunden auf dieser Strecke 200 Franken pro Monat ab. Mit demselben Ausweis können sie dann die ganze Region zwischen Frauenfeld im Norden und Bad Ragaz im Süden bereisen. Das U-Abo des TNW deckt nicht einmal die 30 Minuten von Olten oder Aarau nach Basel ab.

    Die Ostschweizer Preise würde ich nicht zur Nachahmung empfehlen, doch erweist sich der heutige TNW als ein zu enges Kleid für das wachsende Einzugsgebiet Basels. Gegen Änderungen setzt sich ein Verbund von sozial und ökologisch Motivierten ein. Sie verhindern, dass sich das U-Abo den neuen Gegebenheiten anpasst: Zum Beispiel für Elsässer oder Lörracher Autopendler zu einer attraktiven Alternative wird. Es ist kaum denkbar, dass die 73 Franken reichen, um auch deren Mobilitätsbedürfnisse zu finanzieren.

    Darunter leidet auch die Entwicklung Basels. Denn die Grenzen der Tarifverbünde haben sich auch als Grenzen des Wirkungsfeldes von Zentren etabliert – mindestens in den Köpfen der Menschen.

    Eine nach Zonen differenzierte Tarifstruktur für die Monats- und Jahreskarten würde eine buchstäbliche Entfesselung des U-Abos ermöglichen. Entscheidend für die Akzeptanz differenzierter Abo-Kosten wäre die gleichzeitige Überwindung heutiger Beengung. Also der Sprung des TNW-Einzugsgebiets über den Jurakamm und vor allem über die Landesgrenzen nach Frankreich und Deutschland.

    Basel-Stadt, Baselland, Solothurn nördlich des Jura und der Bezirk Rheinfelden könnten weiterhin eine einheitliche Kernzone bilden, zu Kosten von 73 Franken. Der tiefe Preis diente als Basis, um den angrenzenden Bezirken attraktive Angebote zu machen. Zum Beispiel 100 Franken pro Monat für den heutigen TNW, inklusive Olten/Aarau oder inklusive St.Louis/Lörrach. Vielleicht 120 Franken für die Ausdehnung bis nach Kandern, Sierentz und Baden (AG). Und 140 Franken inklusive die Kantone Jura und Solothurn sowie bis nach Biel.

  • Mehr Parkplätze = weniger Drämmli

    Christophe Haller, Präsident des TCS beider Basel, träumt von der autogerechten Stadt. Daher wirkt er führend im Komitee «Ja zur Parkrauminitiative» mit. Seine Initiative möchte den Bau von neuen Tiefgaragen und Parkhäusern fördern und die Erstellung von Parkplätzen in Vorgärten und Hinterhöfen ermöglichen, sowohl in den Quartieren als auch in der Innenstadt.

    Die schlimmste Auswirkung einer Annahme der Parkrauminitiative wäre nicht der Bau von neuem Parkraum oder der zusätzliche Verkehr, sondern der Abbau bei Tram und Bus, der dadurch drohte.

    Wenn Sie an einen Ort fahren wollen, tun Sie das nur, wenn es dort einen Parkplatz hat. Es gilt die einfache Formel: Ohne Parkplatz kein Autoverkehr. Und je mehr Parkplätze um so mehr Zu- und Wegfahrten. Je näher ein Parkplatz beim Zentrum liegt um so begehrter und teurer ist er. Je teurer ein Parkplatz ist, um so kürzer wird darauf parkiert. Je kürzer parkiert wird um so öfter führt dies zu Verkehrsbewegungen.

    Zusammengefasst: Je zentraler der Parkplatz um so grösser der finanzielle Anreiz, ihn zu bauen und um so mehr Verkehrsbewegungen erzeugt er. Deshalb sind besonders Parkplätze im Stadtzentrum Gift für die verstopften Verkehrswege: Sie führen zu deutlich mehr Autoverkehr, mehr Lärm, Verunstaltung, Gefahren und Gestank (vor allem auch im Vergleich zu billigen Parkplätzen in den Quartieren, wo manchmal tagelang die gleichen Autos abgestellt sind). Diese Schattenseite ist allen bekannt.

    Aber es gibt noch eine andere Konsequenz, über die kaum jemand spricht: Jeder zusätzliche Autofahrer ist ein Bus- und Trampassagier weniger. Wenn die Nachfrage nach den Leistungen des öffentlichen Verkehrs sinkt, wächst die Gefahr, dass Kurse gestrichen und ganze Linien ausgedünnt werden. Und es wird weniger investiert. Die reduzierte Attraktivität des öffentlichen Verkehrs bietet wiederum einen neuen Anreiz,  mit dem Auto zu fahren, wodurch die Nachfrage nach Parkplätzen steigt. Mehr Parkplätze bedeuten wieder mehr Autos auf der Strasse. Ein Teufelskreis kommt in Gang.

    Die Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs mit eigenen Spuren und Grünphasen an den Ampeln gerät unter Druck, wenn die Autos öfters in Kolonnen neben einer freien Tram- und Bus-Trasse stehen. Bald ist es vorbei mit dem Vortritt der BVB. Wer dies nicht glaubt, schaue um ein paar Jahrzehnte zurück, als die «Drämmli» noch regelmässig im Autoverkehr stecken blieben (wie heute noch manche Busse). Oder blicke nach Genf, wo Trams wegen Autoschlangen nicht vorwärts kommen.

    Die schlimmste Auswirkung einer Annahme der Parkrauminitiative oder des Gegenvorschlags wäre nicht der Bau von neuem Parkraum oder der zusätzliche Verkehr, sondern der Abbau bei Tram und Bus, der dadurch drohte. Getroffen würden die Schwachen, die Alten und die Jungen, die sich noch kein Auto leisten können.