Cordula, die mich manchmal am Biostand auf dem Marktplatz bedient, packte zähneklappernd meine Gemüse ein und wünschte mir einen schönen Tag. In der dunklen Jahreszeit erinnert mich der Basler Markt an den winterlichen Roten Platz: Es weht ein Hauch von Moskau über dem eisigen Pflaster, und das Rathaus thront darüber, als wäre es ein kleiner Kreml. Nur noch vereinzelte Stände bieten der scharfen Bise die Stirn wie die obersten Bonsai-Tannen an der Baumgrenze.

Cordula fragte in die wartende Runde: «Wer ist als Nächster dran?» Neben mir räuspert sich eine gut eingepackte Dame mit adretter Wollmütze: «Ich hätte gern alles für Ratatouille!» Verdutzt bleibe ich stehen. Neben Zwiebeln und Knoblauch postet sie Auberginen, Peperoni in allen Farben, Tomaten, Zucchini, Chilischoten. Alles da.
Es ist mitten im Winter, und die Dame verlangt Ratatouille! Ausgerechnet am Biostand! Was haben daselbst Tomaten, Auberginen und Zucchini zu suchen? Wer Bio einkauft, tut dies der Umwelt zuliebe. Februar-Tomaten aus Marokko oder Südspanien schaden jedoch der Umwelt. Bio hin oder her. Aus ökologischer Sicht habe ich im Winter lieber einen lokalen Lauch aus chemischer Produktion, als einen Bio-Brokkoli aus Sizilien. Der Brokkoli wächst jetzt in beheizten Treibhäusern und wird über hunderte Kilometer im Lastwagen hergekarrt. Bio hin oder her.
Fragt man am Biostand nach, weshalb jetzt Sommergemüse im Angebot sind, dann wird eher mürrisch auf die Kunden-Nachfrage verwiesen. Dasselbe Lied beim Grossverteiler: Es muss immer alles verfügbar sein, auch im Biosortiment. Wer hat als erster den Mut, sich wenigstens beim Bio-Angebot auf Saisonales zu konzentrieren? Keine weit gereiste Importware mehr, dafür mehr verschiedene Rübli, winterharte Salate, Randen und Kohlarten anzubieten? Mit leckeren Rezepten und Aktions-Ständen?
Es geht nicht nur um die Umwelt. Die Saison auf dem Teller bringt auch mehr Freude. Freude auf die ersten Spargeln aus dem Elsass, Freude an reifen, schmackhaften Erdbeeren zur richtigen Zeit. Mehr Bewusstsein dafür, wie die Landwirtschaft, wie die Natur funktionieren – gerade in Haushalten mit Kindern. Mehr kulinarische Abwechslung sogar: Denn es braucht etwas Phantasie, um mit Sellerie und Rotkraut, Marroni und Gelben Rüben, Wirsing und Pastinaken ein tolles Menu zu komponieren.
Gelegentliche Abstecher in die Welt der Zitrusfrüchte oder eine kleine Umweltsünde wegen einem verlockenden Rezept gehören mit einem Augenzwinkern dazu. Dass die freundliche Dame ein sommerliches Kontrastprogramm auf ihren Teller zaubern wollte, ist bei den heutigen Temperaturen gut nachvollziehbar, aber alles andere als ökologisch.
Saisonal essen bedeutet die Jahreszeiten zu erleben statt sich nur zu ernähren. Im Winter fahren wir Ski, im Sommer baden wir im Fluss. Wenn wir uns nicht auch beim Essen lustvoll nach dem Wetter richten: Wozu soll sonst die verdammte Kälte gut sein?
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