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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Basel

  • Wohlstand dank Klimaschutz

    Klimaleugner oder Klimaskeptiker heissen seltsamerweise Menschen, die in Abrede stellen, dass es eine Klimaerwärmung gibt. Während Klimakonferenzen – wie gegenwärtig in Durban – haben die Klimaleugner Hochkonjunktur. Neben dem harten Kern der Klimaleugner, die jede Erwärmung abstreiten, gibt es noch zwei Unterarten: Jene, die zwar eine potenziell katastrophale Erwärmung erwarten, diese aber als natürliche Schwankung interpretieren. Sowie jene, die ebenfalls an eine Erwärmung glauben, sie aber als harmlos betrachten.

    Wer heute den unvermeidbaren Umstieg aus der fossilen Vergangenheit in die erneuerbare Zukunft wagt, der positioniert sich in lukrativen Märkten. Die Solar-Stadt Basel weist den Weg.

    Die Delegierten der Klimakonferenz COP 17 in Südafrika gehen hingegen davon aus, dass es die vom Menschen verursachte Klimaerwärmung gibt. Sie diskutieren Massnahmen, um den Untergang von Inseln, die Häufung von Überschwemmungen, das Abschmelzen der Gletscher und viele andere Gefahren zu bannen. An dieser unheilvollen Perspektive ändert auch eine allfällige wirtschaftliche Flaute nichts. Sie verzögert höchstens den Prozess, weil die Menschen weniger konsumieren und damit auch weniger Treibhausgase entstehen.

    In der Krise fragen sich hingegen manche, ob wir uns den Klimaschutz noch leisten können. Da fallen die Argumente der Klimaleugner auf besonders fruchtbaren Boden. Es könnte ja sein, dass alle Anstrengungen umsonst weil überflüssig sind. Es wäre fahrlässig, dies zu glauben. Selbst wer Zweifel hegt an der Korrektheit der wissenschaftlich abgestützten Voraussagen, müsste die Investitionen in den Klimaschutz als Risikominimierung und Schutzschild akzeptieren. Bei der gegenwärtigen Datenlage ein Klimaexperiment im globalen Massstab zu wagen, wäre unverantwortlich.

    Deshalb ist es richtig, dass Basel-Stadt den Weg zur 2000 Watt Gesellschaft und den Ausstieg aus der fossilen Energie systematisch weiter geht. Zum Beispiel indem das Amt für Umwelt und Energie dieser Tage eine Internet-Applikation lanciert, welche es jedem Hausbesitzer erlaubt nachzuschauen, ob sich eine Solaranlage auf dem Dach auszahlen würde.

    Noch einen Schritt weiter geht jedoch die Chinesische Regierung. In einer Präsentation in Durban legten deren Funktionäre dar, weshalb China so oder so den Weg der «low carbon economy» (etwa: kohlenstoffarme Wirtschaft) gehen wird: «Wir können uns gar nichts anderes Leisten. Wenn wir Wohlstand für alle wollen, ohne die Umwelt und Ressourcen zu zerstören, sind wir gezwungen, mit dem Klimaschutz ernst zu machen», sagte der Leiter der einflussreichen Nationalen Reform- und Entwicklungskommission Chinas.

    Dahinter verbirgt sich noch eine andere Logik: Wer heute den unvermeidbaren Umstieg aus der fossilen Vergangenheit in die erneuerbare Zukunft wagt, der positioniert sich in lukrativen Märkten. Eines Tages werden die Basler selbst in Zürich Solardächer montieren und Strom ins Netz einspeisen.

  • Too big to ignore

    Peter Dittus, Generalsekretär der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), begab sich in die Niederungen des «Gundeli» zum Gespräch mit der «Occupy Basel»-Bewegung. Der Gang war symoblträchtig, liegt doch das traditionelle Mittlelstands-Quartier dem BIZ-Turm zu Füssen. Und es ist der Mittelstand, der in der aktuellen Krise am meisten Haare lassen muss.

    Zwei Basler Banken hätten es in der Hand, in die Schieflage des Finanzmarkts korrigierend einzugreifen. Eine von beiden, nämlich die BIZ, wäre laut ihrem Generalsekretär Peter Dittus (Bild: im Gespräch mit der „Occupy Basel“ Bewegung) dazu bereit, wann folgt die andere?

