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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Basel

  • Basel-Zürich in 16 Minuten

    SBB-Chef Andreas Meyer überraschte die Schweiz zum Ferienstart mit einer frohen Botschaft: Dank Investitionen im Mittelland soll die Reise von Zürich nach Bern ab 2025 nur noch 45 (statt heute 56) Minuten dauern. Nebenbei würde auch Basel von den Neubaustrecken profitieren. Die Fahrzeit von Zürich ans Rheinknie liesse sich ebenfalls auf 45 (statt bisher 53) Minuten drücken.

    Verkehrsfragen sind zu bedeutend, um sie den Verkehrsplanern zu überlassen: Ein Express zwischen Basel und Zürich würde die Schweiz umkrempeln und ihr endlich eine echte Metropole bescheren.

    Zwei Mal 45 Minuten Fahrt: Das deutet auf ähnliche Distanzen hin, was aber täuscht. Die Hauptstadt liegt 120 Autobahn-Kilometer von Zürich entfernt, Basel nur 80. Dreisatz für Drittklässler: Wenn die Zugreise von Zürich nach Bern 45 Minuten dauert, müsste die Strecke von Zürich nach Basel in 30 Minuten zu schaffen sein. Und das mit heutiger SBB-Technik. Der neue Zug zwischen Peking und Shanghai braucht für 80 Kilometer jedoch bloss 16 Minuten – dank einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 300 km/h (und Höchstgeschwindigkeit 350). Wenn China das kann, kann das die Schweiz auch. Wenn sie will.

    Die Verbindung der beiden grössten Deutschschweizer Städte in weniger als 20 Minuten wäre bedeutend mehr als eine schnelle Bahn. Ein solches Jahrhundertprojekt dürfen wir nicht von Andreas Meyer erwarten. Er hat sich nur um Verkehrsaufgaben zu kümmern. Dieser Zug würde jedoch die ganze Schweiz umkrempeln. Wir hätten eine echte Metropole, wie alle umliegenden Länder (mit Ausnahme Liechtensteins), also ein neues Angebot für alle, die in der Schweiz und zugleich in einer pulsierenden Millionenstadt leben und arbeiten wollen.

    Die Zwillinge Basel und Zürich würden gemeinsam auf der gleichen Stufe wie Stuttgart, Wien, Milano und Barcelona agieren, nicht nur scheinbar, wie heute, sondern wirklich. Die Angebote für ihre Bewohner würden auf einen Schlag vervielfacht, etwa auf dem Arbeitsmarkt, kulturell, beim Wohnen oder im Sport. Abends von Basel ins Opernhaus? Kein Problem! Ein Lunch mit Zürchern in der Kunsthalle? Fraglos! Der Weg zu den Flughäfen Kloten und Mulhouse – ein Katzensprung für alle!

    Es gibt drei Gründe, weshalb diese völlig realistischen Pläne noch nie ernsthaft diskutiert wurden: Erstens wegen der ewigen Gifteleien zwischen Zürich und Basel. Zweitens, weil die SBB nur Verkehrsplanung machen, während eine Vision für die Schweiz, mit einem weiteren Themenhorizont, praktisch nicht existiert. Und drittens, weil sich Basel bis vor kurzem zu wenig darum gekümmert hat, statt bloss Endstation der SBB ein Knotenpunkt im Europäischen Eisenbahnnetz zu sein.

    Inzwischen ist das Verkehrskreuz erwacht. Die internationalen Bahnen werden ausgebaut, etwa die Rheinschiene und der TGV (selbst Richtung Südfrankreich). Die Schweiz muss aufpassen, dass sie 5,7 Milliarden Franken nicht ins Leere investiert, indem sie einseitig auf die national bedeutsame West-Ost-Achse setzt. Denn der Weg nach Berlin, Frankfurt, Brüssel, Paris und London führt nur selten via Bern.

  • Freie Plätze für freie Menschen

    Ulrich Weidmann ist Professor für Verkehrssysteme an der ETH Zürich und hat kürzlich in seiner Heimatstadt Aufsehen erregt, als er vorschlug, im Zentrum alle Tramlinien in den Untergrund zu verlegen. 10 Kilometer Tunnel für etwa 2,5 Milliarden Franken möchte er graben. Damit sollen auf Plätzen und Strassen neue Freiräume für Fussgänger entstehen.

    Damit die alte Liebe zum Tram nicht rostet: Ade «grüne Wand» in der Innenstadt. (Foto: Dominik Madörin, Ettingen)

    Relativiert wird des guten Herrn Weidmanns
    Idee durch seine eigene Einschätzung der Planungs- und Bauzeiten: Er rechnet mit einer Vorbereitungsphase bis 2026 und der Vollendung des Mammut-Projekts gegen die Mitte des Jahrhunderts.

    Kommentar der Architekturzeitschrift «Hochparterre»: «Ob sich Stadt und Kanton Zürich und auch der Bund ein solches Projekt leisten können, ist eine politische Frage. (Lehrstück in Klammern: Bundessubventionen für ein lokales Verkehrsprojekt setzen andere als selbstverständlich voraus.)

    Im Übrigen stimmt «Hochparterre» Weidmann zu: Der öffentliche Verkehr werde in Zürich ohne Entlastung «den Stadtraum immer mehr dominieren». Für Basel gilt das schon lange, vor allem zwischen Theater und Schifflände. Doch am Rheinknie wäre die Lösung nicht erst in 40, sondern schon in vier Jahren zu haben, zu höchstens einem Zehntel der Kosten:

    Als das «Drämmli» noch klein und harmlos war: Basler Marktplatz mit Strassenbahn um 1910 (Postkarte Sammlung H.Ziegler).

