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Kulturwandel für Nachhaltigkeit

  • Seid doch endlich ehrlich!

    Die Gesundheitspolitiker finden die Pharmapreise zu hoch, die Industrie verteidigt sie. Nun profiliert sich Innenminister Alain Berset mit hartem Durchgreifen gegen die Pillendreher. Er hat die Krankenkassenprämien im Visier. Novartis, Roche & Co. argumentieren: Die hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung rechtfertigten die Preise.

    Im Kampf von Bundesrat Alain Berset gegen die Pharmaindustrie um tiefere Arzneimittelpreise drücken sich alle um die unbequeme Wahrheit. Von mehr Ehrlichkeit auf allen Seiten würden sowohl der bedrängte Wirtschaftszweig als auch die Kunden der Krankenkassen profitieren. (Bild: Keystone)

    Welche Seite hat Recht? Keine von beiden. Das wichtigste Argument bleibt unausgesprochen, weil es im Ausland Anstoss erregen würde. Seid doch mal ehrlich: Es geht in erster Linie um die Exporte der Pharmaindustrie, die unter tieferen Inland-Preisen leiden würden. Wie das?

    Medikamentenpreise haben mit den technischen Herstellungskosten der einzelnen Packung wenig zu tun. Sie sind künstlich festgelegt. Ins Kalkül fliessen die Forschungs- und Vertriebsausgaben ein, vor allem aber die Marktverhältnisse: Wenn es kein anderes Arzneimittel gibt, das die gleiche Wirkung entfaltet, dann ist eine Impfung oder Pille teuer. Wenn Konkurrenz herrscht, dann kommen die Preise herunter. Die Investitionen müssen nicht pro Medikament, sondern insgesamt wieder zurückfliessen.

    Es lohnt sich aus finanziellen Gründen, Medikamente in der Schweiz zu produzieren oder mindestens zu konfektionieren (das heisst abzufüllen, einzuschweissen, zum Verkauf bereit zu stellen). So fällt die grösste Wertvermehrung – vom oft billigen Rohstoff bis zum Verkaufspreis ab Fabrik – in der Schweiz an und somit in einem Tiefsteuerland.

    Die Schweizer Pharma-Firmen verkaufen nach eigenen Angaben nur zwei Prozent ihrer Produktion im Inland. Würden sie ihre lokalen Preise um ein Fünftel senken, verlören sie lediglich ein Fünftel von zwei Prozent, also 0,4 Prozent ihres Umsatzes. Halb so schlimm. Schmerzhaft wären jedoch die Auswirkungen auf die Exporte: Keine Regierung akzeptiert Preise, die deutlich höher liegen als im Herkunftsland eines Medikaments. Preissenkungen im Inland würden deshalb auch jene 98 Prozent der Medikamente treffen, die unser Land verlassen: Die Umsatzeinbusse läge dann 20 Mal höher – bei einem Fünftel des Gesamtumsatzes.

    Fazit: Eine Preissenkung im Inland würde zwar die Fieberkurve der Krankenkassenprämien leicht dämpfen, als Nebenwirkung jedoch die Gesundheit der Schweizer Pharmaindustrie gefährden. Operation gelungen – Patient gestorben. Die elegante Alternative: Die Schweizer Pharmaindustrie könnte ihre Preise im Inland (und somit auch im Ausland) frei gestalten. Im Gegenzug würde sie Direktzahlungen von 240 Millionen Franken an die Krankenkassen leisten. Um diesen Betrag will Bundesrat Berset die Medikamentenpreise senken. 240 Millionen sind 0,5 Prozent der Pharma-Exporterlöse. Unter dem Strich käme das für alle günstiger als eine Preissenkung der Arzneien. Und die Exportwirtschaft florierte weiter.

  • Wonderful Baselbiet

    Es gibt Momente, da singe ich, ohne lange nachzudenken, im Chor der Stimmen mit, der die Wiedervereinigung beider Basel unverzichtbar findet. Letzten Samstag kam ich wieder einmal ins Grübeln: Brauchen wir nicht ein unabhängiges, kooperatives Baselbiet, das jubiliert, das leidet, das sich behauptet, das sich immer wieder selbst erfindet, ja, erfinden muss?

