Es gibt Momente, da singe ich, ohne lange nachzudenken, im Chor der Stimmen mit, der die Wiedervereinigung beider Basel unverzichtbar findet. Letzten Samstag kam ich wieder einmal ins Grübeln: Brauchen wir nicht ein unabhängiges, kooperatives Baselbiet, das jubiliert, das leidet, das sich behauptet, das sich immer wieder selbst erfindet, ja, erfinden muss?

Dieser Kanton ist politisch hoch erfolgreich: Er initiierte beispielsweise die Idee des Zivildienstes als Ersatz für Gefängnisaufenthalte für Militärdienstverweigerer. In seinem Schoss entstand die radikale Schweizer Anti-AKW-Bewegung, die soeben mit dem Beschluss zum Ausstieg aus der radioaktiven Müllproduktion ihren grössten Triumph feiern konnte.
100 Baselbieterinnen und Baselbieter, dazu einige Gäste aus Basel, trafen sich letzten Samstag im Sissacher Schloss Ebenrain, um in die Zukunft zu blicken. Das Baselbiet braucht Visionen, waren sich alle einig. Kulturchef Niggi Ullrich hatte das passende Bonmot von Helmuth Schmidt im geistigen Gepäck. Oft werde nur der erste Satz zitiert: «Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.» Doch der ehemalige Bundeskanzler habe noch einen zweiten hinzugefügt: «Wer eine Vision hat, kann sich glücklich schätzen.» Genau darum ging es im Ebenrain.
Die Selbstbehauptung des Baselbiets setzt Reflexion und gemeinsames Handeln voraus. Kein Kanton – vielleicht mit Ausnahme des Juras – ist so sehr ein Willenskanton wie Baselland. «Mir wei luege», hiess es mal. «Mir wei fürsi luege», hiess es im Ebenrain. Das Fazit von vier Fachreferaten und Arbeitsgruppen war: Die Zukunft ist unberechenbar, wir können inhaltlich kaum planen. Wir können aber unser Gemeinwesen auf Überraschungen einstellen, auf ein Spektrum möglicher Zukünfte.
Es nervt, dass mein Korrekturprogramm das Wort Zukünfte als Fehler rot unterstreicht. Es will mir sagen: Die Mehrzahl von Zukunft gibt es nicht. Aber genau dies behauptet – zu Recht – das Baselbiet, seit letzten Samstag.
Der neue Impuls, der inmitten blühender Fruchtbäume geboren wurde und das Baselbiet auf alle möglichen Zukünfte vorbereiten wird, heisst Partizipation. Beteiligung der Bevölkerung an der Planung, Gestaltung, Innovation. Zum Beispiel, um die Qualität der Siedlungen in den Mittelpunkt der Entwicklung zu rücken. Oder beim Haushalten mit knappen Rohstoffen das Zusammenrücken auf kleinere Räume zu erlauben.
Wenn in 20 Jahren das Stimmrechtsalter Null (mit Vertretung der Kinder bis 16 durch die Eltern) auf eidgenössischer Ebene eingeführt wird, wenn allenthalben Jugendräte wichtige entscheide fällen und Ausländerinnen und Ausländer umfassend mitwirken können, wird man sich fragen: Wer hat’s erfunden? Das Baselbiet, wird die korrekte Antwort nicht nur für Ricola lauten.