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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Basel

  • Theater für Basel

    Basel sucht eine neue Theaterdirektorin oder einen neuen Direktor. Zwar liegt der Entscheid hauptsächlich bei der Theatergenossenschaft, doch fiebert ihm eine breite Öffentlichkeit entgegen. Weshalb? Im besten Fall – und diesen wünschen wir uns alle – prägt die Theaterdirektion den politischen und kulturellen Diskurs und damit die Zukunft Basels wesentlich mit. Dem Dreispartenhaus wohnt das Potenzial inne, uns in ethischen Fragen zu beraten und ästhetische Massstäbe zu setzen.

    Nach Jahrzehnten der Importe brauchen wir heute eine neue Theaterdirektion aus Basel oder eine solche, die Basel sehr gut kennt. Denn die Aufgabe des Dreispartenhauses geht weit über Erbauung hinaus. (Bild: Margrit Müller)

    Das Theater ist zwar kein Parlament, das mit Ja oder Nein über konkrete Vorlagen abstimmt. Es ist auch kein Medium, das informiert wie eine Zeitung oder das Radio. Aber Aufführungen und Diskussionen, die dort stattfinden, künstlerische Leistungen, die wir bewundern und geniessen oder der Ärger über eine verpfuschte Inszenierung beeinflussen unsere Werte, unseren Blick auf die Welt, mithin unser Selbstbild und somit langfristig auch unser Denken und Handeln.

    Am Ende des Tages beeinflusst das Theater – sofern es Erfolg hat – persönliche und politische Entscheide. Wir wählen eine weltoffenere oder eine konservativere Regierung, wir stellen uns für oder gegen den Bau eines neuen Stadtteils, wir unterstützen das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder lehnen es ab, wir votieren für oder gegen die Ecopop-Initiative.

    Basel befindet sich an einem Wendepunkt. Das trifft nicht nur auf die Bevölkerungszahl zu, die seit einigen Jahren wieder wächst und dadurch die räumliche Stadtentwicklung prägt. Es steht auch ein demographischer Wandel bevor: In wenigen Jahren werden wir vom durchschnittlich ältesten Kanton zu einem der jüngsten Stände mutieren. Speziell der Anteil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Ausbildung sowie der Kinder wird markant steigen. Die weitere Entwicklung der «Life Science»-Branche und damit verbundener Forschungsaktivitäten wird unsere wirtschaftliche, aber auch die soziale Realität umpflügen. Basel wird noch internationaler und entwickelt sich gleichzeitig in eine neue Massstäblichkeit hinein. Was viele Menschen als Chance sehen, macht anderen Angst.

    Zu kurz greift in dieser Situation ein Theater, das bloss schöngeistig unterhält oder auf Aktualität reagiert. Die neue Direktion muss vielmehr selbst Themen aufspüren und diese aktiv (und natürlich mit künstlerischen Mitteln professionell) ins Gespräch bringen. Bei aller erwünschten Weltläufigkeit, kommt es in dieser Wendezeit Basels auf das Verstehen und Interpretieren der hiesigen Realität mit intelligent eingesetzten theatralischen Mitteln an. Nach Jahrzehnten der Importe brauchen wir deshalb heute eine neue Theaterdirektion aus Basel oder eine solche, die Basel und die hiesige Gesellschaft von innen wahrnimmt und sehr gut kennt.

  • Parkieren mit Mehrwert

    Es war die Zeit der Utopien. Der heutige Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements, Hans-Peter Wessels, engagierte sich für die kantonale Initiative «Basel autofrei». Diese wollte die Stadt nach dem Vorbild von Venedig in ein Paradies für Fussgänger, Fahrräder und öffentliche Transportmittel verwandeln. Ausnahmen waren nur für Versorgungsfahrten und Durchgangsstrassen vorgesehen.

    Wer im Restaurant Kunsthalle speist, finanziert den darüber liegenden Kulturbetrieb mit. Beim Kunstmuseum könnte ein unterirdisches Parkhaus entstehen, das die in den überirdischen Stockwerken tätige Kreativwirtschaft fördert und die Umgebung aufwertet. (Foto: Henry Muchenberger)

    Verständnis für das Anliegen signalisierte sogar die damals bürgerliche Regierung, als sie in einer Medienmitteilung schrieb: «Der Individualverkehr in Basel (…) hat ein Ausmass erreicht, dessen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt teilweise untragbar geworden sind.» Das Stimmvolk schickte das Volksbegehren am 9. Juni 1996 mit 70 Prozent Nein bachab, wobei einzelne besonders belastete Quartiere zustimmten.

