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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Basel

  • Ein Hochhaus fürs Grossbasel

    Die Kontroverse um das geplante Parkhaus beim Kunstmuseum hat eine neue Wendung genommen. Jetzt liegt der Plan auf dem Tisch, 300 Parkfelder unter einem Neubau zu platzieren, den die Swisscanto an der Dufourstrasse 9/11 zu errichten gedenkt. Die Akzeptanz ihres Vorhabens testet die Grundeigentümerin gegenwärtig mit einem «generellen Baubegehren».

    Es ist ein erklärtes Ziel der Basler Regierung, den Wohnungsbau auf geeigneten Parzellen durch Verdichtung zu fördern. Jetzt bietet sich dafür – direkt bei der Grossbasler Altstadt – eine perfekte Gelegenheit.

    Viel interessanter als die Diskussion der Parkhausfrage erscheint mir der Blick auf die oberirdische Struktur. Swisscanto will das Bürohaus aus den 50er-Jahren durch einen Neubau mit Läden, Büros und 26 Wohnungen ersetzen. Dieser Vorschlag trägt dem besonderen städtebaulichen Potenzial der Lage kaum Rechnung. Es ist ein erklärtes Ziel der Basler Regierung, den Wohnungsbau auf geeigneten Parzellen durch Verdichtung zu fördern. Dies gilt ganz besonders für Orte, die durch den öffentlichen Verkehr gut erschlossen sind und nahe an Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Arbeitsplätzen, Freizeiteinrichtungen und anderen städtischen Infrastrukturen liegen.

    Da die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner nur kurze Wege zurücklegen müssen, kann zentrales Wohnen die Verkehrsbelastung deutlich reduzieren helfen. Die Innenstadt lässt sich auf diese Weise beleben, und das lokale Gewerbe gewinnt neue Kundinnen und Kunden.

    26 Logis sind daher für die Dufourstrasse 9/11 deutlich zu wenige. Es hätten auf diesem Gelände weit über 100 Wohnungen Platz – in einem vielleicht 50 Meter hohen Turm. Diese Höhe würde es erlauben, auf dem Grundstück trotz Verdichtung Raum frei zu halten für einen lauschigen, öffentlichen Kleinpark zum Museumsneubau hin. Zudem ist es nicht egal, was im Erdgeschoss eines Hauses geschieht, das in unmittelbare Nachbarschaft einer Kunststätte von globalem Rang zu stehen kommt. Beispiele für öffentliche Nutzungen an dieser Stelle wären ein Galerienzentrum, Verkaufslokale für die Kreativwirtschaft oder experimentelle Räume.

    Doch zurück zum Hochhaus: Dieses würde einen wünschenswerten Akzent in der Silhouette des Grossbasel setzen. Besonders reizvoll wäre der Dialog des neuen Gebäudes mit den Türmen von Münster und Elisabethenkirche, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, aber auch mit dem 70 Meter aufragenden Lifescience-Forschungszentrum der Universität Basel am anderen Ende der Altstadt, beim Schällemätteli.

    Eher früher als später wird auch das Klinikum II des Unispitals ersetzt, dessen Grundstrukturen eine zeitgemässe Renovation kaum mehr zulassen. Auch dieser Neubau wird nicht mehr – wie der heutige – ein klein wenig, sondern deutlich über die Dächer der Altstadt hinausragen. Damit würden neue Orientierungspunkte gesetzt. Und die Turmlandschaft, die gegenwärtig auf der Kleinbasler Rheinseite in den Himmel wächst, erhielte ein ansprechendes Gegenüber.

  • Velostadt jetzt!

    Das Sommertheater um die Verzögerung der Mietvelostationen in Basel ist nur die Spitze des Eisbergs. Es ist das (vorläufig) letzte Kapitel eines Trauerspiels, das in eine vertane Chance münden könnte.

    Basel war, was Veloförderung betrifft, einmal europäische Spitze und fand weltweit Beachtung. Dann begannen uns andere Städte um die Ohren zu radeln. Noch ist die Velostadt aber nicht verloren. (Bild: Keystone)

    Es war einmal die Velostadt Basel. Fahrradfahren war schon in den 70er-Jahren populär, selbst unter Regierungsräten und Firmenchefs. Kurz darauf gab es erste Kredite zum Ausbau der Radwege und –spuren. Das Veloparking am Bahnhof SBB – obwohl von Anfang an zu klein geraten – war in seiner Art eine Pioniertat. Käufer von E-Bikes erhielten während über einem Jahrzehnt staatliche Zuschüsse.

