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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Fingerhuth

  • Fingerhuths Fehler

    Oft wurde ich im Laufe der kurzen Bauzeit des ikonischen Messeneubaus von Herzog & de Meuron gefragt, was ich von diesem silbernen Riegel am Messeplatz halte. Schon allein die Frageweise verriet jeweils, dass man von mir ein negatives oder gar abschätziges Urteil erwartete, da ich zu den kritischen, an nachhaltiger Entwicklung orientierten Geistern dieser Stadt zähle. Meine Antwort war in diesen Fällen: Erst wenn das Gebäude steht und der Platz gestaltet ist, kann ich zum Ergebnis Stellung nehmen.

    Basel bewegt sich mit dem Messeneubau und dem Roche-Turm in eine neue Massstäblichkeit hinein. Und das ist gut so. Denn nur dieses neue Mass wird es uns erlauben, mit dem Boden haushälterisch umzugehen und Platz zu schaffen für nicht kommerzielle und grüne Freiräume.

    Jetzt ist es so weit, und ich muss sagen: Der neue Messeplatz gefällt mir. Zauberhaft ist der nächtliche Blick auf den schwarzen Himmel und den Mond durch die runde Öffnung des Neubaus. Der elegante Schwung des Entrées auf beiden Seiten des gedeckten «Foyers» ist einladend und wird sich hoffentlich bald mit Leben füllen. Natürlich passt die Umgebung jetzt noch nicht ganz dazu. Ein konzentrierter Wandel an dieser Stelle schafft jedoch in den kommenden Jahren ein neues Gravitationsfeld: Mit einer Gruppe Hochhäuser, einer aufgewerteten Rosental-Anlage, der fussgängerfreundlichen Clarastrasse und der guten Tram-Erschliessung wird dieser Teil der Stadt endlich ins Zentrum integriert – womit die lange ersehnte Erweiterung der Innenstadt Realität würde.

    Genau in diesem Moment meldet sich aus Zürich der ehemalige Basler Kantonsbaumeister Carl Fingerhuth zu Wort. Er prangert sowohl die Messehalle als auch das im Bau befindliche Roche-Hochhaus an der Grenzacherstrasse wegen «fehlender Massstäblichkeit» an. Beide Projekte, erklärte er im Regionaljournal Basel von SRF und später in der NZZ, seien «stadträumlich ein Verlust für Basel».

    Carl Fingerhuth hat grosse Verdienste um die Basler Stadtentwicklung und die hiesige Architekturszene. In seiner Wirkungszeit förderte er durch systematische Auftragsvergabe über Wettbewerbe damals noch kleine Büros wie jenes von Jaques Herzog und Pierre de Meuron. Nur weil diese heute Weltstars sind, ist noch lange nicht alles gut, was sie bauen. Und Kritik ist nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Umgekehrt ist es stillos, alles klein zu reden, nur weil es in neue Dimensionen vorstösst und von berühmten Architekten stammt, wie es – leider nicht nur in Basel – üblich geworden ist.

    Fingerhuths Fehler ist nicht, dass er sich in die Debatte einmischt. Er sollte es aber dann tun, wenn es noch etwas zu diskutieren gibt. Sobald ein Entscheid gefällt und ein Projekt im Bau ist, wäre es weiser zu schweigen und abzuwarten, wie das Ergebnis aussieht. Natürlich bewegt sich Basel gegenwärtig in eine neue Massstäblichkeit hinein. Das ist auch gut so. Denn nur dieses neue Mass wird es uns erlauben, mit dem Boden haushälterisch umzugehen und im engen Perimeter der Stadt Platz zu schaffen für nicht kommerzielle und grüne Freiräume.