    Der erste Schritt ist der Bau eines Tramgeleises durch den Petersgraben. Diese Trasse von vielleicht 400 Metern gab es früher schon mal. Alle Linien, die heute zwischen Barfi und Schifflände verkehren, könnten beim Theater oder am Steinenberg (vor dem Casino) halten. Dann würden sie den Kohlenberg hoch fahren und durch den Petersgraben zum Totentanz beziehungsweise zur Schifflände gelangen, mit Zwischenhalten, welche die Grossbasler Innenstadt erschliessen.

    Der zweite Schritt ist der Bau des Trams vom Bahnhof SBB über den Heuwaage-Viadukt, weiter via Petersgraben und über die Johanniterbrücke zum Badischen Bahnhof, wie es eine Volksinitiative verlangt. Dies entlastet einige verstopfte Linien und bedient das Kleinbasel mit einer Schnellverbindung.

    Der Doppelschritt befreit Strassen und Plätze für Menschen: Von einem Tag auf den anderen wäre die oft beschimpfte «grüne Wand» in der Grossbasler Innenstadt Geschichte. Dazu kämen vier attraktive Plätze an zentraler Lage für einen Kostenbruchteil der Zürcher Utopie: Frisch erstrahlten Barfi und Marktplatz. Und Auferstehung feierten der Rüdenplatz (bei der alten Post) sowie der heute zerstückelte Fischmarkt. Schnell ginge das überdies, und auch daran hätte Ulrich Weidmann seine helle Freude.

    Das Herzstück der Regio S-Bahn mit der unterirdischen Station Marktplatz/Schifflände würde dieses System später komplettieren. Und gegen einen kurzen, langsamen Shopper-Shuttle auf alten Geleisen zwischen Barfi und Schifflände hätte auch niemand etwas einzuwenden.

  • Hütet Euch vor Städte-Rankings!

    Urs Welten, Präsident der Laden-Lobby «Pro Innerstadt», hat es noch gar nicht realisiert: Basel ist zwar, gemäss dem jüngsten Städte-Rating der Wirtschaftszeitschrift «Bilanz», bei allen Beurteilungskriterien schlechter platziert als das führende Zürich, nicht jedoch in einem Punkt: der Einkaufsinfrastruktur. Hätten Sie das geahnt? Auch andere ignorieren bisher diese gute Botschaft der «Manager-Annabelle»: Zum Beispiel die Luxusausstatterin Trudie Götz, die in Basel nur zwei «Trois Pommes»-Boutiquen betreibt, in Zürich aber mindestens deren sechs. In dieselbe ignorante Klasse gehören alle mehrbesseren Baslerinnen und Basler, die samstags ihre Platin-Kreditkarte an die Limmat tragen, um Kleider, Kunst und Klunker zu posten. Warum schweifen sie in die Ferne, wenn das Gute doch so nahe liegt?

    Trois Pommes-Filiale in der Freien Strasse (Foto: Tino Briner)

    Oder ist es am Ende umgekehrt? Hat die in Erlenbach wohnhafte Baslerin Götz recht, die seit Jahrzehnten den Markt kennt und repräsentiert, und irrt hier die «Bilanz»? Nun, die Zeitschrift kann sich hinter der Immobilienagentur Wüest & Partner verstecken, welche das Städte-Ranking verantwortet. Wüest & Partner ist in der Welt der Hütten und Paläste, was Claude Longchamps Polit-Orakel «gfs.bern» für Wahlen und Abstimmungen bedeutet: Das Mass aller Dinge. Aber wie «gfs.bern» bei der Minarett-Initiative kann auch Wüest & Partner voll danebenliegen – wie etwa bei dieser urbanen Hitparade. Wie immer bei solchen Listen sind die Beurteilungsraster ausschlaggebend für das Resultat. Städte bloss durch die Brille des Immo-Hais zu betrachten, führt zu so absurden Resultaten wie der Überlegenheit Basels als Shopping-Metropole.

    Als Mekka für Konsum-Fetischisten – noch eine Länge vor Basel – zeichnet Wüest & Partner Spreitenbach aus. Also je mehr Spreitenbach, desto besser die Rangierung. So misst man heute Lebensqualität. Spreitenbach? – Nein danke! Städte sind mehr als eine Ansammlung von Häusern und Strassen, Läden, Renditen und Steuern, mehr als die Summe von Angeboten und Infrastruktur: Die Kriterien von Wüest & Partner sind von der gierigen Stadt geprägt, die sich langfristig selbst zerstört, weil jeder Winkel am Umsatz gemessen wird, der sich damit generieren lässt. Platz 9 ist wohl der beste in einem solchen Wettbewerb, der zum Beispiel um so mehr Punkte verteilt, je krasser eine Stadt wächst. Ein gemässigtes Wachstum, das weniger soziale Spannungen und geringere Umweltzerstörung nach sich zieht, ist jedoch einem Wachstumschaos vorzuziehen, wie es andere erleiden. Und doch ist der Platz 9 auch nicht so weit hinten, dass an der Prosperität Basels gezweifelt werden muss. Hütet Euch beim Ranking! Die Seele einer Stadt lässt sich mit solchen Statistiken nicht erfassen.