    Das kommt nicht von ungefähr, hat doch Basel alle erdenklichen Vorteile für Velos: Vorwiegend flaches Gelände, breite Hauptstrassen, mildes, relativ regenarmes Klima und Mitnahmemöglichkeiten von Fahrrädern in Bus und Tram.

    Dann begannen andere Städte Basel um die Ohren zu radeln. Sie entdeckten das Velo als Verkehrsträger und bauten die Radwege systematisch aus. An neuralgischen Stellen wurden besondere Sicherheitsvorkehrungen für Fahrräder eingeplant, während in Basel die meisten Velostreifen genau dort enden, wo es für Zweiräder gefährlich wird. Grüne Welle für Velos? In Kopenhagen Alltag, bei uns unbekannt! E-Bike Sharing? In Zürich bald Realität, in Basel ein Fremdwort! Veloverleih? In den Kinderschuhen!

    Veloparkfelder wurden in den letzten Jahren höchstens punktuell vermehrt, öfter vergessen und sind heute teilweise hoffnungslos überstellt. Von hindernisfreien Fernverbindungen in die umliegenden Täler träumen wir noch, während andere Städte Langstrecken-Radpendlern mit «Veloautobahnen» den roten Teppich auslegen. Bei Schneefall werden diese Trassen als erste gepflügt. Muss Basel einmal pflügen, liegt der Schneematsch mancherorts tagelang auf den Velostreifen.

    Die Gründe für die weltweite Velo-Euphorie sind offensichtlich: Weniger Umweltverschmutzung, gesund bewegte Bevölkerung, Entlastung des individuellen motorisierten und des öffentlichen Verkehrs, bessere Klimabilanz. Und es kommt erst noch billiger, sowohl für den Staat als auch für Firmen und Private.

    Als eine global beachtete Erfolgsgeschichte der Stadtplanung und Tourismus-Magnet ist das Thema Velostadt geeignet, wie kein anderes. Sowohl in Paris als auch in Berlin wird jede Fremde sofort darauf aufmerksam gemacht, wie toll das Angebot für Fahrräder sei (in der Realität zeigen sich erste positive Ansätze). Tatsächlich gerechtfertigt ist das Prädikat Velostadt hingegen in Münster (Nordrhein Westfalen) oder Freiburg im Breisgau.

    Basel hat noch ein, zwei Jahre, um diesen Zug beziehungsweise dieses Bike nicht zu verpassen. Die Ausgangslage ist immer noch gut, aber die Taten sind zu wenig strategisch, zu punktuell und beanspruchen zu viel Zeit. Es braucht einen Ruck, der durch alle Parteien geht für eine Velostadt Basel jetzt!

  • Erschreckendes Echo – was tun?

    Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch verkündete vorletzten Samstag in der Live-Unterhaltungssendung «SF bi de Lüt», was sie gerne als Beweis für die Weltoffenheit der Limmatstadt anführt: «In Zürich leben 60% Menschen mit Migrationshintergrund.» Wie kommt das an?

    Neben der Integration traditioneller Einwanderer und – neuerdings – von so genannten «Expats», kommt heute die dritte Säule der Integrationspolitik zu kurz: die Bekämpfung von Ausländerfeindlichkeit. …

    Die Zusammensetzung der Basler Bevölkerung ist ähnlich wie jene von Zürich: Ein Drittel Ausländer, ein Drittel Schweizer mit Migrationshintergrund und ein Drittel Schweizer mit Schweizer Vorfahren. Dass der Anteil der ausländischen Bevölkerung in Basel-Stadt soeben die Marke von einem Drittel erreicht hat, bildete den Hintergrund meiner Kolumne von letzter Woche. Auf dem Blog www.unserekleinestadt.ch löste diese Tatsache neben sachlichen Reaktionen auch erschreckende Tiraden gegen Einwanderer aus.

    «Franz Müller» beispielsweise, erinnert sich zuerst an «früher»: «Bunt gemischt hatte es Italiener, etwas Spanier und Jugos, das war’s dann auch schon. Die fielen weder auf noch ab, fast alles ruhige Bürger, die alle brav schafften. Heute? Du meine Güte, so viel Littering allenthalben, farbige Männer, die auch tagsüber herumlungern, was machen die bloss, von was leben die denn?» Selbst wenn sich hinter dem Namen «Franz Müller» ein anonym schreibender Provokateur verbergen sollte: Es ist unbestreitbar, dass so geredet wird.