    Fast 20 Jahre später sind die Träume kleiner und realistischer. Dank des Einsatzes von Hans-Peter Wessels wird «Basel autofrei» im Zentrum umgesetzt – und dies mit Zustimmung von Gewerbe und Anwohnern. Im Gegenzug befürwortet der Regierungsrat ein neues Parkhaus am Rand der Altstadt. Auch ich habe diese Entwicklung mitgemacht und sehe den aktuellen politischen Verkehrskompromiss als optimale Lösung.

    Nach 20 Jahren Planung will der Regierungsrat das so genannte «KuMu-Parking» unter dem St. Alban Graben möglichst rasch realisieren. Das ist verständlich. Ich fände es allerdings schade, wenn wir nicht alle Optionen genau untersucht hätten, bevor wir eine Situation für 100 Jahre zementieren.

    Die Swisscanto-Anlagestiftung besitzt ein Grundstück direkt neben dem neuen Kunstmuseum. Hier könnte ein öffentliches, unterirdisches Parkhaus mit gleich vielen Parkplätzen wie im «KuMu-Parking» realisiert werden. Ich habe den Auftrag angenommen, das Swisscanto-Projekt als Alternative zum «KuMu-Parking» weiter zu entwickeln, weil es die Chance bietet, oberirdisch ein Haus für die Kreativwirtschaft mit Wohnungen an bester Lage zu realisieren.

    Das Swisscanto-Parkhaus kann in 20 Monaten fast ohne Verkehrsbehinderung gebaut werden. Das «KuMu-Parking» braucht etwa doppelt so lang, weil das Tram und zahlreiche Leitungen unterfangen werden müssen. Deshalb spart das Swisscanto-Parkhaus im Vergleich zum «KuMu-Parking» etwa sechs bis zehn Millionen Franken. Diese Mittel will die Kantonalbanken-Tochter in kulturelle Einrichtungen in den Obergeschossen desselben Hauses investieren ­– zum Beispiel über eine öffentliche Stiftung. Die Situation wäre ähnlich wie bei der Kunsthalle, wo das Restaurant im Parterre den Kulturbetrieb darüber mit finanziert.

    Erst wenn das Vorhaben von Swisscanto auf dem gleichen Stand ist wie die Alternative, sollte ein Entscheid unter Berücksichtigung aller Informationen gefällt werden. Die Planungszeit dafür liegt bei wenigen Monaten.

  • Die Stadt, die Dichte und die Zeit

    Städtevergleiche sind eine ergiebige Quelle für neue Erkenntnisse. Das gilt ganz besonders für den soeben erschienenen «Städtevergleich Mobilität» zwischen Basel, Bern, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich. Er zeigt, wie verschiedene Medien schon berichtet haben, dass Basel eine Velostadt ist: 16% aller Wege legen wir mit dem Fahrrad zurück. Auf dem zweiten Platz liegt Winterthur mit 13%. Bronce geht an Bern mit 11%. Den geringsten Anteil Veloverkehr hat St. Gallen (3%). Auf dem zweitletzten Platz ist Zürich (6%).

    Der städtischen Dichte verdankt jede Baslerin und jeder Basler im Vergleich zu Zürich eine zusätzliche Ferienwoche pro Jahr. Und das ist nicht die einzige verblüffende Erkenntnis aus der neusten Mobilitäts-Statistik.

    Die grossen Unterschiede rufen nach Ursachenforschung. Auch wenn die Topographie eine Rolle spielen mag, ist doch die Politik, in diesem Fall die Fahrrad-Förderung, ein ganz zentraler Faktor, der langfristig seine Wirkung nicht verfehlt. In Basel fuhr schon in den 70er-Jahren die Mehrheit der damals noch bürgerlichen Regierung mit dem Velo ins Büro und anerkannte die zweirädrige Fortbewegungsweise als stadtgerechte Mobilität. Daran orientierten sich in der Folge die Gesetzgebung und die Investitionen.

    Tiefere Analysen des Zahlenwerks bringen noch weitere verblüffende Erkenntnisse an den Tag: Zum Beispiel, dass Basels Mobilität insgesamt sogar umweltschonender ist als jene der Vorzeigestadt Kopenhagen. Addiert man nämlich die Wege, die wir zu Fuss gehen (37%), mit Tram und Bus zurücklegen (27%) und auf dem Velosattel fahren (16%), kommen wir auf 80% aller Strecken. In Kopenhagen liegt der umweltschonende Anteil bloss bei 70%. Die Kopenhagener fahren zwar viel mehr Velo als wir (36%). Sie gehen aber nur selten zu Fuss (7%) und steigen viel häufiger ins Auto (30% Anteil im Vergleich zu 18% in Basel).