    Das Outfit des BIZ-Kaders erinnerte eher an einen H&M-Stammkunden als an einen Banker: Stilvoll abgewetzte Jeans, Karo-Hemd, ein lässig umgehängter, ockerfarbiger Wollschal und coole, weisse Sneakers. «Ich bin einer von Euch», wollte Dittus offensichtlich signalisieren.

    Dies sind ganz neue Zeichen: Bis vor kurzem fand selbst die Basler Regierung nur selten Gehör im schlammfarbigen «Kühlturm» am Bahnhof. Denn das exterritoriale, diskrete Gebaren des BIZ-Machtzentrums ist Teil seines Programms. Die Bank der Nationalbanken steht über dem Geschehen und beschäftigt sich – in der Fachsprache – mit «high finance».

    «High finance» heisst nichts anderes als: Die BIZ ist der Urquell aller Geldschöpfung. Kinder fragen, woher das Geld kommt. Die korrekte Antwort lautet nicht: «Aus dem Bancomaten.» Sondern: «Von der BIZ und ihren Besitzern.» Diese in Basel beheimatete internationale Behörde legt zum Beispiel fest, zu welchen Bedingungen Banken Kredite vergeben dürfen. Die entsprechenden Regelwerke heissen denn auch «Basel 1, 2 und 3».

    Stimmungsbilder vom inzwischen geräumten Zuccotti Park im New Yorker Finanzdistrikt…

    Jetzt ist die BIZ, durch den Auftritt von Peter Dittus, in der Stadt angekommen. Und wie! Dittus flehte beim öffentlichen Treffen in der Fachhochschule für Soziale Arbeit (sic!) die «Occupy Basel»-Bewegung geradezu an, aktiver und zahlreicher zu werden. Nur dank öffentlichem Druck würde es der BIZ gelingen, die wild gewordene Bande der Privatbanken zu zähmen.

    In der Tat würde es dem Finanzplatz Basel wohl anstehen, sich einer Strategie zuzuwenden, welche Nachhaltige Entwicklung fördert und das in allen Branchen. Die UBS – ebenfalls eine Basler Bank – will sich laut neuer Strategie vermehrt um die Reichen und Superreichen auf unserem Planeten kümmern. Doch sie hat es verpasst, uns mitzuteilen, wofür sie die gesammelten Gelder dieser Reichen einsetzen möchte.

    …während der wochenlangen Besetzung durch die Occupy Wall Street Bewegung.

    Da könnte die Allianz aus BIZ und Occupy-Bewegung nachhelfen: Zum Beispiel um Ökosysteme zu stabilisieren, Arbeitslosigkeit mit Krediten für Klein- und Mittelunternehmen zu bekämpfen, dringend notwendige Infrastruktur-Projekte zu finanzieren, wie etwa Eisenbahnen, Solarkraftwerke, schlaue Elektrizitätsnetze, Schulen und Universitäten. Die BIZ und die UBS zusammen hätten es in der Hand, die zunehmend schiefe Vermögensverteilung und die wachsende Umweltzerstörung zu korrigieren. Die BIZ ist dazu bereit. Wann folgt die UBS?

  • Der Beitritt der EU zur Schweiz

    Willhelm Tell, Schweizer Nationalheld von Schillers Gnaden, verkörpert wie kein anderer den Unabhängigkeits-Willen unseres Landes. Im gleichnamigen Theaterstück spricht der erste eidgenössischen Staatsmann, Werner Stauffacher, folgende Zeilen:

    Wir stiften keinen neuen Bund, es ist

    Die Schweiz weckt bei vielen Nachbarn Neid. Dazu gibt es eine Alternative: Der Beitritt Europas zur Schweiz und zum Frankenraum. Basel kann dafür Vorbild sein.

    Ein uralt Bündnis nur von Väter Zeit,
    Das wir erneuern! Wisset, Eidgenossen!
    Ob uns der See, ob uns die Berge scheiden
    und jedes Volk sich für sich selbst regiert,
    So sind wir eines Stammes doch und Bluts,
    Und eine Heimat ist’s, aus der wir zogen.

