wiener.swiss

Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Kultur

  • Parkieren mit Mehrwert

    Es war die Zeit der Utopien. Der heutige Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements, Hans-Peter Wessels, engagierte sich für die kantonale Initiative «Basel autofrei». Diese wollte die Stadt nach dem Vorbild von Venedig in ein Paradies für Fussgänger, Fahrräder und öffentliche Transportmittel verwandeln. Ausnahmen waren nur für Versorgungsfahrten und Durchgangsstrassen vorgesehen.

    Wer im Restaurant Kunsthalle speist, finanziert den darüber liegenden Kulturbetrieb mit. Beim Kunstmuseum könnte ein unterirdisches Parkhaus entstehen, das die in den überirdischen Stockwerken tätige Kreativwirtschaft fördert und die Umgebung aufwertet. (Foto: Henry Muchenberger)

    Verständnis für das Anliegen signalisierte sogar die damals bürgerliche Regierung, als sie in einer Medienmitteilung schrieb: «Der Individualverkehr in Basel (…) hat ein Ausmass erreicht, dessen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt teilweise untragbar geworden sind.» Das Stimmvolk schickte das Volksbegehren am 9. Juni 1996 mit 70 Prozent Nein bachab, wobei einzelne besonders belastete Quartiere zustimmten.

    Fast 20 Jahre später sind die Träume kleiner und realistischer. Dank des Einsatzes von Hans-Peter Wessels wird «Basel autofrei» im Zentrum umgesetzt – und dies mit Zustimmung von Gewerbe und Anwohnern. Im Gegenzug befürwortet der Regierungsrat ein neues Parkhaus am Rand der Altstadt. Auch ich habe diese Entwicklung mitgemacht und sehe den aktuellen politischen Verkehrskompromiss als optimale Lösung.

    Nach 20 Jahren Planung will der Regierungsrat das so genannte «KuMu-Parking» unter dem St. Alban Graben möglichst rasch realisieren. Das ist verständlich. Ich fände es allerdings schade, wenn wir nicht alle Optionen genau untersucht hätten, bevor wir eine Situation für 100 Jahre zementieren.

    Die Swisscanto-Anlagestiftung besitzt ein Grundstück direkt neben dem neuen Kunstmuseum. Hier könnte ein öffentliches, unterirdisches Parkhaus mit gleich vielen Parkplätzen wie im «KuMu-Parking» realisiert werden. Ich habe den Auftrag angenommen, das Swisscanto-Projekt als Alternative zum «KuMu-Parking» weiter zu entwickeln, weil es die Chance bietet, oberirdisch ein Haus für die Kreativwirtschaft mit Wohnungen an bester Lage zu realisieren.

    Das Swisscanto-Parkhaus kann in 20 Monaten fast ohne Verkehrsbehinderung gebaut werden. Das «KuMu-Parking» braucht etwa doppelt so lang, weil das Tram und zahlreiche Leitungen unterfangen werden müssen. Deshalb spart das Swisscanto-Parkhaus im Vergleich zum «KuMu-Parking» etwa sechs bis zehn Millionen Franken. Diese Mittel will die Kantonalbanken-Tochter in kulturelle Einrichtungen in den Obergeschossen desselben Hauses investieren ­– zum Beispiel über eine öffentliche Stiftung. Die Situation wäre ähnlich wie bei der Kunsthalle, wo das Restaurant im Parterre den Kulturbetrieb darüber mit finanziert.

    Erst wenn das Vorhaben von Swisscanto auf dem gleichen Stand ist wie die Alternative, sollte ein Entscheid unter Berücksichtigung aller Informationen gefällt werden. Die Planungszeit dafür liegt bei wenigen Monaten.

  • Natur und Kultur

    Am 1. März, kurz nach der Fasnacht, ereignet sich in Basel Historisches. Im Kongresszentrum treffen zwei Bewegungen aufeinander, die sich so noch nie begegnet sind: Die grossen Schweizer Umwelt- und Nachhaltigkeitsorganisationen auf der einen und die Kultur- und Medienszene auf der anderen Seite. Am 8. «NATUR Kongress» (www.natur.ch) werden weit über 600 Entscheidungsträger und Fachleute aus den beiden sonst getrennt agierenden Sphären über eine Zusammenarbeit sprechen. Dies geschieht in Sorge um den sozialen Kitt in der Gesellschaft und den Zustand unserer Umwelt.

    Wir schaffen bei uns Wohlstand, doch auf Kosten der Regenerationsfähigkeit von Lebens-grundlagen anderer Menschen. Dagegen formiert sich ein neues Bündnis aus Natur- und Kulturszene. Mit dabei ist auch Bundesrat Alain Berset (Bild; BaZ).

    Die Kultur beginnt, sich für die Nachhaltige Entwicklung der Schweiz einzusetzen. Hauptakteure sind Künstlerinnen und Künstler, deren Filme, wie beispielsweise «More than Honey», Preise gewinnen und so viele Zuschauerinnen und Zuschauer ins Kino locken wie selten zuvor. Die NATUR Messe (am zweiten muba-Wochenende) erwartet auch den Auftritt von Performerinnen, die sich mit dem Thema der Zukunftssicherung auf unterhaltsame und zugleich eindrückliche Weise nähern.

    Aber auch Medien und Politik mischen sich ein: SRG Generaldirektor Roger de Weck wird sich am NATUR Kongress erstmals zur Verantwortung der Medien für eine Nachhaltige Entwicklung äussern. Und Bundesrat Alain Berset wird in seiner Rolle als Kulturminister den Bogen schlagen  vom Natur- und Heimatschutzartikel in der Bundesverfassung, der gerade 50 Jahre alt geworden ist, zum heutigen Verhältnis zwischen Natur und Kultur. Aus globaler Sicht kommentiert dieses Verhältnis Achim Steiner, der eloquente Generaldirektor des UNO-Umweltprogramms.

    Die Kultur wird zum Hoffnungsträger der Nachhaltigen Entwicklung. Das seit der Konferenz von Rio im vergangenen Jahr auch weltweit abgesegnete Konzept der «grünen Wirtschaft» wird es allein nicht richten. Es braucht auch eine «grüne Gesellschaft», das heisst einen Wertewandel, der uns freiwillig und aus innerer Überzeugung zur Energiewende führt, zum Beispiel hin zu erneuerbaren Energien. Oder hin zur Schonung unserer wertvollen Böden und der Artenvielfalt durch biologischen Landbau. Oder zu einem weltweit dringenden, sparsamen Umgang mit Süsswasser, der für die Ernährungssicherheit entscheidend ist.

    Dieser Wertewandel ist in erster Linie kultureller Art: Von der Mentalität des «macht Euch die Erde untertan» zur Kooperation mit unserer Umwelt. Keine Tierart zerstört beim Fressen ihre Nahrung, wie der Mensch dies gegenwärtig im globalen Massstab tut. Wir schaffen bei uns Wohlstand, doch auf Kosten der Regenerationsfähigkeit von Lebensgrundlagen anderer Menschen. Hunger, Elend und Kriege um Ressourcen sind die grausamsten Symptome dieser Fehlentwicklung. Der Kongress vom 1. März initiiert eine neue Zusammenarbeit zwischen Natur- und Kulturszene, um diese Frage radikal, von der Wurzel her, anzupacken.