    Weshalb ist das zu Fuss gehen in Basel so populär? Der Städtevergleich gibt auch darauf eine Antwort, die einleuchtet: Die Bevölkerungsdichte in der Stadt Basel ist mit 6800 Einwohnerinnen und Einwohner pro Quadratkilometer um ein Drittel höher als in Zürich, wo 4200 Menschen auf der gleichen Fläche wohnen.

    Der Dichteunterschied bringt’s: Eine Dichte Stadt führt zu kürzeren Wegen. Diese können dann auch eher zu Fuss oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Das zeigt sich auch im Zeitmass: In Basel sind die Menschen pro Tag 91 Minuten unterwegs, in Zürich 101 Minuten. Wer in Basel lebt, spart im Vergleich mit Zürich täglich 10 Minuten Wegzeit. Wir sind also durchschnittlich schneller am Ziel. Auf die ganze Bevölkerung hochgerechnet, entspricht der Zeitgewinn täglich 2000 (wachen) Tagen mehr Freizeit oder Arbeitszeit – jeder und jede hat die Wahl. So kommen jährlich 730 000 Tage zusammen. Und das entspricht einer zusätzlichen Ferienwoche für alle! Das ist die wahre Produktivität der dichten Stadt.

  • Fusions-Konfusion

    Meine Jugend verbrachte ich in Liestal. Die 60er-Jahre waren weltweit von gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt. Im mittleren und oberen Baselbiet fand dieser Aufstand seine Ausprägung in der Opposition gegen die Wiedervereinigung beider Basel. Die teilweise militante Kampftruppe «Junges Baselbiet» sah den Landkanton als Hort des Fortschritts und der Freiheit – gegen die verkorkste Stadt. Die Bewegung verstand sich als Erbin des radikaldemokratischen Stuttgarter Revolutionärs und Arbeiterdichters Georg Herwegh («Mann der Arbeit aufgewacht und erkenne Deine Macht! Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.»). Diesem hatte Liestal Mitte des 19. Jahrhunderts Asyl gewährt und später ein Denkmal gesetzt. In dieser Aufbruchsstimmung wurden auch mal BS-Autos, die sich ins «Stedtli» verirrten, mit «Baselland bleibt selbständig»-Klebern am Heck nach Hause geschickt.

    Die Baselbieter Regierungsratswahl zum Volksentscheid über die Fusion beider Basel hochzustili-sieren, ist völlig abwegig. Weshalb das so ist, zeigt das Beispiel von Paul Manz (Bild), dem füh-renden Wiedervereinigungs-Gegner der 60er-Jahre.

    Die kleine Baselbieter Befreiungsorganisation bildete eine unheilige Allianz mit einer stockkonservativen Bauern- und Gewerbefront, die in den Bezirken Waldenburg und Sissach Stimmung gegen die Wiedervereinigung machte. Die führende Figur dieser ländlich geprägten Gegner war der Pfarrer von Rothenfluh. Geschickt baute der aus dem Züribiet stammende Paul Manz Brücken zwischen den Fraktionen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, um sein Ziel zu erreichen: Baselland bleibt selbständig. Am 5. Dezember 1969 sagten fast 60% der Baselbieter Nein zur neuen Verfassung des vereinigten Kantons Basel. Die Stimmbeteiligung lag bei 75%.

    Paul Manz war aber nicht nur ein führender Wiedervereinigungsgegner, sondern als Abgeordneter der BGB (Bauern- Gewerbe und Bürgerpartei, später SVP) auch Mitglied und zeitweise Präsident des Verfassungsrates, der das neue Grundgesetz des vereinigten Kantons Basel aushandelte. Manz arbeitete konstruktiv an einem Projekt mit, das er selbst verwarf. Dies ist jedoch kein Widerspruch. Auch als Gegner der Wiedervereinigung musste er damit rechnen, dass die Verfassung angenommen wird. Er war sich im Klaren, dass am Ende nicht der Verfassungsrat sondern das Volk die Weichen stellt.