    Ein «Alfred Brand» bringt subjektiv wahrgenommene, negative Entwicklungen in Verbindung mit Ausländern. Die Beweise für die suggerierten Zusammenhänge bleibt er schuldig: «Wenn ich früher am Wochenende um 02.00 Uhr den Bierkeller verlassen habe, konnte ich zu Fuss völlig unbehelligt nach Kleinhüningen gehen. Überfälle? Die gab es damals nicht (oder nur ganz selten), so einfach ist das! Der einzige «Hotspot» war schon damals der Schützenmattpark.»

    …Dazu gehört, die Frustrationen und Ängste der Ausländerfeinde ernst zu nehmen. (Bilder: Plakate der Antirassismuskampagne von gra.ch)

    «Matthias Bosshard» fühlt sich als Basler isoliert: «Es reden immer alle von Integration, in Wirklichkeit sollen wir uns mittlerweile anpassen.» Manche andere Blog-Beiträge konnten aus Anstand nicht einmal freigeschaltet werden.

    Was tun? Verschweigen ist bestimmt die falsche Strategie. Es reicht auch nicht, wie Corine Mauch den Spiess umzudrehen und die Dominanz der Menschen mit Migrationshintergrund als Qualitätssiegel oder Erfolgsfaktor anzupreisen.

    In aller Munde ist die Integration traditioneller Einwanderer und – neuerdings – von so genannten «Expats». Die dritte Säule der Integrationspolitik kommt hingegen zu kurz: Die Bekämpfung von Ausländerfeindlichkeit. Dazu gehört, die Frustrationen und Ängste der Ausländerfeinde ernst zu nehmen. Als wirksamstes Mittel gegen Xenophobie identifizierte der Genfer Migrationsforscher Prof. Sandro Cattacin die persönliche Begegnung zwischen Bevölkerungsgruppen aus unterschiedlichen Nationen. Finden diese die nötige Unterstützung?

  • Massenbewegung mit Umzugswagen

    Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg erreicht Basel-Stadt, laut soeben veröffentlichten, neuste Zahlen, einen Ausländeranteil von über einem Drittel, genau 33,8%. Dieser Wert stieg seit Jahren kontinuierlich an. Denn es zogen mehr Ausländer zu als weg und mehr Schweizer weg als zu. Ausserdem sterben viel mehr Eingeborene, weil sie im Durchschnitt deutlich älter sind. Manche von ihnen kamen als Ausländer nach Basel und sterben als Schweizer.

    45 000 Menschen zügeln jährlich innerhalb Basel-Stadt oder über die Kantonsgrenze. Während Jahren zogen mehr Ausländer zu als weg und mehr Schweizer weg als zu. Deshalb ist jetzt jeder dritte Basler Ausländer. Ein Meilenstein, der zu denken gibt. (Bild: Matthias Willi)

    In einer wichtigen Altersgruppe stellen die Ausländerinnen und Ausländer in Basel-Stadt gar die Mehrheit, und zwar bei den 30- bis 40-jährigen. In dieser Lebensphase bekommen viele Paare das erste und das zweite Kind. Dennoch leben in Basel-Stadt deutlich mehr Schweizer Kinder als Ausländerkinder.

    Offenbar sind viele Ausländer in erster Linie zum Arbeiten hier. Oder sie ziehen weg, sobald sie eine Familie gründen. Diese Annahmen werden durch eine weitere Zahl erhärtet: Ab Alter 50 schrumpft der Ausländeranteil drastisch. Es liegt nahe, dass hier Einbürgerungen und Abwanderung eine wichtige Rolle spielen.

    Basel dient offenbar nach wie vor als Motor für sozialen Aufstieg. Einmal etabliert, bewerben sich viele Ausländerinnen und Ausländer um den Schweizer Pass. Doch es gibt auch eine harte Selektion: Wer nicht reüssiert, zieht rasch weiter. Davon leben die Umzugsfirmen nicht übel. In den letzten zwölf Monaten beispielswiese, verliessen laut Statistischem Amt rund 13 000 Menschen den Kanton. 14 000 zogen in der gleichen Periode zu. Das ist schon fast eine Massenbewegung. Dazu kommen noch gegen 18 000, die innerhalb des Kantons zügelten. Zusammen sind das 45 000, die eine neue Wohnung suchten, fanden und bezogen. Dies entspricht beinahe der ganzen Kleinbasler Bevölkerung – in einem einzigen Jahr!