    Es ist genau diese Ideologie des gemeinsamen Hauses, welche die Europäische Union (EU) heute noch zusammenhält, wie auch der prominente Deutsche Publizist Frank Schirrmacher letzten Montag am Schweizer Radio unterstrich. Je stärker jedoch Europa als Idee beschworen wird und parallel dazu ihr wirtschaftlicher Kitt bröckelt, um so grösser wird der Schweizer Abwehrreflex. Die Schweiz entstand nicht über den Beitritt zu einer grösseren Gemeinschaft: Der Schweiz tritt man bei.

    Die Region Basel ist hierfür ein gutes Beispiel. Sie bildet eine Mini-EU unter Schweizer Führung. Im Kern ist Basel Schweizerisch. Die Elsässer und Badener geniessen die Vorteile, wirtschaftlich in diese Metropole integriert zu sein. Genau diesem Modell könnte die EU folgen, indem sie der Schweiz beitritt.

    Die bilateralen Verträge sowie der «autonome» Schweizer Nachvollzug von EU-Recht führten in der Vergangenheit zu einer gewissen gegenseitigen Angleichung der Rechtssysteme. Was nun folgen könnte, wäre der Beitritt Europäischer Länder zum Erfolgsmodell Schweiz, mit der entsprechenden Übernahme von Schweizer Recht.

    Darin hat unser Land Erfahrung und Tradition. Die Schweiz ist durch den Beitritt von Staaten entstanden. Der Vorschlag mag erstaunen oder gar schockieren, da die Grössenverhältnisse nicht zu passen scheinen, wenn beispielsweise Frankreich oder Italien der Schweiz und damit dem Frankenraum beitreten würden. Der Prozess müsste schrittweise erfolgen, doch wäre nichts selbstverständlicher: Im Markt der Staatformen würde sich jenes Arrangement durchsetzen, das sich langfristig als zweckdienlich erwiesen hat.

    Die Schweiz weckt bei vielen Nachbarn Neid. Dazu gibt es eine Alternative: Das Weiterdenken der Schweiz und die Verschweizerung Europas. Nicht nur im übertragenen Sinn, sondern ganz real und praktisch. Die grenzüberschreitenden Kooperationen Basels können dazu einen grossen Erfahrungsschatz beitragen.

  • Den Kunstmarkt wachküssen

    Ernst Beyeler dominierte über Jahrzehnte die Basler Galerienszene. Um ihn kamen Sammlerinnen und Sammler der klassischen Moderne – Einzelne, Firmen und Museen – kaum herum. Die «Fondation» in Riehen ist beredte Zeugin dieser Zeit. Sie wird uns hoffentlich noch lange mit so erstaunlichen Ausstellungen wie der laufenden Schau über Wurzeln, Wirken und Werke des Surrealismus beglücken.

    Seit die Galerie Beyeler geschlossen ist, gibt es in Basel keine Kunsthandlung mit globaler Ausstrahlung mehr. Wir leben von der gloriosen Vergangenheit. Basel als Kunststadt ist in erster Linie eine Museumsstadt und einmal im Jahr eine Art-Stadt. Was fehlt, ist der permanente Umsatz. Denn für ihre Entwicklung braucht die Kunst den Markt. Dieser sichert nicht nur Existenzen. Er urteilt auch und ist dadurch Ansporn, gestrenger Richter und Erneuerer in Einem.

    Seit dem Tod von Galerist Ernst Beyeler (Foto), hat es der Basler Kunsthandel schwer. Dabei wäre ein schlauer Kommerz das Lebenselixier der bildenden Kunst. Für eine Revitalisierung der Galerien-Szene braucht es nicht viel. Bild: Kurt Wyss

    Wenn Basel seine Kreativwirtschaft pflegen will, darf die Stadt keine Kunsthandels-Wüste (mit einzelnen Oasen) sein. Kunst und Kommerz sind siamesische Zwillinge. Gemeinsam bringen sie Ideen, Initiativen und Innovation voran.

    Es ist ja nicht so, dass es in Basel keine bildenden Künstlerinnen und Künstler gäbe. Im Gegenteil, ihre Zahl ist eindrücklich und die staatliche sowie private Förderung anständig. Der Basler Kunst-Zug fährt jedoch – auf sicheren Geleisen – nach Nirgendwo. Im besten Fall kommt er in Berlin, Zürich oder Rotterdam an.