    Ebenso würde sich Eric Nussbaumer im Falle seiner Wahl in die Baselbieter Regierungsrat mit aller Kraft und Überzeugung für seinen Kanton einsetzen. Je selbstbewusster das Baselbiet in die Fusionsdebatte steigt, umso besser für die ganze Region. Es ist völlig abwegig, die Regierungsratswahl zu einem Plebiszit über die Fusion zu stilisieren. Kurzfristig stehen ganz andere Themen auf der Agenda der Exekutive. Der Landkanton braucht jetzt die fähigsten Leute, um rasch wieder Handlungsspielraum zu gewinnen und die Zukunft nach dem Sparprogramm zu gestalten. Über die Fusion hingegen, das wusste schon Paul Manz, entscheidet das Volk und nicht der Regierungsrat.

  • Druck nackt

    Die Druckerei der Basler Zeitung soll schliessen. Nicht nur die Tageszeitung wandert ab. Es verabschieden sich weitere Aufträge aus der Region, zum Beispiel die Produktion des «Touring» oder der «Coop Zeitung». Das Projekt der BaZ Eigentümer heisst «BaZ nackt», wie Konzernleiter Rolf Bollmann erneut bestätigte. Zu den Striptease-Regeln gehört, dass der «Druck nackt» jetzt nach Zürich geht.

    Der Bund hat über Jahrzehnte die einheimischen Verlage gefördert, indem er die Posttarife der Zeitungen verbilligte. Sein Ziel war die Erhaltung der Medien- und Meinungsvielfalt. Basel braucht jetzt ein ähnliches Modell.

    Es gibt Dinge, die sind entbehrlich. Andere sind vital. Um die vitalen Dinge hat sich die Gesellschaft zu kümmern. Dazu gehört eine lebendige mediale Öffentlichkeit.

    Es ist nicht egal, ob diese Zeilen in Basel oder in Zürich gedruckt werden. Letztlich bestimmen die Produktionsmittel die Inhalte. Wer den Druck beherrscht, kann Druck machen. Wer die Medien kontrolliert, kontrolliert einen wichtigen Teil unserer Bildung, unserer Information und unseres Bewusstseins. Ein ferngesteuertes Bewusstsein wollten die Basler nie. Deshalb setzten sie schon früh auf das Druckgewerbe. Wer einmal 500 Jahre alte Bücher aus Basler Druckereien in Händen hielt, der versteht, welche Macht darin liegt, seine Meinung vervielfältigen zu können. Das Imponiergehabe dieser grossformatigen, schweren, reich verzierten Schwarten, spricht Bände.

    Das Zeitalter, das Johannes Froben und Johannes Petri um 1500 mit ihren Druckereien am Totengässlein und in der St. Johanns Vorstadt begründeten, darf nicht so enden. Zwar existiert hierzulande nach wie vor die eine oder andere anständige Druckerei. Aber keine mehr, die ein Massenblatt rasch und rationell fertigen kann.

    Die beiden Basel müssen sich einmischen, im öffentlichen Interesse. Der Bund hat über Jahrzehnte die Schweizer Verlage gefördert, indem er die Posttarife der Zeitungen verbilligte. Sein Ziel war die Erhaltung der Medien- und Meinungsvielfalt. Ein ähnliches Modell kann den Zeitungsdruck in der Nordwestschweiz mittelfristig wieder ans Rheinknie zurückholen: Lokal gedruckte Tages- und Wochenzeitungen sollten von den Kantonen Vertriebsunterstützung bekommen. Dies wäre ein eleganter Weg, um das Ziel zu erreichen, ohne sich inhaltlich einzumischen. Vielleicht würde dann auch die TagesWoche nicht mehr aus Wil (SG) importiert.

    Ironie des Schicksals: Ausgerechnet Christoph Blocher, die Galionsfigur der Schweizer Neoliberalen, lässt uns keine andere Wahl, als die regionale Druckereiwirtschaft öffentlich zu stützen wie die Landwirtschaft. Wenn nach Banken, Fluggesellschaften und Medien noch die letzte Zeitungsrotation abwandert, muss jemand «Stopp!» rufen. Die Walliser bereuen es noch heute, dass sie nicht einschritten, als Blocher die Wasserkraftwerke der Alusuisse, die er kontrollierte, an die Eléctricité de France verhökerte. Die «Alusuisse nackt» war rückblickend der Anfang vom Ende dieser Industrie.

  • What the frack?

    Verharmlost und verteufelt: Diese zwei Positionen stehen einander gegenüber, wenn es um die Frage des «Fracking» geht. Tausende von Metern unter dem Boden spalten Förderfirmen gashaltige Felsen, die unter hohem Druck ihre fossilen Schätze freigeben.

