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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Basler Zeitung

  • Druck nackt

    Die Druckerei der Basler Zeitung soll schliessen. Nicht nur die Tageszeitung wandert ab. Es verabschieden sich weitere Aufträge aus der Region, zum Beispiel die Produktion des «Touring» oder der «Coop Zeitung». Das Projekt der BaZ Eigentümer heisst «BaZ nackt», wie Konzernleiter Rolf Bollmann erneut bestätigte. Zu den Striptease-Regeln gehört, dass der «Druck nackt» jetzt nach Zürich geht.

    Der Bund hat über Jahrzehnte die einheimischen Verlage gefördert, indem er die Posttarife der Zeitungen verbilligte. Sein Ziel war die Erhaltung der Medien- und Meinungsvielfalt. Basel braucht jetzt ein ähnliches Modell.

    Es gibt Dinge, die sind entbehrlich. Andere sind vital. Um die vitalen Dinge hat sich die Gesellschaft zu kümmern. Dazu gehört eine lebendige mediale Öffentlichkeit.

    Es ist nicht egal, ob diese Zeilen in Basel oder in Zürich gedruckt werden. Letztlich bestimmen die Produktionsmittel die Inhalte. Wer den Druck beherrscht, kann Druck machen. Wer die Medien kontrolliert, kontrolliert einen wichtigen Teil unserer Bildung, unserer Information und unseres Bewusstseins. Ein ferngesteuertes Bewusstsein wollten die Basler nie. Deshalb setzten sie schon früh auf das Druckgewerbe. Wer einmal 500 Jahre alte Bücher aus Basler Druckereien in Händen hielt, der versteht, welche Macht darin liegt, seine Meinung vervielfältigen zu können. Das Imponiergehabe dieser grossformatigen, schweren, reich verzierten Schwarten, spricht Bände.

    Das Zeitalter, das Johannes Froben und Johannes Petri um 1500 mit ihren Druckereien am Totengässlein und in der St. Johanns Vorstadt begründeten, darf nicht so enden. Zwar existiert hierzulande nach wie vor die eine oder andere anständige Druckerei. Aber keine mehr, die ein Massenblatt rasch und rationell fertigen kann.

    Die beiden Basel müssen sich einmischen, im öffentlichen Interesse. Der Bund hat über Jahrzehnte die Schweizer Verlage gefördert, indem er die Posttarife der Zeitungen verbilligte. Sein Ziel war die Erhaltung der Medien- und Meinungsvielfalt. Ein ähnliches Modell kann den Zeitungsdruck in der Nordwestschweiz mittelfristig wieder ans Rheinknie zurückholen: Lokal gedruckte Tages- und Wochenzeitungen sollten von den Kantonen Vertriebsunterstützung bekommen. Dies wäre ein eleganter Weg, um das Ziel zu erreichen, ohne sich inhaltlich einzumischen. Vielleicht würde dann auch die TagesWoche nicht mehr aus Wil (SG) importiert.

    Ironie des Schicksals: Ausgerechnet Christoph Blocher, die Galionsfigur der Schweizer Neoliberalen, lässt uns keine andere Wahl, als die regionale Druckereiwirtschaft öffentlich zu stützen wie die Landwirtschaft. Wenn nach Banken, Fluggesellschaften und Medien noch die letzte Zeitungsrotation abwandert, muss jemand «Stopp!» rufen. Die Walliser bereuen es noch heute, dass sie nicht einschritten, als Blocher die Wasserkraftwerke der Alusuisse, die er kontrollierte, an die Eléctricité de France verhökerte. Die «Alusuisse nackt» war rückblickend der Anfang vom Ende dieser Industrie.

  • Die Krux mit der BaZ

    Ein alter Bekannter tippte mir kürzlich in der Warteschlange eines Bahnhofskiosks auf die Schulter. Ich hatte gerade die BaZ erstanden (weil mein abonniertes Exemplar zuhause liegen geblieben war). «Kaufst Du noch die BaZ?», fragte er entrüstet. «Ja», antwortete ich. «Ich boykottiere sie konsequent wegen Blocher und Somm», gab der Kollege zurück. Wir gingen gemeinsam Richtung Rolltreppen. Da kam ihm in den Sinn: «Klar liest Du die BaZ, du schreibst ja auch regelmässig eine Kolumne, da musst du sie haben.» Da war ich baff: «Woher weisst du das, wenn du die BaZ boykottierst?» Wir mussten beide lachen.

    Wollen wir wirklich den Zusammenbruch der BaZ? Was wäre die Alternative? Wahr-scheinlich ein Kopfblatt der NZZ oder des Tages-Anzeigers, deren Besitzer ebenfalls klar bürgerlich positioniert sind. Basel braucht eine unabhängige Tageszeitung mit Absender Basel und Basler Identität.

    Wohin ich auch gehe, werde ich so angesprochen. Eine Zeit lang war der Ton eher aggressiv, neuerdings neugierig, ob ich nie zensuriert würde. Ich verneine. In solchen Gesprächen fällt mir regelmässig auf, dass viele, auch bürgerliche Leser, die heute noch die BaZ im Briefkasten haben, ernsthaft ankündigen, bei der nächsten Abo-Rechnung auszusteigen. Daraus schliesse ich, dass die Erosion der BaZ-Abonnentenzahl noch mindestens ein Jahr weiter gehen wird. Das ist existenzbedrohend. Denn ohne Leserinnen und Leser gibt es auch keine Inserate mehr.