    Die Zukunft ist unsicherer und offener denn je. Erfolgreich bestehen können Gemeinwesen nur innovativer Planung, unter Beteiligung breiter Kreise. Auch von Kindern und Ausländern. Wer hat’s erfunden? Das Baselbiet. (Bild: Hannes-Dirk Flury)

    Dieser Kanton ist politisch hoch erfolgreich: Er initiierte beispielsweise die Idee des Zivildienstes als Ersatz für Gefängnisaufenthalte für Militärdienstverweigerer. In seinem Schoss entstand die radikale Schweizer Anti-AKW-Bewegung, die soeben mit dem Beschluss zum Ausstieg aus der radioaktiven Müllproduktion ihren grössten Triumph feiern konnte.

    100 Baselbieterinnen und Baselbieter, dazu einige Gäste aus Basel, trafen sich letzten Samstag im Sissacher Schloss Ebenrain, um in die Zukunft zu blicken. Das Baselbiet braucht Visionen, waren sich alle einig. Kulturchef Niggi Ullrich hatte das passende Bonmot von Helmuth Schmidt im geistigen Gepäck. Oft werde nur der erste Satz zitiert: «Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.» Doch der ehemalige Bundeskanzler habe noch einen zweiten hinzugefügt: «Wer eine Vision hat, kann sich glücklich schätzen.» Genau darum ging es im Ebenrain.

    Die Selbstbehauptung des Baselbiets setzt Reflexion und gemeinsames Handeln voraus. Kein Kanton – vielleicht mit Ausnahme des Juras – ist so sehr ein Willenskanton wie Baselland. «Mir wei luege», hiess es mal. «Mir wei fürsi luege», hiess es im Ebenrain. Das Fazit von vier Fachreferaten und Arbeitsgruppen war: Die Zukunft ist unberechenbar, wir können inhaltlich kaum planen. Wir können aber unser Gemeinwesen auf Überraschungen einstellen, auf ein Spektrum möglicher Zukünfte.

    Es nervt, dass mein Korrekturprogramm das Wort Zukünfte als Fehler rot unterstreicht. Es will mir sagen: Die Mehrzahl von Zukunft gibt es nicht. Aber genau dies behauptet – zu Recht – das Baselbiet, seit letzten Samstag.

    Der neue Impuls, der inmitten blühender Fruchtbäume geboren wurde und das Baselbiet auf alle möglichen Zukünfte vorbereiten wird, heisst Partizipation. Beteiligung der Bevölkerung an der Planung, Gestaltung, Innovation. Zum Beispiel, um die Qualität der Siedlungen in den Mittelpunkt der Entwicklung zu rücken. Oder beim Haushalten mit knappen Rohstoffen das Zusammenrücken auf kleinere Räume zu erlauben.

    Wenn in 20 Jahren das Stimmrechtsalter Null (mit Vertretung der Kinder bis 16 durch die Eltern) auf eidgenössischer Ebene eingeführt wird, wenn allenthalben Jugendräte wichtige entscheide fällen und Ausländerinnen und Ausländer umfassend mitwirken können, wird man sich fragen: Wer hat’s erfunden? Das Baselbiet, wird die korrekte Antwort nicht nur für Ricola lauten.

  • Einspruch, Herr Bundesrat!

    Bundesrat Ueli Maurer beeindruckte die Eröffnungsgäste der muba durch rhetorische Brillanz. Viele Zuhörerinnen und Zuhörer mussten ihr Vorurteil revidieren, wonach der SVP-Magistrat kaum drei Wörter aneinanderreihen kann. Seine 15-minütige, frei gehaltene Rede kreiste um die Stichworte Sicherheit, Wettbewerb und Freiheit.

    Je freier die Marktwirtschaft, umso wichtiger ist das Regelwerk zum Schutz der Schwächeren. Generell gegen Gesetze wettern nur jene, die aufgrund ihrer Machtposition keines Schutzes ihrer Freiheit bedürfen. Eine Replik auf Ueli Maurers muba-Eröffnungsrede. (Bild: Keystone)

    Sicherheit ist sein Beruf. Als Chef der Armee verkaufte er mit diesem Schlagwort die Leistungen seines Departements. Angesichts des vielfältigen Angebots an der muba kam ihm der Wettbewerb in den Sinn, der dieses bunte Gemisch an Waren und Dienstleistungen erst ermöglicht habe.

    So weit so gut.

    Das Thema Freiheit bezog Mauerer direkt auf die Regelungsdichte, die den Wettbewerb behindere und damit einen Schweizer Erfolgsfaktor torpediere. Der Zürcher beklagte, dass Bundesbern allein im letzten Jahr neue Gesetzestexte, Reglemente und Richtlinien im Umfang von 6500 Seiten veröffentlicht habe. Auch 2012 sei man mit bisher 1500 Seiten schon auf rekordverdächtigem Kurs. Den Anteil des Militärs an diesem stolzen Werk verriet er allerdings nicht.