    Das «Fracking» genannte Freipressen von Erdgas aus tief liegenden Gesteinsschichten behindert den Klimaschutz und bindet Mittel, die besser in den Ausbau der erneuerbaren Energie investiert würden. Basel hat die leidvolle Erfahrung künstlicher Erdbeben bereits hinter sich (Foto: Deep Heat Mining in Basel, von Keystone).

    Bei einem technisch ähnlichen Vorgang kam es in Basel zu künstlichen Erdbeben. Das «Deep Heat Mining» war damit für einige Zeit, mindestens lokal, erledigt. Die Betreiberfirma musste Dutzende von Millionen Franken abschreiben, noch ehe sie eine Kilowattstunde Wärme gefördert hatte.

    Trotz solcher Rückschläge klingt das Versprechen gut, die Schweiz könne sich dank «Fracking» für 60 Jahre auslandunabhängig mit Erdgas versorgen. Immerhin deckt Erdgas hierzulande zehn Prozent des Primärenergiebedarfs.

    Die «Fracking»-Diskussion täuscht aber darüber hinweg, dass der Trend in eine ganz andere Richtung geht. Das Ende des Erdgases als Energieträger steht bevor. Vielleicht nicht morgen, aber übermorgen. Denn Erdgas zu verbrennen, heizt das Klima auf. Die Schweiz wird ihren Treibhausgas-Ausstoss bis 2050 um etwa 80% reduzieren müssen. Nur so kann sie gemeinsam mit anderen Industrieländern ermöglichen, dass die Erderwärmung, wie international vereinbart, zwei Grad Celsius nicht übersteigt. Die ärmeren Länder bekommen damit die Möglichkeit, aufzuholen, und zwar auf ein Niveau, das pro Kopf ebenfalls bei 20% der heutigen Schweizer Emission liegt.

    Die Frage lautet deshalb nicht: «Fracking» ja oder nein? Viel wichtiger ist der Ausstieg aus dem Erdgas überhaupt. So haben die Industriellen Werke Basel bereits die kontinuierliche Senkung des Gasverbrauchs beschlossen – trotz ihrem überdurchschnittlich engmaschigen Leitungsnetz. Diskussionen über «Fracking» kanalisieren deshalb Energien und Gelder in die falsche Richtung.

    Ganz abgesehen davon, dass wir mit der gleichen Begründung eine Schweizer Uranindustrie auf die Beine stellen könnten. Im Wallis, wo zur Zeit alle Ski laufen, liegt unter dem Schnee uranhaltiges Gestein, wie jeder nachmessen kann, der im Sommer mit einem Geigerzähler zum Beispiel nach Haute-Nendaz hinauffährt. In den 60er-Jahren wollte die Schweiz daraus Brennstoff für Atomkraftwerke gewinnen – wegen der Auslandabhängigkeit. Es gab gar ein geheimes Programm für eine Schweizer Atombombe.

    Vernünftigerweise liess man die Finger davon: Zu teuer, unsinnig, unökologisch. Wenn die Eidgenossenschaft ihre Energieversorgung unabhängig gestalten will, sollte sie auf Sonne, Wasser, Wind und Biomasse setzen. Davon haben wir genug, wenn wir mit der Energie haushälterisch umgehen. Die «Fracking»-Diskussion wird nicht zufällig jetzt lanciert. Klimaschutz und Atomausstieg fordern Veränderung und verunsichern, während uns einheimische Erdgas-Funde den leckeren Speck des «Weiter wie bisher» durch den Mund ziehen.

  • Basels hässlichstes Haus

    Postchefin Susanne Ruoff hat ein Problem. Sie besitzt das hässlichste Gebäude Basels. Die Rede ist vom rostroten Riegel, der beim Bahnhof SBB, Richtung Grosspeter und Dreispitz, die Stadtlandschaft verklotzt. Die Dimensionen des eingeklemmten Riesen erschliessen sich nicht auf den ersten Blick. Zwischen Nauen- und Hochstrasse spannt sich der Bürobau über die Geleise, rund 150 Meter breit und 100 Meter tief. Mit einem Grundriss von geschätzten 15 000 Quadratmetern bedeckt er die Fläche von zwei Fussballfeldern.

    Grösser als zwei Fussballfelder ist die Fläche, die das rostrote Postgebäude beim Bahnhof SBB belegt. Tausende quälen sich täglich durch die enge Passage, die den Riegel entlang der Geleise durchbohrt. Jetzt stehen Veränderungen an, die neue Chancen bieten.