    Bei Domizilwechseln innerhalb des Kantons waren zwar überproportional viele Ausländer beteiligt, aber die Mehrzahl waren Schweizer. Beim Wegzug über die Kantonsgrenze hinweg, ist die Zahl der Ausländer deutlich höher als jene der Schweizer, obwohl die Ausländer nur einen Drittel der hiesigen Bevölkerung ausmachen. Das heisst: Ausländer ziehen nicht nur fleissig nach Basel, sondern im Vergleich zu den Schweizern etwa drei Mal so häufig wieder weg.

    Die nackte Zahl – wir haben jetzt ein Drittel Ausländer – sagt also wenig aus. Es gibt Ausländer, die rasch wieder das Weite suchen und andere, die bleiben. Viele sind hier schon lange etabliert. Ihr Blickwinkel ist wertvoll: Weil sie sich aktiv um Basel bemüht haben, kennen sie den Kanton von einer anderen Seite als Alteingesessene. Diese Ausländer sollten wir ermutigen, Schweizer zu werden. Zum Beispiel, indem sie Gelegenheit bekommen, bereits fünf Jahre vor dem regulären Einbürgerungsdatum mindestens kantonal das Stimm- und Wahlrecht auszuüben.

  • Das Traumpaar Basel & Biel

    Alle reden von der Krise. Wie die Südeuropäische Jugend wirtschaftlich ausgehungert und ihrer Zukunft beraubt wird, hat Dimensionen angenommen, die mit der Menschenwürde nicht mehr vereinbar sind. Die Schweiz schwimmt oben auf, als eine Insel der Seligen.

    Das Vermögen der Volkswirtschaften in der Region Basel-Biel nimmt trotz Krise deutlich und überdurchschnittlich zu. Hier konzentrieren sich Reichtum und Macht nicht nur während der «Basel World». Dass kaum jemand Notiz davon nimmt, hat einen guten Grund. (Bild: Keystone)

    Und auf dieser Insel gibt es einen Garten, dessen Blumen einen geradezu paradiesischen Duft verströmen: Die Region Basel-Biel. Das ist die Heimat der einzigen beiden Schweizer Branchen, die heute höhere Exporte aufweisen als vor Beginn der Krise: Chemie/Pharma bestreitet gegenwärtig rund 37 Prozent, Uhren/Präzisionsinstrumente etwa 18 Prozent der Ausfuhren. Die prosperierende Wirtschaft der Region ist verantwortlich dafür, dass unser Land seit zehn Jahren einen Handelsbilanz-Überschuss aufweist, nachdem zuvor ein Jahrhundert lang Handelsbilanz-Defizite resultierten.

    Mit anderen Worten: Das Vermögen der Volkswirtschaften in unserer Ecke der Schweiz nimmt weiterhin deutlich und überdurchschnittlich zu. Reichtum und Macht verlagern sich zunehmend hierher. Der einzige Grund, weshalb dies nicht deutlicher spürbar ist, ist die fehlende Kooperation zwischen den beiden Polen Basel und Biel. Auf der direkten Eisenbahn-Verbindung gibt es nicht einmal eine durchgehende Doppelspur, dafür eine Spitzkehre in Delémont. Mit dem Auto ist der Weg noch mühsamer. In Kultur, Politik und Wirtschaft ist das Bewusstsein des gemeinsamen Schicksals wenig ausgeprägt.

    Wenn es in der Schweiz ein Erfolgsmodell für Standortförderung durch Kooperation gibt, dann ist es der «Arc Lémanique» (auf Deutsch: Der Genferseebogen). Noch vor 15 Jahren waren sich die Regionen Genf und Lausanne so fremd wie Basel und Biel – und dazu noch spinnefeind. Es brauchte die Initiative von klugen Politikerinnen, Managern und der Hochschulen, um diesen Bann zu brechen. Und ein Denken in Zusammenhängen: Jede Stadt für sich allein hatte kein Brot in Bern, hatte einen zu kleinen Arbeitsmarkt, um international zu bestehen, konnte keine Bildungsinstitutionen finanzieren, die für Spitzenkräfte attraktiv waren. Zusammen erreichten Genf und Lausanne die kritische Masse, welche die Voraussetzung bildeten, um solche Barrieren zu überwinden.

    Ebenso sind Basel und Biel natürliche Verbündete. Und sie haben gemeinsame Interessen. Obwohl doppelt so weit entfernt, übt Basel auf Biel wirtschaftlich und kulturell eine deutlich grössere Anziehungskraft aus als Bern. Auf einen gemeinsamen Nenner bringt dies die jährliche Uhren- und Schmuckmesse Basel World. Basel hat starke Logistikangebote sowie gute Verkehrsverbindungen zu bieten – ausser nach Biel. Neben einer schnellen, direkten Bahnlinie könnten gemeinsame Institutionen, zum Beispiel in der Bildung oder im Gesundheitswesen, die Kooperation befeuern. Der Jura kann ja auch verbinden, anstatt wie heute zu trennen.