    Eine vitale Galerienszene wäre das heute noch fehlende Anschlusswerk für aktuelle Kunst. Die Kunststadt Basel existiert in Silos: Hier die Spitzenmuseen, die sich Mühe geben – dort die Galerien, die dasselbe tun. Weshalb nicht zusammen spannen? Gehören Weltliga-Bilder, die keinen Platz finden in aktuellen Museums-Ausstellungen nicht ab und zu als temporäre Leihgaben in Galerien?

    Erhellendes, Unbekanntes, das in den Katakomben von Kunstmuseum, Kunsthalle, Fondation Beyeler oder gar eines lokalen «Global Player» vor sich hin döst, könnte Galerien für ein überregionales Publikum attraktiv gestalten helfen. Damit würden sie ihr aktuelles Angebot visuell kommentieren. Zum Beispiel: Ein junger Basler Künstler konfrontiert mit Braque. Die Braques wären natürlich nicht zu verkaufen, der junge Künstler hätte aber mehr Aufmerksamkeit, das Publikum mehr Anregung und grösseres Interesse.

    Dies ist eine Aufgabe für die Kulturabteilung des Präsidialdepartementes. Sie könnte als Patin den Basler Kunstmarkt mit den staatseigenen Beständen wachküssen helfen. Mit der Zeit liefe alles von selbst: Galerien als kleine Museen. Ernst Beyeler konnte dieses Konzept aus eigenen Beständen realisieren. Heute braucht es dafür Kooperationen.

  • Poller sind toller

    Bleibt die Basler Innenstadt Einsatzschwerpunkt für Parkplatz-Politessen? Oder gibt es billigere, einfachere Lösungen, um sie für Fussgänger frei zu halten? Die Antwort haben andere Zentren (Foto: Milano-Brera) längst gefunden.

    Hans-Peter Wessels steht als Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements Basel-Stadt vor einem wichtigen Entscheid: Bleibt die Altstadt Einsatzschwerpunkt für Parkplatz-Politessen? Oder gibt es billigere, einfachere Lösungen, um unbefugte motorisierte Besucher daran zu hindern, beispielsweise den wunderbaren, neuen Münsterplatz zu verschandeln? Die Antwort haben andere Zentren – ob gross oder klein – längst gefunden: Versenkbare Poller.

    Bergamo hat Poller.

    Milano hat Poller.

    Turin hat Poller.

    Bern und Zürich schützen ihre Altstädte mit Pollern.

    Brig hat Poller, ja, das autoverrückte Brig hat zahlreiche Poller!

    Locarno hat übrigens ebenfalls Poller.

    Und Ascona hat Poller.

    Sils (!) hat Poller.

    Siena hat Poller.

    New York hat Poller (und will noch viel mehr davon).

    London hat Poller (bewegliche und andere).

    Berlin hat Poller.

    Kopenhagen hat Poller.

    Moskau hat Poller.

    Warschau hat Poller.

    Tokyo hat Poller.

    Seoul hat Poller.

    Alle diese Städte haben versenkbare Strassen-Poller, die von Berechtigten fernbedient ein- und ausgefahren werden können, um zu passieren. Nur Basel diskutiert. Die Menschen sind hier gleich wie überall. Ihr Verkehrsverhalten ist gleich wie überall. Weshalb auf bewährte Lösungen verzichten? So anders ticken wir auch wieder nicht.

  • «Dreilandi 2025» die nächste Expo

    Bischof Heinrich von Thun, der damalige Stadtregent, fällte um 1225 den wohl folgenreichsten Investitionsentscheid in der Geschichte Basels: Er liess die Mittlere Rheinbrücke errichten. Seither verbindet dieses Bauwerk nicht nur Gross- und Kleinbasel. Es steht auch sinnbildlich für eine weltoffene, auf friedlichen Handel und Wandel erpichte Polis. Die Integration von Menschen und Ideen aus allen Himmelsrichtungen, die Innovation als wirtschaftliche Triebfeder und die Pflege politischer Stabilität prägen seit dem Brückenschlag das Entwicklungsmodell Basels.

    Basel und die Region brauchen ein gemeinsames Projekt, um sich zu finden, aber auch, um sich auf die Landkarte zu setzen – zum Beispiel eine Expo 2025 zum 800-jährigen Jubiläum des Brückenschlags über den Rhein.