    Als Gegenstände der beargwöhnten Regulierung nannte der Bundesrat unter anderem den Jugendschutz, den Artenschutz und den Klimaschutz, die er gnädig mit dem Attribut «sympathisch» bedachte. Sympathisch, aber überflüssig, wie er suggerierte: Die Freiheit sei durch solche Staatstätigkeit bedroht.

    Diese Argumentation erntete tosenden Beifall von den 400 anwesenden Honoratioren aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft, Armee und Medienwelt, die Messepräsident Ueli Vischer zuvor, traditionsgemäss langatmig, begrüsst hatte. Es ist Mode, weniger Gesetze und weniger Bürokratie zu fordern. Dasselbe tut die Initiative der Freisinnigen Partei, die letzte Woche eingereicht wurde.

    Der Applaus der muba-Eröffnungsrunde macht Maurers Aussagen nicht wahrer: Es ist ein Mythos, dass Gesetze per se auf Einschränkungen abzielen. In vielen Fällen sichern sie die Freiheit des Einzelnen. Ebenso oft setzen sie der Staatsmacht Grenzen. Gesetzlos sind nur die Anarchie und die Diktatur. Ein starkes Regelwerk zum Schutz der Schwächeren ist Grundlage und Rahmen jeder Marktwirtschaft. Generell gegen Gesetze wettern nur jene, die aufgrund ihrer Machtposition keines Schutzes ihrer Freiheit bedürfen.

    Doch selbst hier gibt es keine Regel ohne Ausnahme: Ueli Maurer kritisierte die Aufweichung des Bankgeheimnisses als weiteres Indiz für die Einschränkung von Freiheiten. Rückfrage des einfachen Bürgers: Füllen die Regeln, die das Bankgeheimnis festschreiben, nicht auch Hunderte wenn nicht Tausende von Seiten? Und ist es nicht die SVP, die diesen Grundsatz gar in der Verfassung verankert sehen möchte? Auf diesen Paragraphen, Herr Bundesrat, können wir gerne verzichten.

  • Rheininsel der Innovation

    Benedikt Weibel bekleidet ein Schlüsselamt für die künftige Stadtentwicklung Basels. Der Berner ist Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen Rheinhäfen. Die Ideen und Bedürfnisse der Häfen sind massgebend für die räumliche Ausdehnung Basels im Norden. Je schneller zeitgemässe Ersatzhäfen, sei es in Basel Nord, in Weil oder im Elsass zur Verfügung stehen, umso rascher wird auch eine Nachnutzung möglich.

    Die Insel der Innovation – im Bild rechts, zwischen der Wiesemündung und dem Dreiländereck – nimmt eine Zukunft voraus, welche die Erde ohnehin ansteuern muss. Gewinner wären Basel und die ganze Region. (Bild: Bau- und Verkehrsdepartement BS, Grundbuch- und Vermesseungsamt)

    Dank der Internationalen Bauausstellung IBA Basel gibt es dafür einen zeitlichen Rahmen aus der Sicht des Kantons: Bis in zehn Jahren sollen die ersten neuen Häuser von Nordbasel stehen. Die Aussicht, eine Hafenstadt zu bauen, ist faszinierend. Kaum ein Ort kann sich mit so vielen spannenden Schnittstellen schmücken: Endstation der Binnenschifffahrt, Dreiländereck, Grenze zur EU, Sprachgrenze, ausgedehnte Uferzonen, direkter Anschluss an Bahn, Autobahn, Flughafen und Schifffahrt, Übergang von Stadt zu Land, Mischzone von Wohnen, Gewerbe, Industrie, Dienstleistung und Unterhaltung.

    Kein Wunder, denken erste Pläne den neuen Stadtteil in die Höhe und grenzüberschreitend. Wo viele Ansprüche auf engem Raum zusammentreffen, entsteht Stadt. Und wo Verkehrswege Netze knüpfen, entwickeln sich Märkte, gedeihen Kooperation und Konkurrenz.

    Die heutige Planergeneration übernimmt eine grosse Verantwortung. Erstmals seit dem Bau des Gundeldinger Quartiers zwischen 1880 und 1910, steht ein ganzer Stadtteil für weit über 10 000 Einwohner und Tausenden von Arbeitsplätzen vor der Realisierung. Trotz dem grossen Respekt, den die zuständigen Stellen in Politik und Verwaltung vor dieser Jahrhundertaufgabe haben, sollten sie nicht zögern, diese rasch anzupacken und dafür viel Energie und Wissen aufzuwenden.