    Die «Rettet Basel»-Bewegung hat inzwischen fast 20 000 namentlich bekannte Fans. Diese und viele andere würden eher einen Zusammenbruch der BaZ in Kauf nehmen als eine Zeitung, die Christoph Blocher finanziert und Markus Somm leitet. Wegen Querschlägern unter die Gürtellinie aus der Feder des Chefredaktors und neoliberalen Hintermännern wird die BaZ als rechtes Kampfblatt wahrgenommen. Jeder Artikel mit Rechtsdrall gilt als «typisch BaZ», eher links eingefärbte Beiträge werden als «Feigenblätter» apostrophiert. Die Fronten sind verhärtet.

    Der heutige Verleger, Tito Tettamanti, hat sich das Problem selbst eingebrockt, indem er und seine Entourage die frühere BaZ öffentlich als «linke Zeitung» einordneten. Dies ist natürlich Mumpitz. Die frühere BaZ war zu besten Zeiten ein Forumsblatt, politisch meist ein Eunuch. Oft war sie deshalb langweilig im Vergleich zum farbenfrohen Strauss an journalistischen Leistungen und Meinungen, die uns heute täglich freuen oder ärgern.

    Die Frage stellt sich: Wollen wir wirklich den Zusammenbruch der BaZ? Was wäre die Alternative? Wahrscheinlich ein Kopfblatt der NZZ oder des Tages-Anzeigers, deren Besitzer übrigens auch klar bürgerlich positioniert sind. Unbestritten ist: Basel braucht eine unabhängige Tageszeitung mit Absender Basel und Basler Identität. In welcher Form die BaZ dies leisten kann, ist offen. Sie leichtfertig abserviert zu haben, könnte manchen später reuen.

    Aber eben: Die Wahrnehmung ist entscheidend. Auf dem Weg in den Abgrund ist ein Zwischenhalt zu empfehlen. Es wäre Basel zu wünschen, dass sich das Blatt noch wenden lässt.

  • Tettamantis Testament

    Tito Tettamanti ist zurück. Als ehemaliger und neuer Besitzer der Basler Zeitung beherrscht er die wichtigste publizistische Stimme der Region. Der Deal wurde in Zürich angekündigt. Und der neue Eigner heisst weder Sarasin noch von der Mühll, weder Liechtenhan noch Burckhardt, weder Merian noch Vischer und schon gar nicht Faesch.

    Dass die Basler Zeitung zeitweise an Christoph Blocher fiel, ist ein Schwächezeichen des Basler Grossbürgertums. Mit seiner wiederholten Übernahme der BaZ sendet Tito Tetta-manti (Bild) eine wichtige Botschaft vom Ticino an den Rhein.

    Stolze Namen – Schall und Rauch. Das Basler Grossbürgertum hat sich aus dem Wirtschaftsleben mit wenigen Ausnahmen verabschiedet und betätigt sich vorwiegend (und verdienstvoll) mäzenatisch. Die Sarasin-Bank: Verkauft nach Holland und jetzt nach Brasilien. Der Bankverein: Verscherbelt nach Zürich. Die Maschinenfabrik Burckhardt: Transferiert nach Winterthur. Novartis und Syngenta – geführt von US-Amerikanern, im Besitz der ganzen Welt. Die BaZ – ein Tessiner Blatt, dessen Präsident, CEO und Chefredaktor aus Zürich und dem Aargau stammen. Wollte es denn hier niemand haben?

    Auch in der Politik taucht das klassische Basler Bürgertum bloss noch sporadisch auf. Intakt ist hingegen das Engagement der Kader kleiner und mittlerer Unternehmen. Der Freisinn und die CVP überleben knapp dank einer kleinbürgerlichen Basis, die den Karren mit viel Idealismus und Fasnachtsgeist zieht.

    Basel ist trotz alledem eine vitale, weltoffene Stadt, die investiert und Investoren anzieht. Die feiert und festet. Die Sport und kulturelle Blüten treibt. Aber ein Bürgertum, das den öffentlichen Diskurs prägt und trägt, das die Richtung vorgibt und Prioritäten setzt, sucht man vergeblich. Links-grün hat diese Rolle übernommen, ohne sie ganz auszufüllen. Der Mehrheit mangelt es an Machtbewusstsein und Mut. Wären wirklich die Parteiprogramme der Sozialdemokraten und der Grünen ihr Massstab, würde Basel ganz anders aussehen.

    Eine profilierte Politik gedeiht nur, wenn sie sich reiben kann. Aber Links-Grün sucht vergeblich nach einem starken, herausfordernden Gegenüber. Selbst die Anti-Blocher-Bewegung von «Rettet Basel!» blieb in der laufenden, turbulenten Woche seltsam blass. Die Gründe der Abstinenz sind mannigfaltig: Müdigkeit und Sattheit, die Grenzlage sowie die Kantonstrennung, die einen Teil des Baselbieter Bürgertums von der städtischen Politik fernhält.

    Es fehlt an allen Ecken und Enden die kritische Masse. Nur wenn Basel seine Grenzen sprengen kann, sei es dank Metrobasel, mithilfe der Internationale Bauausstellung IBA oder durch Zusammenarbeit mit anderen Kantonen, kommt die Region wieder zu Kräften. Und sie könnte ihre Wirtschaft wieder etwas mehr in die eigenen Hände nehmen.

    Das ist Tito Tettamantis Testament und Botschaft: Gewisse strategische Trümpfe wie die Medien, aber auch die grossen Industriebetriebe, den Verkehr und die Finanzwirtschaft kann man nicht ganz den anderen überlassen, ohne einen Standort mittelfristig zu gefährden.