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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Corine Mauch

  • Erschreckendes Echo – was tun?

    Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch verkündete vorletzten Samstag in der Live-Unterhaltungssendung «SF bi de Lüt», was sie gerne als Beweis für die Weltoffenheit der Limmatstadt anführt: «In Zürich leben 60% Menschen mit Migrationshintergrund.» Wie kommt das an?

    Neben der Integration traditioneller Einwanderer und – neuerdings – von so genannten «Expats», kommt heute die dritte Säule der Integrationspolitik zu kurz: die Bekämpfung von Ausländerfeindlichkeit. …

    Die Zusammensetzung der Basler Bevölkerung ist ähnlich wie jene von Zürich: Ein Drittel Ausländer, ein Drittel Schweizer mit Migrationshintergrund und ein Drittel Schweizer mit Schweizer Vorfahren. Dass der Anteil der ausländischen Bevölkerung in Basel-Stadt soeben die Marke von einem Drittel erreicht hat, bildete den Hintergrund meiner Kolumne von letzter Woche. Auf dem Blog www.unserekleinestadt.ch löste diese Tatsache neben sachlichen Reaktionen auch erschreckende Tiraden gegen Einwanderer aus.

    «Franz Müller» beispielsweise, erinnert sich zuerst an «früher»: «Bunt gemischt hatte es Italiener, etwas Spanier und Jugos, das war’s dann auch schon. Die fielen weder auf noch ab, fast alles ruhige Bürger, die alle brav schafften. Heute? Du meine Güte, so viel Littering allenthalben, farbige Männer, die auch tagsüber herumlungern, was machen die bloss, von was leben die denn?» Selbst wenn sich hinter dem Namen «Franz Müller» ein anonym schreibender Provokateur verbergen sollte: Es ist unbestreitbar, dass so geredet wird.

    Ein «Alfred Brand» bringt subjektiv wahrgenommene, negative Entwicklungen in Verbindung mit Ausländern. Die Beweise für die suggerierten Zusammenhänge bleibt er schuldig: «Wenn ich früher am Wochenende um 02.00 Uhr den Bierkeller verlassen habe, konnte ich zu Fuss völlig unbehelligt nach Kleinhüningen gehen. Überfälle? Die gab es damals nicht (oder nur ganz selten), so einfach ist das! Der einzige «Hotspot» war schon damals der Schützenmattpark.»

    …Dazu gehört, die Frustrationen und Ängste der Ausländerfeinde ernst zu nehmen. (Bilder: Plakate der Antirassismuskampagne von gra.ch)

    «Matthias Bosshard» fühlt sich als Basler isoliert: «Es reden immer alle von Integration, in Wirklichkeit sollen wir uns mittlerweile anpassen.» Manche andere Blog-Beiträge konnten aus Anstand nicht einmal freigeschaltet werden.

    Was tun? Verschweigen ist bestimmt die falsche Strategie. Es reicht auch nicht, wie Corine Mauch den Spiess umzudrehen und die Dominanz der Menschen mit Migrationshintergrund als Qualitätssiegel oder Erfolgsfaktor anzupreisen.

    In aller Munde ist die Integration traditioneller Einwanderer und – neuerdings – von so genannten «Expats». Die dritte Säule der Integrationspolitik kommt hingegen zu kurz: Die Bekämpfung von Ausländerfeindlichkeit. Dazu gehört, die Frustrationen und Ängste der Ausländerfeinde ernst zu nehmen. Als wirksamstes Mittel gegen Xenophobie identifizierte der Genfer Migrationsforscher Prof. Sandro Cattacin die persönliche Begegnung zwischen Bevölkerungsgruppen aus unterschiedlichen Nationen. Finden diese die nötige Unterstützung?

  • Wo Zürich (nicht) Basel sein will

    Corine Mauch lancierte in Zürich eine Online-«Stadtdebatte». Fast 4000 Diskutierende folgten diesen Monat dem Aufruf ihrer Stadtpräsidentin und loggten sich in die fünf thematischen «Foren» des Mega-Blogs ein. Die gesetzten Bereiche waren: Bauen, Zürichs Grenzen, «Wie wollen wir zusammenleben?», 2000 Watt Gesellschaft und Mobilität. Eines der zeitweise dominanten Sujets, das aus dem Volk kam, war aber ausgerechnet Basel.

    Zürichs Stadtpräsidentin lancierte eine „Stadtdebatte“ und provozierte damit eine Wiedervereinigungs-Diskussion mit umgekehrten Vorzeichen: Was wäre, wenn die Limmatstadt wie Basel als Kanton autonom würde? Das Ergebnis überrascht.

    Das hatten die Veranstalter der Diskussion nicht erwartet: Der Vorschlag einer Bloggerin, die Stadt Zürich vom restlichen Kanton abzuspalten und einen eigenen Stand innerhalb der Eidgenossenschaft zu gründen – einen Kanton Zürich-Stadt – löste heftige Reaktionen aus. Der Hintergrund der Idee ist die Frustration darüber, dass der eher SVP-lastige Kanton im links-grünen Zentrum mitregiert. So möchte das Umland die Stadt gerne offen halten für den motorisierten Individualverkehr, während zahlreiche Stadtzürcher Haushalte – wie in Basel – auf ein eigenes Auto verzichten und sich deshalb als Opfer sehen: Sie leiden unter Unfallgefahren, Abgasen, Lärm und verstopften Strassen.

    Autonomie statt Automanie postulierte eine ganze Reihe Debattierer. Sie forderten die Abspaltung vom Restkanton, um selbstbestimmt entscheiden zu können. Es waren die Gegnerinnen und Gegner dieser Idee, die Basel ins Spiel brachten. Ihr Hauptargument: Am Beispiel von Basel-Stadt sehe man, wie eine Stadt allein ihren Einfluss auf eidgenössischer Ebene verliere. Diese Meinung gewann schliesslich die Oberhand.

    Aus Basler Sicht war es interessant zu verfolgen, wie sehr dieser Gedanke die Gemüter bewegte, obwohl er für Zürich beinahe utopisch klingt. Während wir uns fragen, «was wäre wenn BS und BL fusionierten?», überlegten sich die Zürcherinnen und Zürcher: «Was wäre wenn ZH in Zürich-Stadt (ZS) und Zürich-Land (ZL) zerlegt würde?» Das Ergebnis dieser Wiedervereinigungs-Diskussion mit umgekehrten Vorzeichen war: Auch rot-grüne Autorinnen und Autoren spüren lieber das bürgerlich-bünzlige «Hinterland» im Nacken, als die Zukunft allein bewältigen zu müssen und entsprechend isoliert da zu stehen.

    Dieses Signal ist ernst zu nehmen. Während Basel beispielsweise seit bald zehn Jahren an der ersten Durchmesserlinie der S-Bahn (das sogenannte «Herzstück» unter der Innenstadt durch) herumbastelt und sich engräumig über Varianten streitet, ist in Zürich – mit kräftiger finanzieller Hilfe der Miteidgenossen – bereits der Bau der zweiten Durchmesserlinie im Gang. Zurückzuführen ist dies auf die Finanzkraft, den politischen Willen und die Durchsetzungsfähigkeit des Kantons. Corine Mauchs Diskussion zeigte klar: In diesem Punkt möchte Zürich nicht mit uns tauschen.