    Dieses Entwicklungsmodell könnte die nächste Landesausstellung inspirieren, denn es ist für die Schweiz im 21. Jahrhundert wegweisend. Am Vorabend des 2. Weltkriegs war es Zürichs Fluidum, die Besinnung auf eigene Stärken, die 1939 der nationalen Nabelschau ihren Stempel aufdrückte. Die Expo Lausanne 1964 markierte den Aufbruch der Schweiz in eine technikgläubige Wohlstandsgesellschaft.

    Anfangs dieses Jahrhunderts, an der Expo 2002, war angesichts mannigfaltiger sozialer und ökologischer Krisen Nachhaltigkeit die Lösung. Diese wurde seltsamerweise so verstanden: Am Ende musste die ganze Landschaft um Neuenburg, Murten, Biel und Yverdon wieder in den alten Zustand zurückversetzt werden – als ob nichts geschehen wäre.

    Die heutige Schweiz hat grösste Mühe mit der notwendigen Öffnung für Europa und die Welt. Sie hat Angst, unterzugehen, ihre Identität zu verlieren. Der Beitritt zur EU ist dabei eher eine Nebenfrage. Wichtig ist die tatsächliche Kooperation mit Partnern in der Nachbarschaft und in Übersee, wie sie die Wirtschaft zwar praktiziert, der durchschnittliche Bürger aber gerne ignoriert. Unter dem Motto «Weltoffene Schweiz» könnte Basel 2025 – zum 800-jährigen Jubiläum der Rheinbrücke – die Schweiz und die Welt zur nächsten «Landi» einladen. Gemeinsam mit den Nachbarn würde sogar eine «Dreilandi» draus.

    2025 werden die Werke der Internationalen Bauausstellung (IBA) zu besichtigen sein, welche ab November 2011 auf den Weg gebracht werden. Möglicherweise ist Basel dann auch «Kulturhauptstadt Europas». Und hoffentlich lebt es mit dem Baselbiet in Eintracht (ob fusioniert oder nicht).

    Basel und die Region brauchen ein gemeinsames Projekt, um sich zu finden, aber auch um sich auf die Landkarte zu setzen, für die Schweiz und für Europa. Ein solches Projekt mit bedeutender Aussenwirkung trüge viel effektiver und langfristiger zur Geltung Basels bei, als es Lobbying-Stellen in Bern oder PR-Auftritte in Deutschen Städten tun. Die Schweiz, die Welt zu Gast in Basel – ein konstruktiver Plan für die nächste parlamentarische Legislatur.

  • Wo Zürich (nicht) Basel sein will

    Corine Mauch lancierte in Zürich eine Online-«Stadtdebatte». Fast 4000 Diskutierende folgten diesen Monat dem Aufruf ihrer Stadtpräsidentin und loggten sich in die fünf thematischen «Foren» des Mega-Blogs ein. Die gesetzten Bereiche waren: Bauen, Zürichs Grenzen, «Wie wollen wir zusammenleben?», 2000 Watt Gesellschaft und Mobilität. Eines der zeitweise dominanten Sujets, das aus dem Volk kam, war aber ausgerechnet Basel.

    Zürichs Stadtpräsidentin lancierte eine „Stadtdebatte“ und provozierte damit eine Wiedervereinigungs-Diskussion mit umgekehrten Vorzeichen: Was wäre, wenn die Limmatstadt wie Basel als Kanton autonom würde? Das Ergebnis überrascht.

    Das hatten die Veranstalter der Diskussion nicht erwartet: Der Vorschlag einer Bloggerin, die Stadt Zürich vom restlichen Kanton abzuspalten und einen eigenen Stand innerhalb der Eidgenossenschaft zu gründen – einen Kanton Zürich-Stadt – löste heftige Reaktionen aus. Der Hintergrund der Idee ist die Frustration darüber, dass der eher SVP-lastige Kanton im links-grünen Zentrum mitregiert. So möchte das Umland die Stadt gerne offen halten für den motorisierten Individualverkehr, während zahlreiche Stadtzürcher Haushalte – wie in Basel – auf ein eigenes Auto verzichten und sich deshalb als Opfer sehen: Sie leiden unter Unfallgefahren, Abgasen, Lärm und verstopften Strassen.

