Die Gesundheitspolitiker finden die Pharmapreise zu hoch, die Industrie verteidigt sie. Nun profiliert sich Innenminister Alain Berset mit hartem Durchgreifen gegen die Pillendreher. Er hat die Krankenkassenprämien im Visier. Novartis, Roche & Co. argumentieren: Die hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung rechtfertigten die Preise.

Welche Seite hat Recht? Keine von beiden. Das wichtigste Argument bleibt unausgesprochen, weil es im Ausland Anstoss erregen würde. Seid doch mal ehrlich: Es geht in erster Linie um die Exporte der Pharmaindustrie, die unter tieferen Inland-Preisen leiden würden. Wie das?
Medikamentenpreise haben mit den technischen Herstellungskosten der einzelnen Packung wenig zu tun. Sie sind künstlich festgelegt. Ins Kalkül fliessen die Forschungs- und Vertriebsausgaben ein, vor allem aber die Marktverhältnisse: Wenn es kein anderes Arzneimittel gibt, das die gleiche Wirkung entfaltet, dann ist eine Impfung oder Pille teuer. Wenn Konkurrenz herrscht, dann kommen die Preise herunter. Die Investitionen müssen nicht pro Medikament, sondern insgesamt wieder zurückfliessen.
Es lohnt sich aus finanziellen Gründen, Medikamente in der Schweiz zu produzieren oder mindestens zu konfektionieren (das heisst abzufüllen, einzuschweissen, zum Verkauf bereit zu stellen). So fällt die grösste Wertvermehrung – vom oft billigen Rohstoff bis zum Verkaufspreis ab Fabrik – in der Schweiz an und somit in einem Tiefsteuerland.
Die Schweizer Pharma-Firmen verkaufen nach eigenen Angaben nur zwei Prozent ihrer Produktion im Inland. Würden sie ihre lokalen Preise um ein Fünftel senken, verlören sie lediglich ein Fünftel von zwei Prozent, also 0,4 Prozent ihres Umsatzes. Halb so schlimm. Schmerzhaft wären jedoch die Auswirkungen auf die Exporte: Keine Regierung akzeptiert Preise, die deutlich höher liegen als im Herkunftsland eines Medikaments. Preissenkungen im Inland würden deshalb auch jene 98 Prozent der Medikamente treffen, die unser Land verlassen: Die Umsatzeinbusse läge dann 20 Mal höher – bei einem Fünftel des Gesamtumsatzes.
Fazit: Eine Preissenkung im Inland würde zwar die Fieberkurve der Krankenkassenprämien leicht dämpfen, als Nebenwirkung jedoch die Gesundheit der Schweizer Pharmaindustrie gefährden. Operation gelungen – Patient gestorben. Die elegante Alternative: Die Schweizer Pharmaindustrie könnte ihre Preise im Inland (und somit auch im Ausland) frei gestalten. Im Gegenzug würde sie Direktzahlungen von 240 Millionen Franken an die Krankenkassen leisten. Um diesen Betrag will Bundesrat Berset die Medikamentenpreise senken. 240 Millionen sind 0,5 Prozent der Pharma-Exporterlöse. Unter dem Strich käme das für alle günstiger als eine Preissenkung der Arzneien. Und die Exportwirtschaft florierte weiter.