    Andere Städte haben in solchen Situationen eigenständige Entwicklungsagenturen ins Leben gerufen. Oft hatten diese einen kommerziellen Charakter. Zu Basel würde die Rechtsform einer Stiftung mit einem öffentlichen Leistungsauftrag passen. Und es bietet sich die Chance eines Leuchtturm-Projekts mit internationaler Ausstrahlung.

    Auf der Rheininsel – also zwischen der Wiesemündung und dem Dreiländereck – sollte ein Stadtteil entstehen, der wie vorgesehen mit Hochhäusern bestückt ist, aber als erster weltweit mehr Energie produziert, als er verbraucht, nur mit baubiologisch einwandfreien Materialien gebaut ist, keine Autos mit Verbrennungsmotor zulässt, nur biologische Lebensmittel anbietet, bevorzugt Unternehmen ansiedelt, die hohe ökologische und soziale Standards befolgen und im Bereich der nachhaltigen Dienstleistungen oder Technologien tätig sind. Diese Insel der Innovation hat das Potenzial, eine Zukunft vorausnehmen, welche die Erde ohnehin ansteuern muss. Basel kann nur gewinnen.

  • Wenn Zürich leidet, muss Basel bluten

    Der ehemalige Swiss-Chef Christoph Franz stieg nicht ohne Grund zum Vorstandsvorsitzender der Lufthansa auf. Dort blieb er seinem Erfolgsrezept treu, mit dem er die Schweizer Tochter saniert hat: Konzentration auf wenige, grosse Flughäfen. Alle anderen Destinationen wird er hingegen als geduldige Kühe nach Belieben zuerst melken und dann schlachten.

    Der ehemalige Swiss-CEO und heutige Lufthansa-Chef Christoph Franz (Bild) treibt ein gefährliches Spiel: Seine Airline krempelt die Flugpläne ab Basel nach Belieben um. Alles orientiert sich am Drehkreuz Zürich. Doch zukunftsträchtige Alternativen sind im Aufbau. (Bild von Keystone)

    Die jüngsten Opfer sind die Strecken Basel-Kopenhagen und Basel-Budapest. Die Strategie war immer dieselbe: Man betreibt ab Basel eine sehr beliebte Verbindung, die rentiert. In Zürich ist dieselbe Destination zwar gut ausgebaut, leidet aber unter zu tiefer Belegung. Um die Linie ab Zürich wirtschaftlicher zu gestalten, streicht die Swiss die Verbindung ab Basel. Im Fall von Budapest sollen jährlich 15 000 Passagiere gezwungen werden, über Zürich zu reisen, um die Auslastung der dortigen Flüge zu steigern.

    Laut BaZ weist der Swiss-Kundendienst Beschwerdeführer pflichtschuldig auf die Existenz einer Bahnverbindung von Basel nach Zürich Flughafen hin. Dieser Transfer sei von der Airline sogar «gesponsert». Dasselbe würde allerdings auch für den zeitlich genau gleich langen Katzensprung von Zürich nach Basel EuroAirport gelten.

    Wie es anders geht, zeigt das Beispiel Genf. Dort bietet die Swiss in einem ähnlich grossen Einzugsgebiet wie Basel ein Vielfaches an Verbindungen an. Denn eine Verlagerung nach Zürich kommt dort nicht in Frage.

    Es ist wichtig, dass Basel diese Herausforderung annimmt. Mit der Rivalität zwischen den beiden grossen Deutschschweizer Zentren hat das Thema aber nichts zu tun. Es geht viel mehr um Verkehrsprioritäten.

    Was die Swiss in Europa am meisten fürchtet, ist die Konkurrenz der Schiene. Und da hat Basel eine unvergleichliche Stellung. «Für Flüge – die Bahn», könnte bald ein Slogan lauten. Demnächst sind zahlreiche Zentren ohne den Umweg über die Stratosphäre schneller erreichbar – und dazu umweltfreundlicher, bequemer und auch für Geschäftsleute produktiver: Vor der Fertigstellung steht der letzte Teilabschnitt des der TGV Rhin-Rhône (2h40 bis Paris, 5h bis Marseille, 5h30 bis London, Letzteres inklusive Bahnhofswechsel in Paris). 2016 geht die NEAT in Betrieb (3h bis Milano). Bald darauf folgen die Ausbauten Richtung Frankfurt (3h30 bis Köln) und Schaffhausen (4h bis München).