    Autonomie statt Automanie postulierte eine ganze Reihe Debattierer. Sie forderten die Abspaltung vom Restkanton, um selbstbestimmt entscheiden zu können. Es waren die Gegnerinnen und Gegner dieser Idee, die Basel ins Spiel brachten. Ihr Hauptargument: Am Beispiel von Basel-Stadt sehe man, wie eine Stadt allein ihren Einfluss auf eidgenössischer Ebene verliere. Diese Meinung gewann schliesslich die Oberhand.

    Aus Basler Sicht war es interessant zu verfolgen, wie sehr dieser Gedanke die Gemüter bewegte, obwohl er für Zürich beinahe utopisch klingt. Während wir uns fragen, «was wäre wenn BS und BL fusionierten?», überlegten sich die Zürcherinnen und Zürcher: «Was wäre wenn ZH in Zürich-Stadt (ZS) und Zürich-Land (ZL) zerlegt würde?» Das Ergebnis dieser Wiedervereinigungs-Diskussion mit umgekehrten Vorzeichen war: Auch rot-grüne Autorinnen und Autoren spüren lieber das bürgerlich-bünzlige «Hinterland» im Nacken, als die Zukunft allein bewältigen zu müssen und entsprechend isoliert da zu stehen.

    Dieses Signal ist ernst zu nehmen. Während Basel beispielsweise seit bald zehn Jahren an der ersten Durchmesserlinie der S-Bahn (das sogenannte «Herzstück» unter der Innenstadt durch) herumbastelt und sich engräumig über Varianten streitet, ist in Zürich – mit kräftiger finanzieller Hilfe der Miteidgenossen – bereits der Bau der zweiten Durchmesserlinie im Gang. Zurückzuführen ist dies auf die Finanzkraft, den politischen Willen und die Durchsetzungsfähigkeit des Kantons. Corine Mauchs Diskussion zeigte klar: In diesem Punkt möchte Zürich nicht mit uns tauschen.

  • Basels neustes Kunstmuseum

    Anna Schmid hatte am Dienstag dieser Woche einen guten Tag. Mit einem Glas in der Hand nahm die Direktorin reihenweise Gratulationen entgegen, für ihr neu eröffnetes Museum der Kulturen («MuKu»). Das Wetter spielte mit, weshalb sich das Vernissagen-Volk unter freiem Himmel im Hof und auf dem Münsterplatz zusammenrottete. Jung und alt zirkulierte ab und an in den neuen Räumen und Ausstellungen.

    Das Museum der Kulturen ist das neuste Basler Kunstmuseum. Weitere werden folgen. Und das ist gut so. Basel muss sich auf seine Stärken konzentrieren.

    Ein zufällig herausgegriffener Internet-Auftritt eines Hotels präsentiert den Gästen das «MuKu» wie folgt: «Das Museum der Kulturen ist ein traditionsreiches Völkerkundemuseum am Münsterplatz in Basel. Es gilt als grösstes ethnologisches Museum der Schweiz. Der Kanton Basel-Stadt ist Träger des Museums, welches rund 300 000 Objekte sowie ebenso viele historische Fotografien beherbergt. Die Sammlung umfasst Objekte aus Europa, Altägypten, Afrika, Asien, Altamerika und Ozeanien, darunter ein mehr als 10 Meter hohes Kulthaus der Abelam in Papua-Neuguinea.»

    Viele kamen zum Staunen nicht heraus: Von den im Internet beschriebenen, epochalen Sammlungen, die bis vor wenigen Wochen die Szene im damals heruntergekommenen Bau dominierten, ist fast nichts mehr zu sehen – mit Ausnahme des nach wie vor dominanten Abelam-Zeltes, das beinahe schon Nostalgie-Gefühle weckt. Fast alle restlichen 599 999 Artefakte schlummern – wohlbehütet, nehme ich an – in Kellern und Lagern.

    Schon immer konnte das Museum nur einen Bruchteil seiner Sammlung zeigen. Jetzt ist es noch weniger – ganz bewusst. Die Inszenierung ist minimalistisch, intellektuell anspruchsvoll und äusserst gelungen. Die Besucherin, der Besucher ist Teil der Ausstellung, wird in der Auseinandersetzung mit den Inhalten – in den Worten der Direktorin – «auf sich selbst zurückgeworfen». Genau darauf zielt jedes gute Kunstmuseum ab – seine Werke sollen provozieren, unser ästhetisches Empfinden ansprechen und beeinflussen, uns einen neuen, verdichteten Blick auf die Welt und den Alltag öffnen. Dies ist beispielsweise in der «Muku»-Ausstellung über Chinatown exemplarisch zu erleben.