    Wer sich durch die Unterführung quälen muss, die den Bahnhofplatz mit dem neu entstandenen Quartier hinter dem roten Palast verbindet, kennt das beengende Gefühl. Die Düsternis des schmalen und niedrigen Korridors Richtung St. Jakob teilen sich in getrennten Kanälen Fussgänger, Velofahrerinnen und das Tram. Früher war dies eine verlassene Einöde mit Postomat. Heute passieren täglich Tausende den obskuren Gang. Dahinter liegen jetzt Schulen, Arbeitsplätze und eine Tramstation, aber weder Einkaufs- noch Verpflegungsmöglichkeiten. Das zwingt Viele über Mittag zu weiteren Expeditionen durch den Tunnel.

    Der Logistik-Knotenpunkt ist zum gordischen Knoten geworden, und die Post muss sich überlegen, wie sie diesen löst. Demnächst zieht das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) mit seiner nationalen Kultur- und Wissenschaftsredaktion sowie dem Regionaljournal in den Postbau. Das neue Medienzentrum wird – von Diener & Diener geplant – 8000 Quadratmeter Nutzfläche belegen. Dieser grosse Umbau könnte auch Anlass sein, um den öffentlichen Raum rund um das Postgebäude und auch dessen übrige Nutzung zu überdenken.

    Einige japanische Bahnhöfe beispielsweise, enthalten komplette Warenhäuser. Damit nutzen sie die Passagierströme noch intensiver als die SBB-«Railcity» zugunsten wirtschaftlich gesunder Transportunternehmen. Manche Stationen umfassen spektakuläre öffentliche Räume, in Kyoto beispielsweise eine riesige Treppenanlage, auf der die Menschen Konzerten lauschen. Die Lage am Bahnhof SBB würde sich auch für ein Jugendkulturzentrum eignen, als Alternative zum Sommercasino, dessen Betrieb wegen der lärmempfindlichen Nachbarschaft seit Jahrzehnten eingeschränkt ist.

    Das hässlichste Gebäude Basels, das von innen übrigens erstaunliche Qualitäten aufweist und stupende Ausblicke bietet, könnte als weisser Schwan auferstehen, wenn die Post, der Kanton, SRF, weitere Mieter sowie die SBB sich zusammenrauften, um über neue Nutzungen, Öffnungen und Verkehrsführung zu reden. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine abstossende, aber unverwechselbare Hülle durch mutige Entwicklung ihrer Innereien und des Umfelds Kultstatus erlangte und als begehrenswerte Adresse wie Phoenix aus der Asche stiege.

  • Basel droht Wohnungsnot

    Es ist Zeit, dass sich der Basler Wahlkampf auf wirklich wichtige Themen besinnt. Letzte Woche war an dieser Stelle von der neuen Einwanderung die Rede. Und von den Chancen, die aus der wachsenden Anziehungskraft unserer Stadt resultieren. Aber es gibt auch Risiken und Nebenwirkungen. Dazu gehört die drohende Wohnungsnot.

    Um der wirtschaftlichen Dynamik gerecht zu werden, braucht es deutlich mutigere Eingriffe der Planung, als Viele wahrhaben wollen. Sonst droht der Kanton Basel-Stadt zum Stillstand zu kommen. Weshalb ist das kein Wahlkampfthema? (Bild: Margrit Müller)

    Diese öffnet der Immobilien-Spekulation Tür und Tor. Sie betrifft deshalb alle. In Zürich können wir beobachten, wie die Mieten wegen Raumknappheit jährlich um mehrere Prozentpunkte steigen. Wohnungssuche ist dort längst zum Kampfsport mutiert. Viele können sich die Stadt nicht mehr leisten. In zynischer Weise profitiert Zürich sogar finanziell davon, weil eine wachsende Zahl Sozialhilfebezüger in günstigere Gemeinden verdrängt werden. Zurück bleibt eine Wohlstands-Wüste.

    Zürich hat immerhin noch Landreserven, um zu reagieren. Der dortige Stadtrat plant zehntausende neue Wohnungen. In Basel ist die Situation düster. Die «Kantonale Strategie zur Wohnraumentwicklung» sieht «etwa 4400 neue Wohnungen» in zehn Jahren vor. Je zur Hälfte soll das Ziel auf neu zu bebauenden Flächen und durch Verdichtung in bestehenden Quartieren erreicht werden. Mit anderen Worten: Im Vergleich zu heute ändert sich nichts. Denn es entstehen auch jetzt schon jährlich 400-500 neue Wohneinheiten.