  • Wenn Zürich leidet, muss Basel bluten

    Der ehemalige Swiss-Chef Christoph Franz stieg nicht ohne Grund zum Vorstandsvorsitzender der Lufthansa auf. Dort blieb er seinem Erfolgsrezept treu, mit dem er die Schweizer Tochter saniert hat: Konzentration auf wenige, grosse Flughäfen. Alle anderen Destinationen wird er hingegen als geduldige Kühe nach Belieben zuerst melken und dann schlachten.

    Der ehemalige Swiss-CEO und heutige Lufthansa-Chef Christoph Franz (Bild) treibt ein gefährliches Spiel: Seine Airline krempelt die Flugpläne ab Basel nach Belieben um. Alles orientiert sich am Drehkreuz Zürich. Doch zukunftsträchtige Alternativen sind im Aufbau. (Bild von Keystone)

    Die jüngsten Opfer sind die Strecken Basel-Kopenhagen und Basel-Budapest. Die Strategie war immer dieselbe: Man betreibt ab Basel eine sehr beliebte Verbindung, die rentiert. In Zürich ist dieselbe Destination zwar gut ausgebaut, leidet aber unter zu tiefer Belegung. Um die Linie ab Zürich wirtschaftlicher zu gestalten, streicht die Swiss die Verbindung ab Basel. Im Fall von Budapest sollen jährlich 15 000 Passagiere gezwungen werden, über Zürich zu reisen, um die Auslastung der dortigen Flüge zu steigern.

    Laut BaZ weist der Swiss-Kundendienst Beschwerdeführer pflichtschuldig auf die Existenz einer Bahnverbindung von Basel nach Zürich Flughafen hin. Dieser Transfer sei von der Airline sogar «gesponsert». Dasselbe würde allerdings auch für den zeitlich genau gleich langen Katzensprung von Zürich nach Basel EuroAirport gelten.

    Wie es anders geht, zeigt das Beispiel Genf. Dort bietet die Swiss in einem ähnlich grossen Einzugsgebiet wie Basel ein Vielfaches an Verbindungen an. Denn eine Verlagerung nach Zürich kommt dort nicht in Frage.

    Es ist wichtig, dass Basel diese Herausforderung annimmt. Mit der Rivalität zwischen den beiden grossen Deutschschweizer Zentren hat das Thema aber nichts zu tun. Es geht viel mehr um Verkehrsprioritäten.

    Was die Swiss in Europa am meisten fürchtet, ist die Konkurrenz der Schiene. Und da hat Basel eine unvergleichliche Stellung. «Für Flüge – die Bahn», könnte bald ein Slogan lauten. Demnächst sind zahlreiche Zentren ohne den Umweg über die Stratosphäre schneller erreichbar – und dazu umweltfreundlicher, bequemer und auch für Geschäftsleute produktiver: Vor der Fertigstellung steht der letzte Teilabschnitt des der TGV Rhin-Rhône (2h40 bis Paris, 5h bis Marseille, 5h30 bis London, Letzteres inklusive Bahnhofswechsel in Paris). 2016 geht die NEAT in Betrieb (3h bis Milano). Bald darauf folgen die Ausbauten Richtung Frankfurt (3h30 bis Köln) und Schaffhausen (4h bis München).

    Ausbaufähig ist das Netz angenehmer Nachtzüge – Richtung Wien, Budapest, Moskau, Kopenhagen, Amsterdam, Rom oder Barcelona. Die Verkehrspolitiker der Region sind gefordert, primär mit den SBB einen langfristig stabilen und verlässlichen Fahrplan auszuhandeln. So bald die  jährlich 15 000 Passagiere nach Budapest eine günstige Alternative haben, muss auch die Swiss reagieren.

  • Die Taxi-Revolution

    Jetzt, wo die Uhren- und Schmuckmesse «Basel» vorbei ist, stehen sie wieder trist herum, die vielen Basler Taxis. Vor dem SBB-Bahnhof bilden sich unendliche Kolonnen. An jedem Standplatz dösen mehrere Karossen vor sich hin.

    Taxis sind heute vorwiegend gross, dumm, teuer und stehen meist herum. Die Zukunft gehört den kleinen, schlauen, günstigen und rollenden Taxis. Sechs Regeln sind dafür zu beachten.

