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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

Schlagwort: Alain Berset

  • Natur und Kultur

    Am 1. März, kurz nach der Fasnacht, ereignet sich in Basel Historisches. Im Kongresszentrum treffen zwei Bewegungen aufeinander, die sich so noch nie begegnet sind: Die grossen Schweizer Umwelt- und Nachhaltigkeitsorganisationen auf der einen und die Kultur- und Medienszene auf der anderen Seite. Am 8. «NATUR Kongress» (www.natur.ch) werden weit über 600 Entscheidungsträger und Fachleute aus den beiden sonst getrennt agierenden Sphären über eine Zusammenarbeit sprechen. Dies geschieht in Sorge um den sozialen Kitt in der Gesellschaft und den Zustand unserer Umwelt.

    Wir schaffen bei uns Wohlstand, doch auf Kosten der Regenerationsfähigkeit von Lebens-grundlagen anderer Menschen. Dagegen formiert sich ein neues Bündnis aus Natur- und Kulturszene. Mit dabei ist auch Bundesrat Alain Berset (Bild; BaZ).

    Die Kultur beginnt, sich für die Nachhaltige Entwicklung der Schweiz einzusetzen. Hauptakteure sind Künstlerinnen und Künstler, deren Filme, wie beispielsweise «More than Honey», Preise gewinnen und so viele Zuschauerinnen und Zuschauer ins Kino locken wie selten zuvor. Die NATUR Messe (am zweiten muba-Wochenende) erwartet auch den Auftritt von Performerinnen, die sich mit dem Thema der Zukunftssicherung auf unterhaltsame und zugleich eindrückliche Weise nähern.

    Aber auch Medien und Politik mischen sich ein: SRG Generaldirektor Roger de Weck wird sich am NATUR Kongress erstmals zur Verantwortung der Medien für eine Nachhaltige Entwicklung äussern. Und Bundesrat Alain Berset wird in seiner Rolle als Kulturminister den Bogen schlagen  vom Natur- und Heimatschutzartikel in der Bundesverfassung, der gerade 50 Jahre alt geworden ist, zum heutigen Verhältnis zwischen Natur und Kultur. Aus globaler Sicht kommentiert dieses Verhältnis Achim Steiner, der eloquente Generaldirektor des UNO-Umweltprogramms.

    Die Kultur wird zum Hoffnungsträger der Nachhaltigen Entwicklung. Das seit der Konferenz von Rio im vergangenen Jahr auch weltweit abgesegnete Konzept der «grünen Wirtschaft» wird es allein nicht richten. Es braucht auch eine «grüne Gesellschaft», das heisst einen Wertewandel, der uns freiwillig und aus innerer Überzeugung zur Energiewende führt, zum Beispiel hin zu erneuerbaren Energien. Oder hin zur Schonung unserer wertvollen Böden und der Artenvielfalt durch biologischen Landbau. Oder zu einem weltweit dringenden, sparsamen Umgang mit Süsswasser, der für die Ernährungssicherheit entscheidend ist.

    Dieser Wertewandel ist in erster Linie kultureller Art: Von der Mentalität des «macht Euch die Erde untertan» zur Kooperation mit unserer Umwelt. Keine Tierart zerstört beim Fressen ihre Nahrung, wie der Mensch dies gegenwärtig im globalen Massstab tut. Wir schaffen bei uns Wohlstand, doch auf Kosten der Regenerationsfähigkeit von Lebensgrundlagen anderer Menschen. Hunger, Elend und Kriege um Ressourcen sind die grausamsten Symptome dieser Fehlentwicklung. Der Kongress vom 1. März initiiert eine neue Zusammenarbeit zwischen Natur- und Kulturszene, um diese Frage radikal, von der Wurzel her, anzupacken.

  • Seid doch endlich ehrlich!

    Die Gesundheitspolitiker finden die Pharmapreise zu hoch, die Industrie verteidigt sie. Nun profiliert sich Innenminister Alain Berset mit hartem Durchgreifen gegen die Pillendreher. Er hat die Krankenkassenprämien im Visier. Novartis, Roche & Co. argumentieren: Die hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung rechtfertigten die Preise.

    Im Kampf von Bundesrat Alain Berset gegen die Pharmaindustrie um tiefere Arzneimittelpreise drücken sich alle um die unbequeme Wahrheit. Von mehr Ehrlichkeit auf allen Seiten würden sowohl der bedrängte Wirtschaftszweig als auch die Kunden der Krankenkassen profitieren. (Bild: Keystone)

    Welche Seite hat Recht? Keine von beiden. Das wichtigste Argument bleibt unausgesprochen, weil es im Ausland Anstoss erregen würde. Seid doch mal ehrlich: Es geht in erster Linie um die Exporte der Pharmaindustrie, die unter tieferen Inland-Preisen leiden würden. Wie das?

    Medikamentenpreise haben mit den technischen Herstellungskosten der einzelnen Packung wenig zu tun. Sie sind künstlich festgelegt. Ins Kalkül fliessen die Forschungs- und Vertriebsausgaben ein, vor allem aber die Marktverhältnisse: Wenn es kein anderes Arzneimittel gibt, das die gleiche Wirkung entfaltet, dann ist eine Impfung oder Pille teuer. Wenn Konkurrenz herrscht, dann kommen die Preise herunter. Die Investitionen müssen nicht pro Medikament, sondern insgesamt wieder zurückfliessen.

    Es lohnt sich aus finanziellen Gründen, Medikamente in der Schweiz zu produzieren oder mindestens zu konfektionieren (das heisst abzufüllen, einzuschweissen, zum Verkauf bereit zu stellen). So fällt die grösste Wertvermehrung – vom oft billigen Rohstoff bis zum Verkaufspreis ab Fabrik – in der Schweiz an und somit in einem Tiefsteuerland.

    Die Schweizer Pharma-Firmen verkaufen nach eigenen Angaben nur zwei Prozent ihrer Produktion im Inland. Würden sie ihre lokalen Preise um ein Fünftel senken, verlören sie lediglich ein Fünftel von zwei Prozent, also 0,4 Prozent ihres Umsatzes. Halb so schlimm. Schmerzhaft wären jedoch die Auswirkungen auf die Exporte: Keine Regierung akzeptiert Preise, die deutlich höher liegen als im Herkunftsland eines Medikaments. Preissenkungen im Inland würden deshalb auch jene 98 Prozent der Medikamente treffen, die unser Land verlassen: Die Umsatzeinbusse läge dann 20 Mal höher – bei einem Fünftel des Gesamtumsatzes.

    Fazit: Eine Preissenkung im Inland würde zwar die Fieberkurve der Krankenkassenprämien leicht dämpfen, als Nebenwirkung jedoch die Gesundheit der Schweizer Pharmaindustrie gefährden. Operation gelungen – Patient gestorben. Die elegante Alternative: Die Schweizer Pharmaindustrie könnte ihre Preise im Inland (und somit auch im Ausland) frei gestalten. Im Gegenzug würde sie Direktzahlungen von 240 Millionen Franken an die Krankenkassen leisten. Um diesen Betrag will Bundesrat Berset die Medikamentenpreise senken. 240 Millionen sind 0,5 Prozent der Pharma-Exporterlöse. Unter dem Strich käme das für alle günstiger als eine Preissenkung der Arzneien. Und die Exportwirtschaft florierte weiter.