    Somit wurde am Dienstag in Basel ein neues Kunstmuseum eröffnet – und das ist gut so. Eine kleine Stadt wie Basel kann nicht alles. Die Fokussierung auf Kunst ist sinnvoll. Das Antikenmuseum ist unser Museum der antiken Kunst. Das historische Museum ist ein Museum, das die Basler Geschichte neu aufarbeiten und auch aktualisieren sollte – warum nicht mit dem neuen Ansatz des Museums der Kulturen? Selbst das naturhistorische Museum könnte sich von dieser Idee inspirieren lassen. So wird Basel aus der Europa- in die Weltliga der Kunstplätze aufsteigen. Anna Schmid konnte sich dem Sog der Kunststadt nicht entziehen – die Bevölkerung wird ihren innovativen Ansatz zunächst skeptisch und langfristig begeistert mittragen.

  • Aufgestauter Frust ohne Ventil

    «Olivia» (Pseudonym) reagierte auf mit einem langen Beitrag auf die Kolumne und den Blogbeitrag von letzter Woche («Ist Basel zu dicht besiedelt?»). Es ist nicht der extremste Kommentar einer lebhaften Debatte, die auf www.unserekleinestadt.ch nachzulesen ist. «Olivias» Zeilen zeugen von einer tiefen Frustration: «Viele Quartiere sind nur noch Ghettos, ungepflegt, dreckig und verwahrlost. Diese Verwahrlosung ist eine Seuche, welche die ganze Stadt lahmgelegt hat, sogar die Freie Strasse ist dabei zu verlottern. Es tut einem weh, diesen Verfall der letzten 30 Jahre zu beobachten und gleichzeitig den politischen Unwillen zu sehen, etwas daran zu ändern. (…) Basel muss die Armut, die in ihr grassiert bekämpfen. Das sollte Priorität Nummer eins sein. Armut bekämpfen heisst hierbei nicht, arme Leute zu verstecken, sondern ihnen die Hilfe zukommen zu lassen, dass die Stadt nicht verwahrlost.»

    Unter der glatten Oberfläche einer prosperierenden Stadt brodelt es. Opfer des Wandels melden sich zu Wort, einige nur genervt, andere wütend oder resigniert. Was tun?

    «Karl» antwortet «Olivia»: «Es ist einiges wahr, was Sie hier schreiben. (…) Es reicht nicht, nur Geld zu verteilen, es braucht Investition in Bildung, nicht in BMWs. Aber von Armut zu sprechen – da würde ich vorsichtiger sein. Es gibt Leute, die ihre Miete nicht bezahlen, und deren Kinder haben dennoch i-Phones in ihren Taschen. (…) Vor allem ist die Gleichgültigkeit erschreckend, wie gegenüber dem eigenen Quartier keine Verantwortung wahrgenommen wird. Da braucht es mehr Durchmischung, und die kann nur vonstatten gehen, wenn bessere Wohnqualität erstellt wird (…).»

    Relativierend und zugleich bestätigend schreibt ein weiterer Blogger: «Obwohl ich zu den etwas ‘besseren’ Steuerzahlern gehöre, wohne ich (mit Kindern) im Matthäusquartier. Wenn ich abends vom Ausgang nach Hause zurückkehre, laufe ich dem unteren Rheinweg entlang. (…) Probleme hatte ich nie und ich wohne schon seit Jahren hier. Darüber hinaus war das Matthäusquartier schon immer ein Quartier der einfachen Leute. Früher waren dies die Opfer der Industrialisierung, heute sind es Ausländer (damit wir Schweizer ein Leben im Mittelstand führen können). Und ja, auch ich finde es ein wenig ärgerlich wenn die Bedienung im Restaurant fast kein Deutsch, dafür umso besser Türkisch spricht, Gelfrisuren im tiefer gelegten 3er BMW durch das Quartier düsen und Alkis am Strassenrand rumlungern. (…) Aber wieso erzähle ich Ihnen das alles? Vielleicht sehen Sie ja, dass in Basel vieles übertrieben wird (besonders von den ‘wahren‘ Baslern).»