    Das ist viel zu wenig, und der Regierungsrat weiss es. Er sieht sich in einer Zwangslage. Der Kompromiss mit den Familiengärtnern lässt scheinbar keinen Raum für zusätzliche Neubaugebiete. Der Wahlkampf verlief bisher so, als ob es dieses Dilemma nicht gäbe. Dabei ist die Lösung der Wohnungsfrage für Basel vital. Nicht nur wegen der drohenden Not, sondern auch um Steuerzahler zu halten. Es geht ums Überleben des Standorts.

    Eine Option ist die stärkere Verdichtung im Bestand. Diese ist aber für die Bevölkerung nur dann ein Qualitätsgewinn, wenn in der Umgebung mehr Strassen, Plätze und Höfe begrünt und kinderfreundlich gestaltet werden. Und wenn sich das Angebot des öffentlichen Verkehrs, für Velos und Fussgänger stark verbessert.

    Die Beschleunigung und Verdichtung der Dreispitz-Überbauung oder das Projekt «Rheinhattan» rücken so in Reichweite. Gegen diese Entwicklung regt sich natürlich Opposition, wie bei jeder Veränderung. Doch wie stellen sich die Parteien dazu? Welche Strategie schlagen sie vor, um die Anliegen der Opposition zu verstehen und einzubeziehen?

    In Basels Norden droht eine neue Polarisierung wie rund um die Familiengärten – und in der Folge der Stillstand. Um der wirtschaftlichen Dynamik gerecht zu werden, braucht es deutlich mutigere Eingriffe der Planung, als Viele wahrhaben wollen. Oder – als Alternative – ein Verzicht auf Entwicklung. Wer was will, sollte sich im Wahlkampf zeigen.

  • Das U-Abo entfesseln

    Basel ist stolz darauf, das U-Abo erfunden zu haben: Der günstige Einheitstarif für das gesamte regionale ÖV-Angebot ist eine Frucht der Umweltbewegung. Die Autoabgase (damals noch ohne Katalysator) gefährdeten in den 80er-Jahren die Gesundheit der Wälder. Also mussten griffige Lösungen her, um das Umsteigen auf den Öffentlichen Verkehr zu fördern. Was als politische Notfallübung begann, entpuppte sich als kommerzieller Geniestreich.

    Der an sich sympathische Einheitstarif des U-Abos lähmt die Ausdehnung des Einzugsge-biets. Mit leicht angepassten Abo-Kosten kämen auch Aarau, Olten, aber auch das Elsass und Südbaden in den Genuss der genialen Erfindung. (Bild: Keystone)

    Andere Regionen kopierten das U-Abo unter ganz verschiedenen Namen und entwickelten die Idee weiter. In den meisten Einzugsgebieten gilt: Wer täglich weiter fährt, bezahlt mehr. Das Einheits-Abo des Tarifverbunds Nordwestschweiz (TNW) ist heute eine Ausnahme. Das ist zwar sozial und auch sympathisch, weil praktisch, blockiert aber die Entwicklung.

    Im Tarifverbund Ostwind beispielsweise, können Berufstätige eine Stunde von Rapperswil nach St. Gallen pendeln. Ostwind knöpft ihren Kunden auf dieser Strecke 200 Franken pro Monat ab. Mit demselben Ausweis können sie dann die ganze Region zwischen Frauenfeld im Norden und Bad Ragaz im Süden bereisen. Das U-Abo des TNW deckt nicht einmal die 30 Minuten von Olten oder Aarau nach Basel ab.

    Die Ostschweizer Preise würde ich nicht zur Nachahmung empfehlen, doch erweist sich der heutige TNW als ein zu enges Kleid für das wachsende Einzugsgebiet Basels. Gegen Änderungen setzt sich ein Verbund von sozial und ökologisch Motivierten ein. Sie verhindern, dass sich das U-Abo den neuen Gegebenheiten anpasst: Zum Beispiel für Elsässer oder Lörracher Autopendler zu einer attraktiven Alternative wird. Es ist kaum denkbar, dass die 73 Franken reichen, um auch deren Mobilitätsbedürfnisse zu finanzieren.

    Darunter leidet auch die Entwicklung Basels. Denn die Grenzen der Tarifverbünde haben sich auch als Grenzen des Wirkungsfeldes von Zentren etabliert – mindestens in den Köpfen der Menschen.