    Als ich anfangs Woche für eine kurze Strecke einstieg, bekam ich gleich die Quittung in Form eines bösen Blicks, der mir sagen wollte: Jetzt bin ich über eine Stunde in der Schlange gestanden, um für 13 Franken um die Ecke zu fahren. Das erste, kurze Lächeln erzeugte erst mein nettes Trinkgeld.

    Es ist ein Widersinn: Taxis sollten Mobilität ermöglichen, stehen aber die meiste Zeit still. Sie sind teuer und stinken – drinnen nach Duftbäumchen, draussen nicht selten nach Dieselruss.

    Kaum ein Taxifahrer hat eine gute Meinung über den Autoverkehr. Alle finden, es habe zu viele Privatwagen, die herumkurven. Manche träumen laut von «Road pricing“» besonders, wenn sie in einer Schlange stehen oder an einer Ampel. Natürlich gibt es in ihren Augen auch zu viele Taxis. Der Kanton verteile grosszügig Lizenzen an unbedarfte Kolleginnen und Kollegen. «Früher war alles besser,» ist die meist gehörte Formel.

    Es sind aber die Taxifahrer selbst, die den entscheidenden Beitrag an die Mobilität ihres eigenen Gewerbes und der Bevölkerung leisten könnten. Ein paar Regeln würden helfen:

    1)   Nur noch Taxis mit neusten Abgasnormen (zum Beispiel Euro 4) dürften zirkulieren. Es braucht vor allem viel mehr kleine, wendige und schadstoffarme Wagen.

    2)   Sauberkeit innen und aussen ist Geschäftsbedingung.

    3)   Die Autos müssen rollen: Deutlich tiefere Preisen führten zu höheren Frequenzen. Wenn es billiger wäre, würden mehr Leute Taxi fahren, die sonst ihr eigenes Auto benützen und einen teuren Parkplatz berappen.

    4)   Das Taxi wird so zu einem wichtigen Standbein des öffentlichen Verkehrs und könnte auch dessen Spuren benützen, inklusive Tramspuren.

    5)   Es braucht nur noch eine einzige, kleine Taxi-Zentrale für Notfälle und wenn jemand kein Smartphone hat. Alle anderen Bestellungen würden über Apps ablaufen, die den nächst gelegenen, mit einem schlauen Bordcomputer bestückten Wagen aufbieten.

    6)   Alles könnte über ein Taxigesetz geregelt werden, da die Preise und Zulassungen ohnehin staatlich vorgegeben sind.

    Das gelbe vom Ei wäre, wenn alle Taxis die gleiche Farbe hätten und damit im Strassenbild sofort erkannt würden. Wie wär’s mit rot-blau?

  • Sex and the Fasnacht

    Guy Morin eröffnete am Dienstag im Kongresszentrum die «Global Energy Basel». Diese weltweit führende Konferenz für nachhaltige Infrastruktur-Finanzierung brachte 300 Fachleute aus 40 Städten und 30 Ländern nach Basel. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie eine energieeffiziente Zukunft mit deutlich reduzierten Klimagas-Emissionen finanziert werden kann. Neben harter Arbeit am Thema, ist ein solches Treffen immer auch eine gute Gelegenheit, um sich in Pausen oder bei Essen über Sitten und Gebräuche in anderen Weltgegenden auszutauschen.

    Das letzte Tabu im sonst vorwärts und rückwärts analysierten, grössten Volksbrauch Basels ist die erotische Seite der Fasnacht. Man könnte den Eindruck gewinnen, die «drei seenschte Dääg» kämen ohne die «schönste Nebensache der Welt» aus. (Bild: keystone)

    So kam das Gespräch auf die bevorstehende Fasnacht. «Die Fitnesszentren in Basel müssen überfüllt sein», bemerkte eine Abgeordnete des Karibikstaates Trinidad-Tobago. Dieser Einwurf löste grosses Gelächter aus. In Trinidad-Tobago wie auch in Brasilien und anderen Ländern dieser Region ist die Hauptattraktion der Fasnacht, möglichst viel Haut zu zeigen und zu sehen. Die Erotik, inspiriert von Musik und Tanz, steht im Mittelpunkt. Knutschende Paare gehören zum Bild wie in Basel Laternen und Räppli. Wenig erstaunlich, dass die Menschen in den Wochen vor dem grossen Fest überflüssige Pfunde weghungern und ihren Körper auf Kraftstationen stählen.