    Ausbaufähig ist das Netz angenehmer Nachtzüge – Richtung Wien, Budapest, Moskau, Kopenhagen, Amsterdam, Rom oder Barcelona. Die Verkehrspolitiker der Region sind gefordert, primär mit den SBB einen langfristig stabilen und verlässlichen Fahrplan auszuhandeln. So bald die  jährlich 15 000 Passagiere nach Budapest eine günstige Alternative haben, muss auch die Swiss reagieren.

  • Ein «High Line Park» für Basel

    Michael Bloomberg hat sich nicht nur als Innovator der Wirtschafts-Nachrichtenwelt einen Namen gemacht (und damit ein Vermögen von geschätzten 20 Milliarden Franken angehäuft). Er ist auch seit 2002 Stadtpräsident von New York, mit einem symbolischen Jahressalär von einem Dollar. Die auf acht Jahre begrenzte Amtszeit der meisten US-amerikanischen Exekutiv-Politiker hebelte Bloomberg 2009 – wie ein Südamerikanischer Caudillo – mit einer Gesetzesänderung aus. Anschliessend gewann er die zweite Wiederwahl.

    Durch eine schlaue Kombination des geplanten Central Park Basel mit einer Überdeckung der Elsässer Bahn würde für Einheimische, Anwohner und Touristen eine neue Attraktion entstehen. Es ist Zeit, dass Basel Visionen wieder mehr Raum gibt. (Durch einen Klick auf das Bild gelangen Sie zur Animation.)

    Die Beliebtheit Bloombergs ist nicht allein darauf zurückzuführen, dass New York dank ihm das Gehalt des Bürgermeisters einspart. Der stämmige Politiker zeichnet sich auch durch weitsichtige Entscheide aus, etwa in der Energie- und Verkehrspolitik. Und er hat den Mut, kreative Ideen aufzunehmen und umzusetzen. Dazu gehört zweifellos der verrückte Plan, eine alte, nicht mehr benötigte Hochbahn, die auf Stelzen parallel zur Südwestküste der Insel Manhattan verläuft, in einen Park zu verwandeln.

    Die so genannte «High Line» ist 1,6 Kilometer lang und wäre beinahe dem Abbruchhammer zum Opfer gefallen. Denn sie war hässlich und im Weg. Bloomberg-Vorgänger Rudy Giuliani wollte sie beseitigen. Eine Bürgerinitiative lancierte 1999 die Idee, auf dem Viadukt einen langgezogenen Park zu entwickeln, der von Anwohnern nicht nur genutzt, sondern auch teilweise selbst gepflegt werden sollte. Als Bloomberg sein Amt übernahm, war er einer der ersten Unterstützer. Das Stadtparlament bewilligte 50 Millionen Dollar für das Vorhaben. Heute ist der «High Line Park» (dessen Vorbild übrigens die «Promenade plantée» von Paris ist) eine belebte Ausgehmeile, Fussgänger-Passage und Touristenattraktion sowie ein Paradies für «Urban Farming», einer etwas freieren Abart des Familiengarten-Modells.

    Basel hat, natürlich im Kleinen, das selbe Potenzial: Der «Central Park Basel», also die Umgestaltung der Gleisanlagen zwischen Bahnhofspasserelle und Margarethenbrücke, wäre ein wunderbarer Startpunkt. Das Gebiet verfügt über eine direkte Verbindung zum Zoo. Und von dort ist es ein Katzensprung zum Einschnitt der Elsässer Bahn, die zu überdecken sich lohnte: Eine Kombination aus Park, Freizeitanlagen und Wohngebiet, verbunden durch Spazierwege und eine Fahrrad-Schnellverbindung in Basels Westen, wäre die lokale Variante der «High Line».

    Vor Jahren scheiterte die Idee, die Elsässer Bahn zu deckeln, an der Urne. Die Inspirationen der «High Line» und der «Promenade plantée» erweitern jedoch den Horizont: In der Regel ist Basel offen, wenn ein Vorschlag nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich Sinn macht. Es ist Zeit für einen neuen Versuch.

  • Die Taxi-Revolution

    Jetzt, wo die Uhren- und Schmuckmesse «Basel» vorbei ist, stehen sie wieder trist herum, die vielen Basler Taxis. Vor dem SBB-Bahnhof bilden sich unendliche Kolonnen. An jedem Standplatz dösen mehrere Karossen vor sich hin.

    Taxis sind heute vorwiegend gross, dumm, teuer und stehen meist herum. Die Zukunft gehört den kleinen, schlauen, günstigen und rollenden Taxis. Sechs Regeln sind dafür zu beachten.