    Unabhängig davon, wo genau die Wahrheit liegt: Die Politik unternimmt zu wenig, um Frustrationen zu verstehen, die sich zumindest verbal ausbreiten. Schon allein diesem tief besorgten Teil der Bevölkerung systematisch ein Ohr zu leihen, wäre ein positiver erster Schritt. Ein regelmässiger Stammtisch am Ort des Geschehens, mit verantwortlichen Behörden, wo Klagen möglich wären, erleichterte das tägliche Zusammenleben, würde die Stimmung in unseren Strassen aufhellen und nicht zuletzt die Stadtentwicklung befruchten.

  • Kein schlechter Patriot

    André Mislin, Chef von Coop Nordwestschweiz, ist ein motivierender und erfolgreicher Manager. Auch harte Konkurrenz vermag seine Stirn nicht in Falten zu legen. Sie treibt ihn vielmehr zu Höchstleistungen an. In seiner jahrzehntelangen Karriere als Detailhändler hat er jedoch noch nie eine Herausforderung erlebt, wie sie sich am 1. August im grenznahen Ausland zeigte: BL, BS, BS, LÖ, LÖ, BL, LÖ, BS, BL, BS. So las sich schon morgens um 11 eine willkürlich herausgegriffene Reihe von Autokennzeichen entlang der dicht befahrenen Einkaufsmeile in Weil am Rhein.

    Wirtschaftsführer rufen dazu auf, trotz starkem Franken im Inland zu shoppen, um den Schweizer Detailhandel zu stützen. Weshalb das Einkaufen jenseits der Grenze für Basler selbst am Nationalfeiertag kein unpatriotischer Akt ist, erklärt unser Blog.

    Vor den Kassen der dortigen Shoppingcenter, Apotheken, Bioläden, Elektrofachgeschäfte, Modeboutiquen, Optiker und Buchhandlungen traten sich am Nationalfeiertag Schweizerdeutsch parlierende Paare und Familien gegenseitig auf die Füsse. Sie kauften üppig ein, zu Preisen, die durchschnittlich 30 bis 40% unter dem Niveau von Basel lagen – bei gleicher Qualität. Viele verlangten eine Ausfuhrbescheinigung. Mit etwas bürokratischem Aufwand lassen sich damit – dank Mehrwertsteuer-Rückerstattung – die Kosten um weitere 10% drücken.

    Zur Feier des Tages trugen manche Einkaufstouristen rote T-Shirts mit Schweizerkreuz. Tatsächlich ist kein schlechter Patriot, wer im nahen Ausland einkauft. Ein solcher Schweizer pflegt im Gegenteil die typisch eidgenössische Tugend der Sparsamkeit. Wer seine Kaufkraft mit Hilfe des schwachen Euro aufpeppt, nutzt einen Standortvorteil, der in keinem Regionen-Rating vorkommt: Die Grenzlage vergünstigt nicht nur die Mieten der Baslerinnen und Basler, sondern auch ihren täglichen Konsum. Anders als Einkaufstouristen aus Bern oder Zürich, erreichen sie ihr Ziel bequem in 15 Minuten per S-Bahn, Fahrrad, Bus oder Auto.

    Am 1. November kommt dann der Gegenbesuch: Seit Jahrhunderten sind Innenstadt und Herbstmesse an Allerheiligen fest in den Händen unserer katholischen Nachbarn. Auch diese Visiten stärken das Gemeinsame, die wirtschaftliche Verflechtung, das Kennenlernen. So fallen beim Shoppen in Weil nebenbei die Plakate des lokalen Veranstalters www.kieswerk-open-air.de auf. Weshalb nicht einen Katzensprung zu diesem Festplatz wagen, wo allabendlich für 7 Euro ein Kinofilm, Konzerte und Kulinarisches auf dem Programm stehen?

    Auch die Basler Zeitung ist übrigens in Deutschland erhältlich: Sie kostet zwei Euro, umgerechnet 2 Franken 20, also 60 Rappen weniger als am Erscheinungsort. Bald heisst es: Für die BaZ rasch nach Binzen. Wir können gespannt sein, was sich André Mislin gegen die Grenzüberschreitungen seiner Kundschaft ausdenkt. In der Zwischenzeit geniessen wir guten Gewissens die schöne Erkenntnis: Preisdifferenzen gehören zu den kleinen Unterschieden, die Völker seit jeher verbinden. Erst recht in der Region Basel.