    Eine nach Zonen differenzierte Tarifstruktur für die Monats- und Jahreskarten würde eine buchstäbliche Entfesselung des U-Abos ermöglichen. Entscheidend für die Akzeptanz differenzierter Abo-Kosten wäre die gleichzeitige Überwindung heutiger Beengung. Also der Sprung des TNW-Einzugsgebiets über den Jurakamm und vor allem über die Landesgrenzen nach Frankreich und Deutschland.

    Basel-Stadt, Baselland, Solothurn nördlich des Jura und der Bezirk Rheinfelden könnten weiterhin eine einheitliche Kernzone bilden, zu Kosten von 73 Franken. Der tiefe Preis diente als Basis, um den angrenzenden Bezirken attraktive Angebote zu machen. Zum Beispiel 100 Franken pro Monat für den heutigen TNW, inklusive Olten/Aarau oder inklusive St.Louis/Lörrach. Vielleicht 120 Franken für die Ausdehnung bis nach Kandern, Sierentz und Baden (AG). Und 140 Franken inklusive die Kantone Jura und Solothurn sowie bis nach Biel.

  • Copy paste ist keine gute Idee

    Das 65. Filmfestival von Locarno erinnert uns einmal mehr daran, dass die Basler Filmförderung seit Jahren nicht vom Fleck kommt. Deshalb spielt der Basler Film am Lago Maggiore auch heuer nur eine kleine Nebenrolle. Dies trotz massiver Präsenz von Swissness. Unter dem Wahrnehmungshorizont der internationalen Szene brodelt allerdings am Rheinknie ein erstaunlich vielfältiges Filmschaffen. Zu behaupten, Basel sei eine Filmstadt, wäre jedoch vermessen.

    Am gegenwärtig laufenden 65. Filmfestival von Locarno ist Basel kaum präsent. Dies ist jedoch kein Grund, um die Filmförderung anderer Standorte zu kopieren. Es bietet sich vielmehr die Chance für innovative Ansätze. (Bild: Keystone)

    Vielmehr wandern manche audiovisuell talentierte Baslerinnen und Basler nach Zürich, noch öfter nach Berlin oder New York aus, unter anderem weil sie dort bessere Förderbedingungen und Ausbildungsgänge vorzufinden hoffen. Das ist nicht weiter tragisch, denn eine Kulturstadt kann nicht alle Wünsche erfüllen und alle Sparten gleichermassen pflegen.

    Umso dringlicher stellt sich die Frage, was die Basler Filmförderung soll. Laut der regionalen Filmwirtschaftsstudie geben die beiden Basel weniger als ein halbes Prozent der gesamtschweizerisch investierten Mittel in diesem Sektor aus. Im Kulturleitbild von Basel-Stadt steht, der Kanton wolle gemeinsam mit Baselland und der Christoph Merian Stiftung «in den nächsten Jahren» ein neues Förder- und Finanzierungsmodell entwickeln. Dieses setzt sich zum Ziel, «vermehrte Mittel für die regionale Filmproduktion einzusetzen».

    Regionale Filmförderung geschieht fast überall mit der Absicht, den ortsansässigen Filmschaffenden den Zugang zu anderen staatlichen und privaten Geldern zu erleichtern. Mit Startkapital ist die Chance grösser, dass weitere Co-Produzenten einsteigen. Im Hintergrund hoffen Tourismusindustrie und Standortmarketing, eine ausgewachsene Filmwirtschaft würde ihre Region bekannt machen und vorteilhaft ins Bild setzen.

    So wie die Diskussion heute läuft, wird Basel mit verhältnismässig geringen Mitteln das Modell anderer Regionen – zum Beispiel der Zürcher Filmstiftung – kopieren. Innovativer erschiene mir jedoch das Füllen einer kreativen Lücke, die im Fördersystem der Schweiz klafft: Zum Beispiel die Förderung von Schweizer und nicht nur Basler Filmen nach bestimmten, oft vernachlässigten Kriterien. Oder dort einzuspringen, wo anderen, etwa der SRG, der Mut fehlt.

    Eine Möglichkeit wäre, Mittel zur Verfügung zu stellen für Autorinnen und Autoren, die experimentell mit Szenarien, aber ohne Drehbuch ans Werk gehen und damit gerade in Locarno schöne Resultate vorweisen können. Oder die Spezialisierung auf dokumentarische Fiktion, also die Mischung zwischen Spiel- und Dokumentarfilm. Das eigene Gärtchen pflegen alle. Eine besondere Ausstrahlung könnte Basel als ein Ort erreichen, wo neue Förderziele ausprobiert werden, die Kunst über Kommerz stellen und dazu beitragen den filmischen Lokalpatriotismus zu überwinden.