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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Art Basel

  • Lasst euch provozieren!

    Kunstmuseums-Direktor Bernhard Mendes Bürgi zeigt ab 17. März 2013 die spannendsten Werke Pablo Picassos aus öffentlichem oder privatem Besitz der Region Basel. Co-Kuratorin Nina Zimmer verspricht – aufgrund ihrer «aufwendigen Recherchen» – eine Darstellung aller Werkphasen des Spanischen Meisters «auf höchstem Niveau».

    Grosse Geschichte lastet schwer. Versperrt der ständige Rückblick Basel die Zukunft? Oder kommt es zur breiten Debatte über die Rolle von Kunst und Kultur in der globalen Krise? Es gibt zaghafte Anzeichen, dass in Basel wieder Innovation entsteht. (Bild: Ernst Beyeler und Pablo Picasso, Mougins, 1969, Fotograf unbekannt © Beyeler Museum AG)

    Das ist schön und gut und sogar originell. Denn erstmals bekommt das landläufige Publikum Einblick in eine repräsentative Auswahl der Sammel-Leidenschaft wohlhabender Mitbürgerinnen und Mitbürger. Gerade dank der Beschränkung auf einen Künstler, erfahren wir mehr über die Geschmäcker und Seelenlagen jener Zeitgenossen, die sich Picassos leisten können.

    Als zweiten Programmpunkt dieser Sonderschau kündigt das Kunstmuseum eine Dokumentation über das «legendäre Picasso-Jahr 1967» an. Diese Geschichte ist nun wirklich zum Gähnen. Jedes Kind weiss, dass Basel-Stadt damals per Abstimmung zwei Picasso-Bilder gekauft hat. Ein Staatskredit von 6 Millionen und private Spenden von 2,4 Millionen Franken erlaubten es dem Kunstmuseum, die Leihgaben «Les deux frères» und «Arlequin assis» zu erwerben. Der Sammler Rudolf Staechelin brauchte das Geld.

    Bis zum Abwinken zelebriert und nacherzählt worden ist die Ergriffenheit Picassos, der angesichts des volkstümlichen Verdikts der Stadt weitere Werke schenkte. Es ist zu befürchten, dass wir auch diese Episode wieder des Langen und des Breiten werden über uns ergehen lassen müssen. Was damals eine Sensation war, ist heute nur noch Nostalgie. Ausser es gelingt dem Kunstmuseum hinter diese Legende zu leuchten und neue, bisher unbekannte Fakten zu Tage zu fördern. Wir sind gespannt.

    Der damalige Aufbruch führte 1970 zur Gründung der Art Basel. Seither und bis vor einem Jahrzehnt prägte Basel die Entwicklung der Kunstwelt mit. Das Museum für Gegenwartskunst im St. Alban Tal beispielsweise war 1980 der erste Europäische Ausstellungsbau, der sich ausschliesslich zeitgenössischer Kunst widmete. Als weiterer Meilenstein wäre das etwas verschwiegene, aber weitherum respektierte Schaulager in Münchenstein zu erwähnen. Es wurde 2003 eröffnet.

    Grosse Geschichte lastet schwer. Versperrt der ständige Rückblick Basel die Zukunft? In den Galerien regt sich neues Leben. Das Kunstmuseum erhält einen Anbau. Wird es ein Museum der Vergangenheit oder der Gegenwart? Kommt es zur breiten Debatte über die Rolle von Kunst und Kultur in der globalen Krise? Es gibt zaghafte Anzeichen dafür, dass die Diskussion ausgetretene Pfade verlässt und gerade hier und heute wieder Innovation entsteht. Bis zum 17. März 2013 hat die Basler Kunstwelt Zeit, einen Kontrapunkt zu Mendes Bürgis Picasso-Nostalgie vorzubereiten. Lasst euch von ihm provozieren!

  • Art Summer in the City

    Annette Schönholzer und Marc Spiegler, Direktorin und Direktor der Art Basel, sind jetzt wohl in den Ferien. Denn ihre hiesige Show ist vorbei und ihre nächste, die Art Basel Miami Beach, noch Monate entfernt. Die letzten Reste der Kunstmesse sind zusammengekehrt und die leeren Hallen dösen im Sommerschlaf. Eine knappe Woche hat das Spektakel gedauert, das Basel in eine temporäre Weltstadt verwandelte.

    Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey mit Art-Direktor Marc Spiegler (rechts, mit rotem Notizbuch) und Art-Direktorin Annette Schönholzer (links, ganz in weiss) sowie weitere Prominenz an der Eröffnung der Art Unlimited 2011: Documenta-Qualität für bloss sechs Tage.

    Und nun? Die schöne, ruhige Zeit ist angebrochen, sagen manche. Nächste Woche soll auch die Hitze zurückkehren, die uns in der Rheinebene flimmernde Nachmittage beschert und zuweilen schwer in den Strassen lastet. Kultur ist dünn gesät. Das Tattoo ist nicht jedermanns Sache und das Stimmen Festival kaum abendfüllend.

    Wie wäre es mit einer aktuellen, hochkarätigen, jeden Sommer neuen Kunstausstellung? Teuer käme Basel ein solcher globaler Anziehungspunkt nicht zu stehen: Es würde reichen, die spektakuläre Art Unlimited (inklusive ihrer Kunstwerke im öffentlichen Raum) stehen zu lassen und über den Sommer zu bewachen, zu versichern, zu bewerben und vielleicht mit einer kleinen, gescheiten Veranstaltungsreihe zu ergänzen.

    Dies würde nicht bloss die Hoteliers freuen, sondern auch für Daheimgebliebene eine Lücke füllen, die wir alle empfinden: Das Loch nach der Art. Darüber hinaus – und vielleicht in erster Linie – könnte der Basler Kunstsommer Ausgangspunkt für neue Veranstaltungs-Formate und eine inhaltlich innovative Stadtentwicklung sein.

    Anderswo gibt es in der heissen Jahreszeit erfolgreiche Theaterspektakel, Sommernachtsfeste, Sommerfestspiele, Openairs, Skulpturen in Parks, Filmfestivals, Biennalen und vieles mehr. Neben Erbauung und Unterhaltung zählen dabei vor allem die Wertschöpfung und der Imagegewinn.

    Harry Szeemann war der künstlerische Direktor der Kasseler Documenta 5 von 1972. Sie ist heute noch legendär für ihre Symbiose von Kunst und Öffentlichkeit.

    Ein gescheit kuratierter Kunstsommer, wie ihn Basel durch die Verlängerung der Art Unlimited zu bieten hätte, würde weiter reichen. In Zusammenarbeit mit den vertretenen Galerien könnten die ausgestellten Künstlerinnen und Künstler eingeladen werden, inhaltliche Beiträge zur Stadt (im Speziellen oder Allgemeinen) zu erarbeiten und diese in Diskussionen und Aktionen mit dem Publikum zu vertiefen.

    Damit würde die Art für Basel viel mehr leisten, als nur kurzfristiger Marktplatz und Geschäftsanlass zu sein. Und die Kunstschaffenden bekämen ein Forum, das vielleicht am ehesten mit der Kasseler Documenta 5 von 1972 (und der Documenta 6 von 1977) vergleichbar ist. Künstler und Kuratoren wie Joseph Beuys, Harald Szeemann und Jean Christophe Ammann drückten damals diesen Anlässen ihren Stempel auf. Ein konzeptionelles Motto, zum Beispiel „Die Kunst und die Stadt“, liesse sich vielfach variieren und weckte das Interesse weit über die enge, mondäne und in letzter Zeit allzu kommerzielle Art-Familie hinaus.