André Mislin, Chef von Coop Nordwestschweiz, ist ein motivierender und erfolgreicher Manager. Auch harte Konkurrenz vermag seine Stirn nicht in Falten zu legen. Sie treibt ihn vielmehr zu Höchstleistungen an. In seiner jahrzehntelangen Karriere als Detailhändler hat er jedoch noch nie eine Herausforderung erlebt, wie sie sich am 1. August im grenznahen Ausland zeigte: BL, BS, BS, LÖ, LÖ, BL, LÖ, BS, BL, BS. So las sich schon morgens um 11 eine willkürlich herausgegriffene Reihe von Autokennzeichen entlang der dicht befahrenen Einkaufsmeile in Weil am Rhein.

Vor den Kassen der dortigen Shoppingcenter, Apotheken, Bioläden, Elektrofachgeschäfte, Modeboutiquen, Optiker und Buchhandlungen traten sich am Nationalfeiertag Schweizerdeutsch parlierende Paare und Familien gegenseitig auf die Füsse. Sie kauften üppig ein, zu Preisen, die durchschnittlich 30 bis 40% unter dem Niveau von Basel lagen – bei gleicher Qualität. Viele verlangten eine Ausfuhrbescheinigung. Mit etwas bürokratischem Aufwand lassen sich damit – dank Mehrwertsteuer-Rückerstattung – die Kosten um weitere 10% drücken.
Zur Feier des Tages trugen manche Einkaufstouristen rote T-Shirts mit Schweizerkreuz. Tatsächlich ist kein schlechter Patriot, wer im nahen Ausland einkauft. Ein solcher Schweizer pflegt im Gegenteil die typisch eidgenössische Tugend der Sparsamkeit. Wer seine Kaufkraft mit Hilfe des schwachen Euro aufpeppt, nutzt einen Standortvorteil, der in keinem Regionen-Rating vorkommt: Die Grenzlage vergünstigt nicht nur die Mieten der Baslerinnen und Basler, sondern auch ihren täglichen Konsum. Anders als Einkaufstouristen aus Bern oder Zürich, erreichen sie ihr Ziel bequem in 15 Minuten per S-Bahn, Fahrrad, Bus oder Auto.
Am 1. November kommt dann der Gegenbesuch: Seit Jahrhunderten sind Innenstadt und Herbstmesse an Allerheiligen fest in den Händen unserer katholischen Nachbarn. Auch diese Visiten stärken das Gemeinsame, die wirtschaftliche Verflechtung, das Kennenlernen. So fallen beim Shoppen in Weil nebenbei die Plakate des lokalen Veranstalters www.kieswerk-open-air.de auf. Weshalb nicht einen Katzensprung zu diesem Festplatz wagen, wo allabendlich für 7 Euro ein Kinofilm, Konzerte und Kulinarisches auf dem Programm stehen?
Auch die Basler Zeitung ist übrigens in Deutschland erhältlich: Sie kostet zwei Euro, umgerechnet 2 Franken 20, also 60 Rappen weniger als am Erscheinungsort. Bald heisst es: Für die BaZ rasch nach Binzen. Wir können gespannt sein, was sich André Mislin gegen die Grenzüberschreitungen seiner Kundschaft ausdenkt. In der Zwischenzeit geniessen wir guten Gewissens die schöne Erkenntnis: Preisdifferenzen gehören zu den kleinen Unterschieden, die Völker seit jeher verbinden. Erst recht in der Region Basel.
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