    Ganz anders in Basel: Hier zeigt man an der Fasnacht so wenig Haut wie möglich. Sogar weniger als im Alltag. Niemand geht vorher ins Fitnesscenter. Erotisch aufgeladene Sprüche sind zwar möglich, aber eher selten. Kostüme mit sexuellen Anspielungen finden sich hauptsächlich auf Waggis-Wagen. Derbes und Anzügliche ist in Basel eher eine Randerscheinung, vor allem auch im Vergleich mit der expliziten Freizügigkeit der Fasnacht in der Ostschweiz oder am katholischen Unterrhein.

    «Sex und die Fasnacht» ist wohl das letzte Tabu im sonst vorwärts und rückwärts analysierten, grössten Volksbrauch Basels. «S glemmt», das Motto der Fasnacht 2012, gilt vielleicht nicht für alle Reisverschlüsse, aber kaum jemand spricht darüber. Man könnte den Eindruck gewinnen, die «drei scheenschte Dääg» kämen ohne die «schönste Nebensache der Welt» aus. Die erotische Fasnacht lebt, vor allem nach Mitternacht und mit ein paar Gläsern Wein oder Bier als Nachhilfe, aber wir haben noch nie ein solches Bild in der Zeitung gesehen. Von Rio, aber auch von Will (SG) gibt es diese Reportagen Jahr für Jahr.

    Für die Basler Fasnacht werden nicht alle Regeln ausser Kraft gesetzt, wie anderswo, sondern neue Regeln kommen hinzu. Die Fasnachtsregeln. Diskretion, symbolisiert durch die «Larve», ist der Fasnacht Lebenselixier. Das «Über die Schnur hauen» wird nicht propagiert, sondern gelebt, kultiviert – und verschwiegen. Manchmal braucht es einen internationalen Kongress, um sich das in Erinnerung zu rufen.

  • Lobbying als Polit-Manöver

    Sebastian Frehner will mit seiner neuen «Parlamentarischen Gruppe Region Basel» Nordwestschweizer Anliegen unter der Bundeshauskuppel besser vermarkten. Der Basler SVP-Nationalrat versammelt dafür nicht etwa alle Abgeordneten des Einzugsgebiets unter einem Dach, sondern nur ein paar seiner politischen Freunde. Begründung: Die «wirtschaftliche Ausrichtung» der Gruppe entspreche einem traditionell bürgerlichen Anliegen.

    In Bundesbern setzt sich nicht durch, wer das grösste Megaphon hat oder die nobelsten Mittagessen veranstaltet, sondern wem es gelingt, innovative Lösungen in einem hervorragenden Netzwerk zu platzieren. Weshalb die neue Lobby-Gruppe von Nationalrat Sebastian Frehner das Gegenteil erreicht. (Bild von Keystone)

    Dieser Standpunkt ist aus Basler Sicht unverständlich. Die Spitzen der tonangebenden Basler Unternehmen werden nicht müde zu betonen, wie zufrieden sie mit der Wirtschaftspolitik der rot-grünen Regierung sind. Dieser ist es gelungen, alte bürgerliche Kernanliegen zu verwirklichen: Sie hat die Steuern gesenkt, die Pensionskasse einvernehmlich saniert, das Baubewilligungs-Verfahren beschleunigt, Investitionen planerisch angestossen und Schulden abgebaut. Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sind besser als sie unter bürgerlichen Regierungen jemals waren. Es bleibt sein eigenes Geheimnis, weshalb Frehner Wirtschaftskompetenz vorwiegend den Bürgerlichen zuschreibt.

    Frehners Polit-Manöver ist genau so schleierhaft, wie es dumm wäre, wenn sich rot-grüne Abgeordnete einseitig zum Sprachrohr für Sozial- oder Umwelt-Anliegen der Region Basel ernennen würden. Denn es gibt weit und breit kein Bürgertum, das offener ist für gesellschaftliche oder ökologische Ideen als in Basel.

    Wenn die Nordwestschweiz in Bern einen Mehrwert bieten kann, dann gerade bei der Integration sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Ziele. Das wäre ein authentischer Standpunkt, der beachtet würde, wenn ihn alle Parteien der Region gemeinsam trügen.

    Die Kunst des Lobbyings ist es, die eigenen Interessen mit jenen der anderen zu verschmelzen. Frehners Schnellschuss geht hingegen von der Strategie aus, die Nordwestschweiz müsse in erster Linie lauter auftreten. In Bern setzt sich aber nicht durch, wer das grösste Megaphon hat oder die nobelsten Mittagessen veranstaltet, sondern wem es gelingt, innovative Lösungen in einem hervorragenden Netzwerk zu platzieren. Dazu gehört übrigens nicht nur die Bearbeitung des Parlaments, sondern auch der Verwaltung auf allen Ebenen.