    Als ich anfangs Woche für eine kurze Strecke einstieg, bekam ich gleich die Quittung in Form eines bösen Blicks, der mir sagen wollte: Jetzt bin ich über eine Stunde in der Schlange gestanden, um für 13 Franken um die Ecke zu fahren. Das erste, kurze Lächeln erzeugte erst mein nettes Trinkgeld.

    Es ist ein Widersinn: Taxis sollten Mobilität ermöglichen, stehen aber die meiste Zeit still. Sie sind teuer und stinken – drinnen nach Duftbäumchen, draussen nicht selten nach Dieselruss.

    Kaum ein Taxifahrer hat eine gute Meinung über den Autoverkehr. Alle finden, es habe zu viele Privatwagen, die herumkurven. Manche träumen laut von «Road pricing“» besonders, wenn sie in einer Schlange stehen oder an einer Ampel. Natürlich gibt es in ihren Augen auch zu viele Taxis. Der Kanton verteile grosszügig Lizenzen an unbedarfte Kolleginnen und Kollegen. «Früher war alles besser,» ist die meist gehörte Formel.

    Es sind aber die Taxifahrer selbst, die den entscheidenden Beitrag an die Mobilität ihres eigenen Gewerbes und der Bevölkerung leisten könnten. Ein paar Regeln würden helfen:

    1)   Nur noch Taxis mit neusten Abgasnormen (zum Beispiel Euro 4) dürften zirkulieren. Es braucht vor allem viel mehr kleine, wendige und schadstoffarme Wagen.

    2)   Sauberkeit innen und aussen ist Geschäftsbedingung.

    3)   Die Autos müssen rollen: Deutlich tiefere Preisen führten zu höheren Frequenzen. Wenn es billiger wäre, würden mehr Leute Taxi fahren, die sonst ihr eigenes Auto benützen und einen teuren Parkplatz berappen.

    4)   Das Taxi wird so zu einem wichtigen Standbein des öffentlichen Verkehrs und könnte auch dessen Spuren benützen, inklusive Tramspuren.

    5)   Es braucht nur noch eine einzige, kleine Taxi-Zentrale für Notfälle und wenn jemand kein Smartphone hat. Alle anderen Bestellungen würden über Apps ablaufen, die den nächst gelegenen, mit einem schlauen Bordcomputer bestückten Wagen aufbieten.

    6)   Alles könnte über ein Taxigesetz geregelt werden, da die Preise und Zulassungen ohnehin staatlich vorgegeben sind.

    Das gelbe vom Ei wäre, wenn alle Taxis die gleiche Farbe hätten und damit im Strassenbild sofort erkannt würden. Wie wär’s mit rot-blau?

  • Best gehütete Geheimnisse enthüllt

    Von CVP-Präsident Christophe Darbellay hätte ich erwartet, dass er als Vertreter einer demokratischen Partei nach Annahme der Landschaftsschutz-Initiative sagen würde: «Ok, ich war dagegen, aber jetzt gilt es, den Volkswillen umzusetzen.» Nichts dergleichen geschah. Als das Ergebnis fest stand, konzentrierte sich der Walliser Politiker darauf, Ausnahmen von der neuen Verfassungsregel zur Beschränkung des Zweitwohnungsbaus zu fordern. Den Grund dafür enthüllte er tags darauf selbst.

    Economiesuisse ist laut CVP-Präsident Darbellay «Auftraggeber» und «Einspanner» von Parteien in Abstimmungskämpfen. Wenn der Wirtschaftsdachverband wie bei der Landschaftsschutz-Initiative die Lage falsch einschätzt, dann knallt’s.

    In seiner Aufregung plauderte Darbellay die sonst am besten gehüteten Geheimnisse des inneren Machtzirkels unseres Landes aus: «Economiesuisse wollte die neuen Mitteparteien einspannen. Darum hat die Grünliberale Partei (GLP) den Lead erhalten. Wir wurden mit einer anderen wirtschaftsrelevanten Kampagne beauftragt»

    Economiesuisse «beauftragt» also die CVP, während die GLP gar «eingespannt» wird. Trotzig rapportierte der stramme Polit-Soldat Darbellay nach verlorener Schlacht: «Die CVP hat sich mit ihren Exponenten sehr stark engagiert. In allen CVP-Stammlanden mit Ausnahme von Jura und St. Gallen wurde die Initiative deutlich abgelehnt. Die CVP ist sicher nicht schuld an diesem Ergebnis.» Mit anderen Worten: Das Geld muss weiter fliessen.

