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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Anna Schmid

  • Das Museum der Kulturen sind wir

    «Lolo» (Pseudonym) reagierte besorgt, nachdem er die Kolumne und den Blogbeitrag von letzter Woche («Basels neustes Kunstmuseum») gelesen hatte. Das frisch herausgeputzte Haus der Kulturen wolle «kein Museum mehr sein, das den menschlichen Umgang mit den natürlichen Ressourcen thematisiert». Dabei könnten «menschliche Gesellschaften aus dem Leben vergangener Kulturen Lehren ziehen».

    Weshalb sollen wir uns für versunkene Inka-Kulturen interessieren, während wir unseren mazedonisch-albanischen Nachbarn kaum kennen? Fremde Sprachen, Sitten und Gebräuche, zum Beispiel heutiger Chinesen, erleben wir vor der Haustür und bei der Arbeit (Bild: Mondfest auf dem Münsterplatz).

    Diese Stellungnahme ist Teil einer heftigen, über weite Strecken lesenswerten Debatte auf www.unserekleinestadt.ch. Manche Beiträge gehen so weit, die neuen Schauräume wegen «inhaltlicher Leere» gleich wieder schliessen zu wollen. «Klicki» (Pseudonym) etwa, stört sich daran, «dass von der riesigen Sammlung indigener Kult- und Kunstgegenstände so gut wie nichts mehr zu sehen ist».

    Es wäre eine interessante Diskussion, unter welchen Bedingungen wir von anderen Kulturen durch Vermittlung über ein Museum tatsächlich lernen können, wie «Lolo» vorschlägt. Zu diesem Zweck müssten wir mit diesen Kulturen in einen Dialog treten, was etwa im Falle der verstummten Völker Altägyptens unmöglich ist. Ihre Artefakte können uns zwar erbauen. Als Gesprächspartner stehen aber höchstens die vermittelnden Experten zur Verfügung.

    Als die Basler Museen entstanden, war die Bevölkerung verhältnismässig homogen. Die Besucher wünschten sich die Begegnung mit dem Fremden, dem Befremdlichen auch und damit die Relativierung ihres eigenen Standpunkts. Kinder träumten sich in ferne Länder. Heute müssen wir keinen Eintritt mehr bezahlen, um interkulturelle Erfahrungen zu sammeln. Vor unserer Haustür und bei der Arbeit erleben wir die Vielfalt von Sprachen, Sitten und Gebräuchen, zum Beispiel heutiger Chinesen. Der Unterschied von Tschador und Burka ist gar zum Politikum geworden. Weshalb sollen wir uns mit versunkenen Inka-Gesellschaften auseinandersetzen, während uns das Kennenlernen unseres mazedonisch-albanischen oder angolanischen Nachbarn zuweilen schwer fällt?

    Wir leben und sind das Museum der Kulturen. Manche Menschen empfinden die ethnologische Konfrontation im Alltag als bereichernd, andere als bedrohlich. Das neue Ausstellungshaus ist Basels grösstes Integrationsprojekt: Es sollte uns ermöglichen, das Fremde einzuordnen, zu verstehen, allenfalls auch uns abzugrenzen oder davon zu lernen. Ein interkultureller Dialog könnte mithelfen, unsere Identität als Stadt und in der Stadt weiter zu entwickeln.

    Die Aufgaben eines modernen Museums der Kulturen sind somit aktueller denn je. Sie rechtfertigen auch die Investition öffentlicher Gelder. Wenn Direktorin Anna Schmid auf Methoden der Kunstvermittlung zurückgreifen möchte, ist das in Ordnung. Aber den Zweck und das Konzept dahinter, sollte sie uns nicht vorenthalten.

  • Basels neustes Kunstmuseum

    Anna Schmid hatte am Dienstag dieser Woche einen guten Tag. Mit einem Glas in der Hand nahm die Direktorin reihenweise Gratulationen entgegen, für ihr neu eröffnetes Museum der Kulturen («MuKu»). Das Wetter spielte mit, weshalb sich das Vernissagen-Volk unter freiem Himmel im Hof und auf dem Münsterplatz zusammenrottete. Jung und alt zirkulierte ab und an in den neuen Räumen und Ausstellungen.

    Das Museum der Kulturen ist das neuste Basler Kunstmuseum. Weitere werden folgen. Und das ist gut so. Basel muss sich auf seine Stärken konzentrieren.

    Ein zufällig herausgegriffener Internet-Auftritt eines Hotels präsentiert den Gästen das «MuKu» wie folgt: «Das Museum der Kulturen ist ein traditionsreiches Völkerkundemuseum am Münsterplatz in Basel. Es gilt als grösstes ethnologisches Museum der Schweiz. Der Kanton Basel-Stadt ist Träger des Museums, welches rund 300 000 Objekte sowie ebenso viele historische Fotografien beherbergt. Die Sammlung umfasst Objekte aus Europa, Altägypten, Afrika, Asien, Altamerika und Ozeanien, darunter ein mehr als 10 Meter hohes Kulthaus der Abelam in Papua-Neuguinea.»

    Viele kamen zum Staunen nicht heraus: Von den im Internet beschriebenen, epochalen Sammlungen, die bis vor wenigen Wochen die Szene im damals heruntergekommenen Bau dominierten, ist fast nichts mehr zu sehen – mit Ausnahme des nach wie vor dominanten Abelam-Zeltes, das beinahe schon Nostalgie-Gefühle weckt. Fast alle restlichen 599 999 Artefakte schlummern – wohlbehütet, nehme ich an – in Kellern und Lagern.

    Schon immer konnte das Museum nur einen Bruchteil seiner Sammlung zeigen. Jetzt ist es noch weniger – ganz bewusst. Die Inszenierung ist minimalistisch, intellektuell anspruchsvoll und äusserst gelungen. Die Besucherin, der Besucher ist Teil der Ausstellung, wird in der Auseinandersetzung mit den Inhalten – in den Worten der Direktorin – «auf sich selbst zurückgeworfen». Genau darauf zielt jedes gute Kunstmuseum ab – seine Werke sollen provozieren, unser ästhetisches Empfinden ansprechen und beeinflussen, uns einen neuen, verdichteten Blick auf die Welt und den Alltag öffnen. Dies ist beispielsweise in der «Muku»-Ausstellung über Chinatown exemplarisch zu erleben.

    Somit wurde am Dienstag in Basel ein neues Kunstmuseum eröffnet – und das ist gut so. Eine kleine Stadt wie Basel kann nicht alles. Die Fokussierung auf Kunst ist sinnvoll. Das Antikenmuseum ist unser Museum der antiken Kunst. Das historische Museum ist ein Museum, das die Basler Geschichte neu aufarbeiten und auch aktualisieren sollte – warum nicht mit dem neuen Ansatz des Museums der Kulturen? Selbst das naturhistorische Museum könnte sich von dieser Idee inspirieren lassen. So wird Basel aus der Europa- in die Weltliga der Kunstplätze aufsteigen. Anna Schmid konnte sich dem Sog der Kunststadt nicht entziehen – die Bevölkerung wird ihren innovativen Ansatz zunächst skeptisch und langfristig begeistert mittragen.