    Es ist ein Geben und ein Nehmen, es geht um wechselnde Allianzen, aber erstaunlich oft auch einfach um gute Argumente. In vielen Fällen bleiben die Urheber einer Idee im Hintergrund, gelegentlich treten sie aber auch auf und werden als Persönlichkeiten mit Ausstrahlung und Einfluss erkannt und anerkannt.

    Das alles berücksichtigt Frehners Ansatz nicht, der die Nordwestschweiz eher weiter isoliert als intelligent ans System Bundesbern anschliesst. Ob die Lobbying-Stelle, die das Präsidialdepartement Basel-Stadt daselbst plant, eine bessere Alternative darstellt, ist zur Zeit noch offen.

  • Tettamantis Testament

    Tito Tettamanti ist zurück. Als ehemaliger und neuer Besitzer der Basler Zeitung beherrscht er die wichtigste publizistische Stimme der Region. Der Deal wurde in Zürich angekündigt. Und der neue Eigner heisst weder Sarasin noch von der Mühll, weder Liechtenhan noch Burckhardt, weder Merian noch Vischer und schon gar nicht Faesch.

    Dass die Basler Zeitung zeitweise an Christoph Blocher fiel, ist ein Schwächezeichen des Basler Grossbürgertums. Mit seiner wiederholten Übernahme der BaZ sendet Tito Tetta-manti (Bild) eine wichtige Botschaft vom Ticino an den Rhein.

    Stolze Namen – Schall und Rauch. Das Basler Grossbürgertum hat sich aus dem Wirtschaftsleben mit wenigen Ausnahmen verabschiedet und betätigt sich vorwiegend (und verdienstvoll) mäzenatisch. Die Sarasin-Bank: Verkauft nach Holland und jetzt nach Brasilien. Der Bankverein: Verscherbelt nach Zürich. Die Maschinenfabrik Burckhardt: Transferiert nach Winterthur. Novartis und Syngenta – geführt von US-Amerikanern, im Besitz der ganzen Welt. Die BaZ – ein Tessiner Blatt, dessen Präsident, CEO und Chefredaktor aus Zürich und dem Aargau stammen. Wollte es denn hier niemand haben?

    Auch in der Politik taucht das klassische Basler Bürgertum bloss noch sporadisch auf. Intakt ist hingegen das Engagement der Kader kleiner und mittlerer Unternehmen. Der Freisinn und die CVP überleben knapp dank einer kleinbürgerlichen Basis, die den Karren mit viel Idealismus und Fasnachtsgeist zieht.

    Basel ist trotz alledem eine vitale, weltoffene Stadt, die investiert und Investoren anzieht. Die feiert und festet. Die Sport und kulturelle Blüten treibt. Aber ein Bürgertum, das den öffentlichen Diskurs prägt und trägt, das die Richtung vorgibt und Prioritäten setzt, sucht man vergeblich. Links-grün hat diese Rolle übernommen, ohne sie ganz auszufüllen. Der Mehrheit mangelt es an Machtbewusstsein und Mut. Wären wirklich die Parteiprogramme der Sozialdemokraten und der Grünen ihr Massstab, würde Basel ganz anders aussehen.

    Eine profilierte Politik gedeiht nur, wenn sie sich reiben kann. Aber Links-Grün sucht vergeblich nach einem starken, herausfordernden Gegenüber. Selbst die Anti-Blocher-Bewegung von «Rettet Basel!» blieb in der laufenden, turbulenten Woche seltsam blass. Die Gründe der Abstinenz sind mannigfaltig: Müdigkeit und Sattheit, die Grenzlage sowie die Kantonstrennung, die einen Teil des Baselbieter Bürgertums von der städtischen Politik fernhält.

    Es fehlt an allen Ecken und Enden die kritische Masse. Nur wenn Basel seine Grenzen sprengen kann, sei es dank Metrobasel, mithilfe der Internationale Bauausstellung IBA oder durch Zusammenarbeit mit anderen Kantonen, kommt die Region wieder zu Kräften. Und sie könnte ihre Wirtschaft wieder etwas mehr in die eigenen Hände nehmen.

    Das ist Tito Tettamantis Testament und Botschaft: Gewisse strategische Trümpfe wie die Medien, aber auch die grossen Industriebetriebe, den Verkehr und die Finanzwirtschaft kann man nicht ganz den anderen überlassen, ohne einen Standort mittelfristig zu gefährden.