    Es passiert immer häufiger, dass die Diskussion über eine Initiative erst losgeht, nachdem sie an der Urne angenommen worden ist. Der Grund dafür ist die Steuerung der Politik durch Economiesuisse, wie ein verzweifelter Darbellay im gleichen Interview bestätigte: «Die Wirtschaftsverbände, vor allem Economiesuisse (…), haben das Berggebiet im Stich gelassen. Sie wollten nicht wahrhaben, dass die Sache doch gefährlich war.»

    Der Wirtschaftsdachverband bestimmt also, wer wo agiert und mit welchen Mitteln ausgestattet wird. Und wenn die Damen und Herren in der Zürcher Zentrale die Lage falsch einschätzen, dann knallts. «Beauftragte» Lakaien wie Darbellay dürfen dann den Schaden begrenzen, indem sie eilfertig Ausnahmebestimmungen fordern.

    Die bürgerlichen und auch die Mitteparteien sind nur noch Alibi und offenbar käuflich. Schon im Vorfeld der Abstimmung über die Landschaftsschutz-Initiative habe ich mir die Augen gerieben, als die GLP die Nein-Parole ausgab. Jetzt wissen wir, weshalb. Schon fast heldenhaft erscheint in diesem Licht betrachtet das Ausscheren der GLP Basel-Stadt mit ihrer Ja-Parole.

    Herr Darbellay deckt die Machtverhältnisse schonungslos auf. Dafür sollten wir ihm dankbar sein. Wir wissen jetzt, dass die neue Basler Lobbying-Stelle nicht ins Bundeshaus gehört, sondern nach Zürich, ins Schattenkabinett des Wirtschaftsdachverbandes. Und jede Partei sollte verpflichtet werden, ihre Geldquellen offen zu legen.

  • Sag mir, was Du trinkst

    Journalistenkollege Michael Bahnerth hat ein bahnbrechendes System erfunden, das definitiv niemanden mehr überfordert: Die Trinkgewohnheiten der Politiker entscheiden über ihre Wahl. Wer, wie Regierungspräsident Guy Morin, in Moskau lieber Grüntee trinkt als Wodka, gehört vom Volk als Softie abgestraft: Er ist ein «König ohne Macht». So das Fazit von Bahnerths Frontgeschichte in der letzten Sonntags-BaZ.

    Sag mir was Du trinkst, und ich sage Dir, wer Dein Polit-Held ist. Ein neuartiges, geniales System ist im Begriff, unsere politische Landschaft umzukrempeln. Selbst der Harassenlauf (Bild) entpuppt sich als Wahlkampf pur. (Bild: Dominik Plüss)

    Der Gedanke ist genial: All die komplizierten Angebote im Internet, die uns beistehen sollen bei der richtigen Entscheidung, werden überflüssig. Sorry «smartvote» und zum Teufel mit Politbarometern wie «vimentis.ch». Der Schlüssel zum Verständnis eines Magistraten ist sein bevorzugtes Getränk.

    Grüne trinken also laut Bahnerth Grüntee. Grünliberale wahrscheinlich Pepita. Sozialdemokraten bevorzugen aufgrund der Farbe Campari. Damit ist endlich entlarvt, wohin diese Partei schon lange driftet: Sie ist vom Arbeiter-Bündnis zur Intellektuellen-Clique mit Cüpli-Allüren verkommen.

    Die SVP hingegen trinkt Bier. Nein, pardon, die BDP trinkt Bier, ihre Grundfarbe ist ja gelb (und der Harassenlauf wohl ihre wichtigste Demo). Was trinkt demnach die SVP? Es ist ein gut gehütetes Geheimnis, aber die Parteifarbe bringt es auch hier an den Tag: Grün. Also Absinth. Die «grüne Fee» verursacht laut Wikipedia «Schwindel, Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Depressionen, Krämpfe, Blindheit sowie geistigen und körperlichen Verfall». Da haben wir’s! Vor allem Schwindel und Krämpfe gehören in der SVP zum täglichen Brot.

    Bei der FDP habe ich lange recherchiert. Dann bin ich auf Coca-Cola gestossen: Die amerikanische Limonade erinnert FDP-Mitglieder wehmütig an die Zeiten, als sie noch ungestraft in den USA Steuerhinterzieher anlocken durften.

    Katholischer Tradition entspricht, dass die CVP Wasser predigt, aber Wein trinkt. Die Basta ist ein Basler Sonderfall, aber Wodka trinken auch die Linken nicht. Da haben sie sich allzu sehr von Moskau emanzipiert – oder umgekehrt. Vielleicht Tequila oder Bacardi? Wahrscheinlich eher Bio-Süssmost. Bald vertrocknet sind die Liberalen, da sie am liebsten gar nichts trinken.

