«Olivia» (Pseudonym) reagierte auf mit einem langen Beitrag auf die Kolumne und den Blogbeitrag von letzter Woche («Ist Basel zu dicht besiedelt?»). Es ist nicht der extremste Kommentar einer lebhaften Debatte, die auf www.unserekleinestadt.ch nachzulesen ist. «Olivias» Zeilen zeugen von einer tiefen Frustration: «Viele Quartiere sind nur noch Ghettos, ungepflegt, dreckig und verwahrlost. Diese Verwahrlosung ist eine Seuche, welche die ganze Stadt lahmgelegt hat, sogar die Freie Strasse ist dabei zu verlottern. Es tut einem weh, diesen Verfall der letzten 30 Jahre zu beobachten und gleichzeitig den politischen Unwillen zu sehen, etwas daran zu ändern. (…) Basel muss die Armut, die in ihr grassiert bekämpfen. Das sollte Priorität Nummer eins sein. Armut bekämpfen heisst hierbei nicht, arme Leute zu verstecken, sondern ihnen die Hilfe zukommen zu lassen, dass die Stadt nicht verwahrlost.»

«Karl» antwortet «Olivia»: «Es ist einiges wahr, was Sie hier schreiben. (…) Es reicht nicht, nur Geld zu verteilen, es braucht Investition in Bildung, nicht in BMWs. Aber von Armut zu sprechen – da würde ich vorsichtiger sein. Es gibt Leute, die ihre Miete nicht bezahlen, und deren Kinder haben dennoch i-Phones in ihren Taschen. (…) Vor allem ist die Gleichgültigkeit erschreckend, wie gegenüber dem eigenen Quartier keine Verantwortung wahrgenommen wird. Da braucht es mehr Durchmischung, und die kann nur vonstatten gehen, wenn bessere Wohnqualität erstellt wird (…).»
Relativierend und zugleich bestätigend schreibt ein weiterer Blogger: «Obwohl ich zu den etwas ‘besseren’ Steuerzahlern gehöre, wohne ich (mit Kindern) im Matthäusquartier. Wenn ich abends vom Ausgang nach Hause zurückkehre, laufe ich dem unteren Rheinweg entlang. (…) Probleme hatte ich nie und ich wohne schon seit Jahren hier. Darüber hinaus war das Matthäusquartier schon immer ein Quartier der einfachen Leute. Früher waren dies die Opfer der Industrialisierung, heute sind es Ausländer (damit wir Schweizer ein Leben im Mittelstand führen können). Und ja, auch ich finde es ein wenig ärgerlich wenn die Bedienung im Restaurant fast kein Deutsch, dafür umso besser Türkisch spricht, Gelfrisuren im tiefer gelegten 3er BMW durch das Quartier düsen und Alkis am Strassenrand rumlungern. (…) Aber wieso erzähle ich Ihnen das alles? Vielleicht sehen Sie ja, dass in Basel vieles übertrieben wird (besonders von den ‘wahren‘ Baslern).»
Unabhängig davon, wo genau die Wahrheit liegt: Die Politik unternimmt zu wenig, um Frustrationen zu verstehen, die sich zumindest verbal ausbreiten. Schon allein diesem tief besorgten Teil der Bevölkerung systematisch ein Ohr zu leihen, wäre ein positiver erster Schritt. Ein regelmässiger Stammtisch am Ort des Geschehens, mit verantwortlichen Behörden, wo Klagen möglich wären, erleichterte das tägliche Zusammenleben, würde die Stimmung in unseren Strassen aufhellen und nicht zuletzt die Stadtentwicklung befruchten.