Roger Diener ist ein erfolgreicher, gescheiter und erst noch gut aussehender Architekt. Solche gibt es einige. Doch hat er darüber hinaus eine Eigenschaft, die manchem abgeht: Er ist selbstkritisch. Das bewies er kürzlich erneut, mit einem Vortrag beim ETH Wohnforum in Zürich. Dort prangerte der Basler nicht nur die anderen, sondern auch sich selbst an, uniforme, anonyme und letztlich unbewohnbare Wohnungen zu bauen – bloss weil heutige Bauherren diese so bestellen.

Ausgehend vom Wohnzimmer, das stets riesig sein muss, mit Cheminée und grossen Fenstern bis zum Boden, beschrieb er den Nullerjahre-Allerweltsstil gehobener Neubauten. Als unpraktisch und überinstrumentiert denunzierte er die heutigen Badezimmer, die sich – mit der frei stehenden Badewanne – als Teil des Schlafzimmers inszenieren. Solche Wohnungen könne man praktisch nur mit Designer-Möbeln bestücken, doch letztlich blieben sie seelenlos.
Basel bekommt neue Stadtteile. Dagegen gibt es Proteste von Familiengärtnern. Die Jugend sieht sich um ihre Freiräume betrogen. Die leider verunglückte Besetzung des alten Kinderspitals war ebenfalls eine Geste gegen das Neue, das dort entsteht. Nun sucht Immobilien Basel-Stadt für die Überbauung einen Investor. Dieser sollte Roger Diener gut zuhören.
Denn auch dem Kinderspital-Areal droht modernistische Gesichts- und Gemütlosigkeit, trotz äusserlich heimeliger Holzbau-Architektur. Es gibt kaum Diskussionen darüber, welche Qualität Wohnungen wir in den Neubaugebieten wollen oder wie das Zusammenleben in diesen Quartieren aussehen wird. Visionäres, der kommenden Energie- und Raumknappheit Angemessenes, sucht man vergeblich.
Ein schlechtes Beispiel ist das Erlenmatt-Quartier, wo nicht einmal der Minergie-Standard obligatorisch ist. Eine etwas bessere Leistung in dieser Hinsicht erhoffen wir vom Dreispitz. Die Zukunft liegt vielleicht bei Renovationen oder Genossenschaften, wo nicht die Expansion des Privaten, sondern die Konstruktion des Gemeinschaftlichen – ohne Zwang – im Vordergrund stehen könnte. Aber auch hier scheuen manche Bauherren Neues zu wagen, zum Beispiel mit Nullenergie-Häusern oder fantasievoller Aussenraum-Gestaltung.
Es sind Banken, Versicherungen und Pensionskassen, welche die heutige Stadtexpansion finanzieren und damit unseren zukünftigen Lebensstil prägen. Viele ihrer Entscheidungsträger wohnen in Vorstadt-Villen mit Doppelgarage und Pool. Dass ein Haushalt mit einem Wohnzimmer von 25 Quadratmetern ebenso glücklich sein kann wie mit 40 oder 60 Quadratmetern, können sie sich vielleicht gar nicht vorstellen. Deshalb ist selbst Roger Diener gezwungen, Grundrisse zu zeichnen, die rasch veralten. Mehr Weitsicht ist gefragt – wer wagt sie?
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