    Für die Wählerinnen und Wähler ist die Welt einfacher geworden: Voten Sie für Ihr Lieblingsgetränk! Sag mir was Du trinkst, und ich sage Dir, wer Dein Polit-Held ist. Unter dem Strich kommt es vielleicht auf dasselbe hinaus wie heute, erspart aber viele Mühen und Auseinandersetzungen mit Inhalten. Fatal wäre allerdings, wenn das Volk sich irrte, wie Michael Bahnerth: Guy Morin mag nämlich keinen Grüntee. Was er hingegen liebt, ist Verveine, auf Deutsch Eisenkraut. Perfekte Tarnung: Hinter dem Grüntee-Softie lauert der stahlharte Macho! Putin zittere! Das Beispiel zeigt: Auch bei der Anwendung des neuen Systems kommen wir nicht um präzise Recherchen herum.

  • Alles über Global Energy Basel

    André Auderset beklagt sich in einem Leserbrief (BaZ vom 25. Februar), dass ich über die Global Energy Basel (GEB) berichte, ohne deren Zweck und Wirkung zu würdigen. Der liberaldemokratische Grossrat hat natürlich Recht. Ein wenig scheute ich letzte Woche die detaillierte Schilderung, weil ich das Gipfeltreffen mit verantworte. GEB ist die weltweit führende Plattform für die Finanzierung umweltschonender und sozialverträglicher (nachhaltiger) Infrastrukturen.

    «In Städten treffen sich Probleme und ihre Lösungen», sagte letzte Woche Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch, die Direktorin des SECO im Eidgenössischen Volkswirtschafts-Departement, bei der Begrüssung der internationalen Gäste an der Global Energy Basel (GEB).

    In der Regel verbiete ich es mir, in dieser Kolumne über meine berufliche Tätigkeit zu schreiben. Heute mache ich eine Ausnahme. Denn Auderset stört, dass «über Ergebnisse (von GEB) nichts bekannt» sei. Und er schlägt den «Verzicht auf solche Alibi-Kongresse» vor, um die Klimagas-Emission der Flüge einzusparen. Diese Kritik ist sehr ernst zu nehmen. Es gibt tatsächlich viele Geschäftsreisen mit fraglichem Nutzen, die nur den Planeten zusätzlich belasten.

    Weshalb ist GEB anders? In erster Linie, weil es sich nicht einfach um eine Konferenz handelt, sondern um eine Plattform. Diese lädt Entwickler nachhaltiger, also CO2-einsparender Infrastruktur-Projekte ein, ihre Vorhaben interessierten Investoren zu präsentieren. Eine wachsende Zahl von Pensionskassen, Banken, Staatsfonds, Versicherungen, aber auch die Weltbank möchte mit Investitionen in reale Werte die Finanzkrise hinter sich lassen. Sie alle kamen letzte Woche nach Basel, weil sie der Meinung sind, die Geldwirtschaft solle sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren: Die fachlich versierte Finanzierung von Geschäften und Projekten mit positiven Auswirkungen für Mensch und Umwelt. Zum Beispiel Installationen für erneuerbare Energien, öffentliche Verkehrsmittel, effiziente Frachtschiffe, Konzepte für vorbildliche Ökostädte.

    Ein Mal im Jahr treffen sich alle Akteure, die sich für nachhaltige Infrastruktur engagieren, in Basel an der GEB. Dabei präsentieren sich nicht nur Projekte den anwesenden Investoren. Es geht auch darum, voneinander zu lernen. Runde Tische tauschen sich beispielsweise über Finanzierungs-Mechanismen oder Vor- und Nachteile verschiedener Förderprogramme aus, wie sie auch der Kanton Basel-Stadt oder die Schweiz kennen.

    Gut 300 Fachleute aus 30 Ländern und 40 Städten trafen sich letzte Woche an der GEB. Führender Medienpartner ist die Financial Times. Als Standort für Cleantech, erneuerbare Energie-Förderung und als Finanzplatz kann Basel von dieser Ausstrahlung nur profitieren. Auch der Bund (das Eidgenössische Volkswirtschafts-Departement) unterstützt die GEB inhaltlich und finanziell. Der CO2-Ausstoss der Gäste wird bei weitem wieder wett gemacht durch eingesparte Emissionen von nachhaltigen Infrastruktur-Projekten, die an der GEB Investoren finden.